Edgar Allan Poe | Page 5

Hanns Heinz Ewers
Edgar Allan Poe sitzen m��ssen. Wie h?tte er getr?umt, wie w?ren die bunten Sagen auf leichten Fl��geln um seine Stirn geflogen. Und er h?tte in ehernen Worten eine neue Alhambra gebaut, die die hausdicken T��rme der Nasseriden um viele Jahrhunderte ��berdauern w��rde -- -- --
+Hier+ h?tten ihn vielleicht andere Wege zur Ekstase gef��hrt; er h?tte wohl nicht getrunken. Aber er war ja da dr��ben in Neu-England, seine arme Dichterseele stak eingepfercht zwischen realsten Prosawerten, indes zur selben Zeit Washington Irving, dies Musterbild englischer Sittlichkeit, im Mondscheinzauber der Alhambra tr?umen durfte! Und seine Alhambrasagen wurden weltber��hmt; Tag um Tag sehe ich die Fremden die geheiligten R?ume betreten: in der Hand den Baedeker, in der Rocktasche +sein+ Buch. So, wie sie im Hause der Vettier oder in dem des Dionysos die ?Letzten Tage von Pompei? lesen. Sind die paar Sch?nheiten in diesen B��chern, die sich nicht wegleugnen lassen, Lord Lyttons oder Irvings Geiste entsprungen? O nein, ein Hauch der r?mischen Totenstadt, des maurischen Geisterschlosses goss sich in ihre Seelen, obgleich sie nicht Dichter, obgleich sie nur kleine b��rgerliche Schreiberlein waren. Nicht Bulwer, nicht Irving schufen diese Sch?nheiten. Pompei schuf sie und die Alhambra -- -- +trotz ihnen+.
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Poes gl��hende Sehnsucht kannte nichts von alledem. Um sich herauszuheben, um in sich eine Ekstase zu erwecken, die ihn forttrug aus all den Dutzendwerten, die ihn umgaben, blieb ihm nur ein Mittel. Von ganz geringen Anregungen abgesehen, die wohl kaum geeignet waren, zur Ekstase zu f��hren, hat dieser ungl��ckliche Dichter nur einmal in seinem Leben von aussen her der Muse Kuss empfangen: durch sein sch?nes geliebtes Weib, Virginia Clemm. Mag der Moralist diesen Rausch einen heiligen, g?ttlichen nennen, mag er des Dichters andere Ekstasen, die aus Alkohol und hier und da aus Opium erwuchsen, als unheilig und teuflisch schelten: das gilt uns gleich! Denn die Kunstwerte, die aus diesen hervorgingen, sind nicht weniger herrlich -- --
Qualvoll aber war f��r den Geweihten die g?ttliche Ekstase kaum minder als die teuflische! Eine H?lle sollte ihm sein, was andern ein Paradies war, eine heissgeliebte, eine selige H?lle, deren Flammen aber nicht weniger sengten. Denn Virginia, deren sterbenden Augen wir Morella und Ligeia, Berenice und Leonore verdanken, war dem Tode bestimmt, ehe sie noch dem Dichter die Hand reichte. Er wusste, dass die Schwindsucht das leuchtende Rot auf ihre Wangen log, wusste, dass aus diesen tiefen, feucht schimmernden Augen die unerbittliche Krankheit herausgrinste. Wenn er am Abend die geliebten Locken streichelte, f��hlte er: ?Noch so viele Tage wird sie leben?; und am andern Morgen: ?Wieder einen Tag weniger?. Eine Sterbende war es, die seine Lippen k��sste, eine Sterbende, deren sch?ner Kopf n?chtens neben dem seinen ruhte. Wenn er aufwachte von dem R?cheln und Rasseln ihrer m��hsam arbeitenden Lungen, schien ihm das weisse Linnen ein Leichentuch, schien ihm der kalte Tropfen auf ihrer Stirne ein Todesschweiss. Ein Sterben durch Jahre hindurch, ein sichtbares langsames Sterben der Geliebten -- -- das war das einzige -- ?+Gl��ck+? dieses unseligsten aller Dichter. O ja, Sensationen gab ihm die sch?ne todgeweihte Gattin, aber es waren Sensationen der Angst, des stummen verhaltenen Schmerzes, der Verzweiflung in l?chelnder Larve: ein +Paradies der Qualen+. Lies seine sch?nsten Geschichten, die Virginia in seine Seele senkte: du wirst einen Hauch davon versp��ren, in welch namenlosen Qualen sie geboren.
Ehe noch der letzte Faden zum Leben zerrissen und die stille Frau in die Gruft gesenkt war, schrieb Edgar Poe sein Meisterst��ck, den ?+Raben+?. Und zu diesem Gedicht, das in der Weltliteratur nicht seinesgleichen hat, nahm er, -- ich m?chte es den englischen Heuchlern ins Gesicht schreien -- die Ekstase wie aus dem ?heiligen? Rausche des um die Verlorene blutenden Herzens, so auch aus dem ?gemeinen, lasterhaften? Rausche +der Weinflasche+!
Jeder Irrenarzt, der sich mit S?uferwahnsinn besch?ftigt hat, wird mit Leichtigkeit nachweisen k?nnen, was in dem ?Raben? mit absoluter Gewissheit einem Delirium entstammt; ebenso leicht ist f��r den Psychologen der Nachweis des andern Rausches, den der Dichter Virginia, der ?lost Lenore?, hier verdankt. Und damit vergleiche man das freim��tige, wunderbar klare Essay, das Poe ��ber die Entstehung des Gedichtes schrieb. Jede Strophe, jede Zeile, jeden einzelnen Wortklang begr��ndet er in verbl��ffend einfacher Logik, es ist fast, als ob er den binomischen Lehrsatz beweisen wollte! Freilich die Hauptsache, die Ekstase und ihre Entstehung aus einem heiligen und einem -- ach, so unheiligen Rausche erw?hnt er mit keinem Wort -- schrieb er sein Essay doch f��r neuengl?ndische Magazinleser, wie h?tten die einen Dichter verstehen sollen, der von einer Ekstase sprach!? Das Handwerksm?ssige, das rein Technische, das, was die Kunst ausmacht, die auf das K?nnen sich st��tzt, das ist nie von einem Dichter klarer und ��berzeugender dargelegt worden,
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