Ehstnische Märchen | Page 6

Not Available
buck einen Kuchen und gab ihn dem Jüngling zu essen, ehe er sich am Abend zur Ruhe legte. Der K?nigssohn hatte in der Nacht einen wunderbaren Traum, als ob er im Walde unter den V?geln lebte und die einem jeden derselben eigene Sprache verstünde. Als er am Morgen seinen Traum den Jungfrauen erz?hle, sagte die ?lteste Schwester: ?Zur guten Stunde habt ihr euch zu uns aufgemacht, zur guten Stunde habt ihr den Traum gehabt, der euch auf eurem Heimwege zur Wirklichkeit werden wird. Mein Schweinefleischkuchen von gestern, den ich euch zum Frommen buck und zu essen gab, war mit Zauberkr?utern gefüllt, welche euch in den Stand setzen, Alles zu verstehen, was die klugen V?gel unter einander reden. In diesen M?nnlein im Federkleide steckt viel verborgene Weisheit, die den Menschen unbekannt ist, de?halb gebt scharf Acht, was die V?gelschn?bel verkünden. Und wenn dann eure Leidenszeit vorüber ist, so denkt auch an uns arme Kinder, die wir hier wie in einem ewigen Kerker am Rocken sitzen.?
Der K?nigssohn dankte den M?dchen für ihre gute Gesinnung und versprach, sie sp?ter aus ihrer Knechtschaft zu befreien, sei es für ein L?segeld oder mit Gewalt; nahm Abschied und trat eilig die Rückreise an. Die M?dchen freuten sich, als sie sahen, da? ihnen der Faden nicht gerissen und der Goldglanz nicht verblichen sei; die alte Mutter konnte, wenn sie heim kam, ihnen nichts vorwerfen.
Um so spa?hafter ging die Sache mit dem K?nigssohne, der im Walde wie mitten in zahlreicher Gesellschaft dahin ritt, weil der Gesang und das Gezwitscher der V?gel ganz verst?ndlich wie Worte an sein Ohr schlugen. Hier sah er voll Verwunderung, wie viel Weisheit dem Menschen dadurch unbekannt bleibt, da? er die Vogelsprache nicht versteht. Von dem, was das Federvolk anfangs redete, konnte der Wanderer das Meiste nicht recht fassen; es wurde über vielerlei Menschen dies und jenes ausgeplaudert, aber diese Menschen und ihr Treiben waren ihm fremd. Da sah er pl?tzlich auf einem hohen F?hrenwipfel eine Elster und eine Drossel, deren Unterhaltung auf ihn gemünzt war.
?Die Dummheit der Menschen ist gro?,? sagte die Drossel. ?Sie wissen auch die geringfügigsten Dinge nicht recht anzufassen. Dort sitzt neben der Brücke in Gestalt einer Teichrose des alten lahmen Weibes Pflegekind schon ein ganzes Jahr, klagt singend den Vorübergehenden ihre Noth, aber Niemand kommt sie zu erl?sen. Vor einigen Tagen erst ritt ihr ehemaliger Br?utigam über die Brücke, und h?rte den sehnsüchtigen Gesang der Jungfrau, war aber auch nicht klüger als die Andern.? Die Elster erwiederte: ?Und gleichwohl mu? das M?dchen um seinetwillen von der Mutter die Strafe erdulden. Wenn ihm keine gr??ere Weisheit zu Theil wird, als die, welche er aus dem Munde der Menschen vernimmt, so bleibt das M?dchen ewig ein Blümlein.? ?Des M?dchens Befreiung würde eine Kleinigkeit sein,? sagte die Drossel, ?wenn die Sache dem alten Zauberer von Finnland gründlich dargelegt würde. Er k?nnte die Jungfrau leicht aus ihrem nassen Kerker und ihrem Blumenzwang befreien.?
Dieses Gespr?ch machte den Jüngling nachdenklich; indem er weiter ritt, ging er mit sich zu Rathe, wo er wohl einen Boten hern?hme, den er nach Finnland schicken k?nnte. Da h?rte er über seinem Haupte, wie eine Schwalbe zur andern sagte: ?Komm, la? uns nach Finnland ziehen, dort ist besser nisten als hier!?
?Haltet, Freunde!? rief der K?nigssohn in der Vogelsprache. ?Bringt dem alten Zauberer in Finnland tausend Grü?e von mir und bittet ihn um Bescheid, wie es wohl m?glich w?re, eine in eine Teichrose verwandelte Jungfrau wieder zu einem Menschenbilde zu machen.? Die Schwalben versprachen den Auftrag auszurichten und flogen davon.
Als er an's Ufer des Flusses kam, lie? er sein Pferd verschnaufen und blieb auf der Brücke stehen, um zu horchen, ob nicht der Gesang sich wieder h?ren lasse. Aber Schweigen herrschte ringsum und es war nichts zu h?ren, als das Rauschen der Wellen und das Sausen des Windes. Unmuthig setzte sich der Jüngling wieder zu Pferde, und ritt heim, sagte aber Niemanden ein Wort von dieser Wanderung und ihrem Abenteuer.
Eine Woche sp?ter sa? er eines Tages im Garten, und dachte, die Schwalben mü?ten seine Botschaft wohl vergessen haben, als ein gro?er Adler hoch in den Lüften über seinem Haupte kreiste. Allm?hlich stieg der Vogel immer tiefer herunter, bis er sich endlich auf einem Lindenast in der N?he des K?nigssohnes niederlie?. ?Der alte Zauberer in Finnland,? so lie? der Adler sich vernehmen, ?sendet euch viele Grü?e, und bittet es ihm nicht zu verübeln, da? er nicht früher Antwort ertheilt hat. Es war gerade Niemand zu finden, der hierher wollte. Um die Jungfrau aus ihrem Blumenzustande zu erl?sen, ist nur dies n?thig: Gehet an das Ufer des Flusses, werfet eure Kleider ab und schmiert euch den K?rper über und über mit Schlamm ein, so da? kein wei?er Fleck bleibt; dann nehmt die Nasenspitze zwischen die Finger und rufet: ??Aus dem Mann ein Krebs!?? Augenblicklich werdet ihr zum Krebs, dann geht in die Tiefe
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 118
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.