Eltern haben deinetwegen gro?en Kummer, sie glauben du seist gestorben.? Mit diesen Worten führte sie das Kind an der Hand, bis sie aus dem Walde heraus kamen. Dann sagte die Führerin: Von dem, was du gestern und vorige Nacht geh?rt und gesehen hast, darfst du kein W?rtchen zu Hause reden, sage nur, du habest dich im Walde verirrt. Darauf gab sie dem Kinde eine kleine silberne Spange und sagte: Wenn dich die Lust anwandeln sollte, wieder einmal zu uns zu Gast zu kommen, so hauche nur auf diese Spange, so findest du schon den Weg zu uns!? Das Kind steckte die Spange in die Tasche und dachte auf dem Wege zum Dorfe daran, was wohl die Eltern von der Sache halten würden, da sie ihnen die Wahrheit nicht gestehen dürfe. In der Dorfgasse gingen zwei M?nner an ihr vorüber, welche sie nicht kannte. Als sie in des Vaters Hofthor trat, schien ihr der Ort g?nzlich fremd; wo vorher nichts gestanden hatte, da wuchsen jetzt Aepfelb?ume, an denen sch?ne Früchte hingen. Auch das Haus erschien ihr fremd. Da trat ein fremder Mann aus der Thür, schüttelte wie verwundert den Kopf und sagte, so da? das M?dchen auf dem Hofe es h?rte: ?Ein fremdes Dorfm?dchen ist auf unserem Hofe.? Das M?dchen erschien die Sache wie ein Traum, doch trat sie einige Schritte n?her, bis sie an die Thürschwelle kam. Als sie in's Zimmer hineinsah, erblickte sie den Vater, der auf der Ofenbank sa?; eine fremde Frau und ein junger Mann sa?en neben ihm, aber dem Vater waren Bart und Haupthaar ganz grau geworden. ?Guten Morgen, Vater!? sagte die Tochter, ?wo ist die Mutter?? -- ?Die Mutter, die Mutter?? rief die fremde Frau zusammenfahrend. ?Hilf Gott! bist du der verlorenen Tiu Geist, oder bist du ein lebendiges Gesch?pf wie wir? Ist es denn m?glich, da? unser liebes Kind, das uns vor sieben Jahren verstarb, zum zweiten Male in's Leben zurück kommt?? Tiu konnte aus dieser Rede nicht klug werden. Da erhob sich die fremde Frau von der Bank, streifte Tiu's Hemd?rmel auf, fand auf der Handwurzel eine kleine Brandnarbe und rief dann aus, das M?dchen umhalsend: ?Unsere Tiu, unser für todt beweintes Kind, das vor sieben Jahren im Walde verloren ging.? ?Das kann ja nicht sein,? erwiderte Tiu, ?ich bin nur eine Nacht und einen Tag von euch weg gewesen, oder zwei N?chte und einen Tag?[4].
Jetzt gab es beiderseits genug sich zu wundern; Tiu sah nun deutlich, da? sie l?nger weg gewesen war als sie selbst glaubte, denn sie war jetzt schon etwas gr??er als ihre Mutter, und Vater und Mutter waren gealtert. Gern h?tte sie den Eltern erz?hlt, was ihr begegnet war, allein sie durfte ja nicht. Endlich sagte sie, ich hatte mich verirrt und war unter fremde Leute gerathen. Der Eltern Freude über ihr wiedergefundenes Kind war so gro?, da? sie nicht weiter nachforschten, wo es denn gewesen sei.
Den andern Abend aber, als Vater und Mutter schlafen gegangen waren, lie? es der Tiu keine Ruhe mehr, sie zog die Spange aus der Tasche und hauchte darauf, um Auskunft darüber zu erlangen, was für ein wundersames Ereigni? sich mit ihr zugetragen. Alsbald fand sie sich wieder am Feuer auf dem Berge, und auch der ein?ugige Alte war wieder da. -- ?Lieber alter Papa!? bat Tiu, ?gieb mir Auskunft darüber, was mit mir vorgegangen ist.? Der Alte erwiderte lachend: ?Plappern ist Weibersache!? klopfte mit seinem Stecken auf den Rasen, und das junge Frauenzimmer, welches Tiu nach Hause geleitet und ihr die Spange geschenkt hatte, stand vor ihr. Sie nahm Tiu bei der Hand und führte sie einige Schritte vom Feuer weg; dort sagte sie: Da du dir zu Hause nichts hast merken lassen, will ich dir mehr verrathen. Der alte Papa am Feuer ist des Nebelberges K?nig, die alte Mutter, welche du die erste Nacht gesehen hast, ist die Rasenmutter[5], und wir sind ihre T?chter. Ich will dir jetzt eine noch sch?nere bunte Spange geben, sage zu Hause, du habest sie gefunden. Willst du uns sehen, so hauche nur wieder auf die Spange. Heute darf ich dir nichts weiter sagen, aber sei verschwiegen, so wirst du künftig mehr von uns zu h?ren bekommen. Jetzt geh' nach Hause, ehe die Eltern aus dem Schlafe erwachen.
Als sie am Morgen erwachte, hielt sie das in der Nacht Geschehene für einen Traum, aber die sch?ne Spange auf ihrer Brust bewies ihr, da? sie nicht getr?umt hatte. Inde? war ihr das Leben im Dorfe so fremd geworden, da? sie h?ufig Abends, wenn die Eltern schlafen gegangen waren, auf ihre Spange hauchte und sich dadurch, wie sie wünschte, auf den Nebelberg versetzte. Am Tage war sie meist verdrie?lich, weil sie sich nach ihrem n?chtlichen Glücke sehnte und somit wenig Ruhe hatte. Als der Herbst kam, fanden sich viele Freier ein; aber sie wies sie ab, endlich vor Weihnacht wurde
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