Ein Bruderzwist in Habsburg | Page 9

Franz Grillparzer
von unserm Bruder nichts verlautet?
Klesel (der in den Vorgrund rechts getreten, auf sie zugebend). Gott
segne Euern Eintritt, edle Herrn!
(Die Erzherzoge gehen nach der entgegengesetzten Seite und gehen
quer über die Bühne ab.)
Klesel (sich zurückziehend). Du heil'ger Gott!
Erzherzog Leopold (der zurückgeblieben, links in den Vordergrund
tretend). Ramee!
Oberst Ramee (zu ihm tretend). Erlauchter Herr!
Erzherzog Leopold. Es steht hier schlimm, und doch, bedenk ich's recht,
Möcht ich fast sagen: gut. Sie haben Pläne. Das Lager hier, ich fürchte,
löst sich auf. Hast du versucht ob ein und andre willig Bei uns zu
dienen im Passauer Heer?
Ramee. Bei zwanzig Führer.
Leopold. Halt, sprich leise, hier!
(Er zieht sich mit ihm nach der linken Seite, wo Ramee zu ihm spricht.)
Klesel (in der Mitte der Bühne mit einer Bewegung gegen den
Erzherzog.). Ob ich's versuche, noch einmal versuche?
(Eine Gruppe Soldaten rechts im Vorgrunde.)

Erster (halblaut). Des Kaisers Sohn Don Cäsar ist im Lager. Er wirbt
Gehilfen zu geheimem Anschlag. Es soll 'ner Kutsche mit zwei Frauen
gelten, Begleitet nur von wenigen Berittnen.
Zweiter. Das wär' ja wie ein Räuberüberfall.
Erster. Des Kaisers Sohn und Räuber? Dann zuletzt, Was kümmert's
dich? Sieh hier, man zahlt mit Gold. (Münzen zeigend.)
Zweiter. Gehst du?
Erster. Jawohl! und Kunz und Hans und Märten.
Klesel (im Mittelgrunde). Nein, lieber sterben, als den Einsichtslosen
Die Einsicht opfern und gerechten Stolz.
Leopold (zu Ramee). Sei rasch und klug und hüte dich vor dem! (Auf
Klesel zeigend, ab.)
Zweiter Soldat (rechts im Vorgrunde). Hier hast du mich! Soll's bald?
Erster. Heut abend.
Zweiter. Gut!
Geschrei (hinter der Szene). Vivat! Vivat!
Ramee. Was ist?
Hauptmann (in die Szene nach links blickend). Ein Mann--umgeben--
In ung'risch niedrer Tracht.--'s ist der Erzherzog.
Ramee. Mathias?
Hauptmann. Wohl!--Nun vivat, vivat denn, Wer's treu mit Östreich
meint und seinem Haus.
(Klesel, der bei dem Worte Mathias zusammengefahren, stürzt jetzt auf
den Hauptmann zu, ihm die Rechte mit beiden Händen drückend, dann
eilt er nach der linken Seite ab.)
Alle (in derselben Richtung folgend). Vivat! Vivat!
Ramee. Nun, vivat denn wir alle! (Er schließt sich an.)
Erster Soldat (aus der Gruppe rechts). Wir kommen noch zurecht. Doch
wahrt die Zunge.
(Sie ziehen sich nach der rechten Seite zurück. Die Bühne ist leer
geworden.)
Verwandlung Das Innere eines Zeltes. Kurzer Raum, im Hintergrunde
durch einen Vorhang geschlossen.
Von außen hört man noch immer Vivat rufen. Erzherzog Mathias in
einfachen ungarischen bis an die Knie reichenden Rocke, ein paar
Diener hinter sich, von der rechten Seite.
Mathias. Ha jubelt nur, ihr wackern treuen Jungen! Diesmal fürwahr

ging's nahe g'nug an Leib. (Sein Kleid besehend, zu den Dienern.) Gebt
einen andern Rock!--Und doch, laßt immer! Nicht trennen will ich
mich von diesen Kleidern Bis abgewaschen dieses Tages Schimpf.
Doch einen Stuhl, denn auszuruhn geziemt sich, Eh man die Kraft zu
neuem Wirken spannt.
Klesel (von rechts eintretend). Gebt Raum! Gebt Raum! Ich muß zu
meinem Herrn! (Sich vor ihm auf die Knie werfend und seine Hand
fassend.) Ihr seid's, Ihr lebt! O uns ist allen Heil!
Mathias (Klesel emporhebend). Habt Dank, mein Freund! Habt Dank
für Eure Liebe. Ja diesmal galt's. Ein Zoll, ein Haar, Und Prinz Mathias
ging zum dunkeln Land, Wo Fürsten sich als Bettlergleiche finden.
(Sein Kleid zeigend.) Der Riß hier, schau! Das war ein türk'scher Säbel,
Den einzeln ich der einzelne bestand. Es gab zu tun, (mit einer
Handbewegung) doch eine schiefe Quart Des alten Mazzamoro, unsers
Lehrers Aus früher Knabenzeit, das endlich half. Ein alter Landmann
gab mir diesen Rock Und so kam ich zurück ins eigne Lager.
(Diener haben einen kurzen Mantel gebracht.)
Mathias. Was soll's?--Sagt' ich denn nicht--? Es gilt wohl gleich!
(Diener ziehen ihm das ungarische Kleid aus und geben ihm den
Mantel um, währenddessen)
Klesel. Wie waren wir besorgt seit Flucht und Schlacht.
Mathias. Die Schlacht ging schief. Der alte Mansfeld Mit seinem
Zaudern hat das Heer verderbt, Da ist kein Mann für tücht'ges Werk
und Wagen. Dagegen diese Türken, (den Mantel zurecht ziehend, die
Diener entfernen sich) wahr bleibt wahr. Sonst schützt ein Fluß den
drangelehnten Flügel, Sie aber schwimmen durch mit Roß und Mann,
Und was ein Bollwerk schien wird Punkt des Angriffs. In Zukunft sieht
man sich wohl vor.--Nun aber Was geht für Nachricht von den
Flüchtigen? Sind sie zurück im Lager? Fehlen viel?
Klesel. Ein Dritteil sagt man fast des ganzen Heers.
Mathias (auf und nieder gehend). Ein Dritteil, schlimm!
Klesel. Nicht wahr? Ihr seht nun selbst--
Mathias. Es finden manche sich wohl später ein. Doch hätt' ich nicht
gedacht--
Klesel. Der Rest entmutigt, So daß kein Mittel, als--
Mathias (stille stehend). Erneuter Angriff.
Klesel. Als Frieden.

Mathias. Neuer, doppeltstarker Angriff.
Klesel. Ihr wart ja doch vor kurzem überzeugt, Daß nur allein Vertrag--
Mathias. Vor kurzem, ja, Da war ich Sieger. Aber nun: besiegt. Bei
diesem Wort empört sich mir das Blut Und steigt
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