Ein Heiratsantrag | Page 2

Anton Tschechow
ein Ideal oder auf die echte
Liebe wartet, verheiratet man sich niemals. Brrr!... Es ist kalt! Natalia
Stepanowna ist eine vorzügliche Wirtin, ist auch nicht übel, ist
gebildet ... was brauche ich denn noch? Es rauscht mir vor Aufregung

in den Ohren. (Er trinkt Wasser.) Und nicht heiraten, das geht nicht...
Erstens bin ich schon fünfunddreißig Jahre alt -- ein kritisches Alter,
sozusagen. Zweitens bedarf ich eines geordneten, regelmäßigen
Lebens... Ich habe einen Herzfehler, beständiges Herzklopfen, ich bin
empfindlich und gerate immer in furchtbare Aufregung. Sofort zittern
mir die Lippen und auf der rechten Schläfe zuckt der Puls... Aber das
Allerschrecklichste ist der Schlaf. Kaum habe ich mich ins Bett gelegt
und beginne einzuschlummern, da zerrt und zupft plötzlich etwas an
der linken Seite! und just in der Schulter und im Kopf hämmert etwas...
Ich springe wie ein Verrückter auf, gehe eine Weile umher, dann lege
ich mich wieder, aber kaum bin ich ein wenig eingeschlafen, habe ich
wieder einen Krampf an der Seite! Und so geht es an die zwanzig
Mal...
=Natalia Stepanowna= (kommt von rechts).

Dritter Auftritt.
=Natalia Stepanowna.= =Lomow.=
=Natalia Stepanowna.= Ach so! Das sind Sie, und Papa sagt: geh', ein
Händler ist gekommen, Ware kaufen. Guten Tag, Iwan Wassiljitsch.
=Lomow.= Guten Tag, geehrte Natalia Stepanowna!
=Natalia Stepanowna.= Entschuldigen Sie, ich habe die Schürze an und
bin im Hauskleid... Wir reinigen Schoten zum Trocknen. Warum sind
Sie so lange nicht bei uns gewesen? Setzen Sie sich... (Sie setzen sich.)
Wollen Sie etwas zum Frühstück nehmen?
=Lomow.= Nein, ich danke Ihnen, ich habe schon gegessen.
=Natalia Stepanowna.= Rauchen Sie ... da sind Zündhölzer... Das
Wetter ist herrlich und gestern hat es so stark geregnet, daß die Arbeiter
den ganzen Tag nichts tun konnten. Wie viel Schober haben Sie
geschnitten? Denken Sie sich nur, ich bin sehr habgierig und habe die
ganze Wiese abmähen lassen und jetzt ärgere ich mich darüber, ich

fürchte, mein Heu verfault mir. Es wäre besser gewesen, ich hätte
gewartet. Ja, was ist denn das? Mir scheint gar, Sie sind im Frack? Das
Allerneueste! Gehen Sie am Ende auf einen Ball? Nebenbei bemerkt,
Sie sind etwas hübscher geworden... Wahrhaftig ... warum sind Sie so
herausgeputzt?
=Lomow= (aufgeregt). Sehen Sie, geehrte Natalia Stepanowna... Es
handelt sich darum, daß ich mich entschlossen habe, Sie zu bitten, mich
anzuhören... Natürlich werden Sie sich wundern und sogar böse sein,
aber ich... (Beiseite.) Wie schrecklich kalt es ist!
=Natalia Stepanowna=. Um was handelt es sich? (Pause.) Nun?
=Lomow.= Ich werde mir Mühe geben, mich kurz zu fassen. Verehrte
Natalia Stepanowna, es ist Ihnen bekannt, daß ich schon lange, seit
meiner Kindheit, die Ehre habe, Ihre Familie zu kennen. Meine selige
Tante und ihr Gemahl, von denen ich, wie Sie wissen, das Grundstück
geerbt, hatten stets die größte Achtung vor Ihrem Vater und Ihrer
seligen Frau Mutter. Das Geschlecht der Lomows und das Geschlecht
der Tschubukows standen seit jeher in den freundschaftlichsten,
sozusagen verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander, überdies
grenzt, wie Sie zu wissen belieben, mein Grundstück eng an das Ihrige.
Wenn Sie sich gütigst erinnern wollen, stoßen meine Ochsenwiesen
hart an Ihren Birkenwald.
=Natalia Stepanowna.= Entschuldigen Sie, ich muß Sie unterbrechen.
-- Sie sagen »+meine+ Ochsenwiesen« ... ja, sind das denn auch die
Ihrigen?
=Lomow.= Ja, sie gehören mir...
=Natalia Stepanowna.= So? So etwas! Die Ochsenwiesen gehören uns
und nicht Ihnen!
=Lomow.= Nein -- +mir+, verehrte Natalia Stepanowna!
=Natalia Stepanowna.= Das ist für mich etwas ganz Neues! Wie
gehören sie denn Ihnen?

=Lomow.= Was -- wie? Ich rede von jenen Ochsenwiesen, die
zwischen Ihrem Birkenwald und der Ziegelerde eingekeilt liegen.
=Natalia Stepanowna.= Nun ja, eben diese ... gehören uns...
=Lomow.= Nein, Sie irren sich, verehrte Natalia Stepanowna, sie
gehören mir.
=Natalia Stepanowna.= Erinnern Sie sich nur genau, Iwan Wassiljitsch!
Ist es schon lange her, daß Sie dieselben erworben haben?
=Lomow.= Wie lange? Soweit ich mich an mich selbst erinnern kann,
gehörten sie immer uns.
=Natalia Stepanowna.= Nun, dem ist also nicht so. Sie entschuldigen
schon!
=Lomow.= Das geht aus den Papieren hervor, verehrte Natalia
Stepanowna. Die Ochsenwiesen wurden mir schon einmal -- das ist
wahr -- streitig gemacht, jetzt aber ist es allen bekannt, daß sie mir
gehören. Da gibt es nichts zu streiten. Hören Sie gefälligst: Die
Großmutter meiner Tante hat diese Wiesen für eine unbestimmte Zeit
zur unentgeltlichen Benutzung den Bauern des Großvaters Ihres
geehrten Vaters dagegen zur Verfügung gestellt, daß für die
Großmutter die Ziegel gebrannt werden. Die Bauern des Großvaters
Ihres geehrten Vaters benutzten die Wiesen ungefähr vierzig Jahre
unentgeltlich und gewöhnten sich daran, dieselben als ihr Eigentum
anzusehen, später aber, als der Ukas kam...
=Natalia Stepanowna.= Es ist gar nicht so, wie Sie erzählen? Auch
mein Großvater und Urgroßvater waren davon überzeugt, daß ihre
Grundstücke sich bis zu den Sümpfen erstreckten -- das heißt also, die
Ochsenwiesen gehörten uns. Was gibt es da zu streiten? Ich begreife
gar nicht...
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