Die ungleichen Schalen | Page 5

Jakob Wasserman
rauben, und als riefe man mir zu: du bewahrst es umsonst, denn die Hunde beschn��ffeln es schon wie ein Aas.
Orlow
Schwer wird es mir, Ihnen zu widersprechen, Erlaucht.
Rasumowsky
Und wenn ich nun antworten w��rde: eine Ehe zwischen mir und der hochseligen Herrin Elisabeth Petrowna hat niemals stattgefunden?
Orlow
(bei?t sich auf die Lippen; dann glei?nerisch)
So w��rde ich Ihre Beweggr��nde zu erforschen suchen.
Rasumowsky
Wenn ich Ihnen versichern w��rde, da? ich keine Dokumente besitze --? Wie, Graf Orlow?
Orlow
(d��ster)
Sie w��rden damit mein Leben zerst?ren, Erlaucht.
Rasumowsky
Und wenn ich den Besitz der Dokumente zugebe, warum soll ich sie ausliefern? Was k?nnte mich veranlassen, ein Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt gehaltenes ��bereinkommen schm?hlich zu verletzen? Nur weil ein J��ngling, den die Jugend begehrlich und begehrenswert macht, in meinen Frieden tritt und die Hand ausstreckt nach meinem Gut?
Orlow
Es ist nichts in Ihren Worten, Alexei Grigorjewitsch, was ich mir nicht auch selbst schon ins Gewissen gerufen h?tte. Doch erw?gen Sie, Erlaucht: mein Gl��ck ist auch das Gl��ck der Kaiserin.
Rasumowsky
Ich werfe mich in den Staub vor Ihrer Majest?t, aber sie hat keine Macht ��ber die Geheimnisse meiner Seele.
Orlow
So flehe ich, Erlaucht, um Ihr Vertrauen ...
Rasumowsky
Mein Vertrauen zu den Menschen ist so gering, Graf Orlow, da? jeder Appell daran verschwendet ist. Ich habe zu viele Worte geh?rt und zu viele Taten gesehen. Ich bin meiner selbst kaum gewi?, um wie viel weniger eines andern. Ein Ozean von Geschw?tz ertr?nkt die edelste Handlung, und die niedrigste versteckt sich nicht mehr, wenn ihr ein Vorteil winkt.
Orlow
Bedenken Sie, Alexei Grigorjewitsch, ein Mann, f��r den so Ungeheueres sich entscheiden soll, mu? ein Verworfener werden, wenn es mi?lingt.
Rasumowsky
Also ist es nur der Erfolg, der tugendhaft macht?
Orlow
Ein Held jedoch, wenn er ans Ziel gelangt.
Rasumowsky
Ein Held? K?nnt ich dies glauben, Graf Orlow, dann! ja dann! Aber ich kann es nicht glauben. (Feierlich.) Zwei unschuldig Zertretene wehren mir's.
Orlow
Viel Blut liegt auf dem Weg der Helden, Erlaucht.
Rasumowsky
Blut von Kindern?
Orlow
Macht l?scht den Makel aus.
Rasumowsky
(betroffen)
Furchtbares Wort!
Orlow
(erkennt seinen Fehler, einlenkend)
Als ich heranritt, Erlaucht, ich war betrunken von Freude; ich hatte die unheilvollste Meuterei erstickt, Rebellen hatte ich meiner Gebieterin in Anh?nger auf Tod und Leben verwandelt, die Wirklichkeit zerrann mir vor den Augen, ich sah kein Hindernis mehr ... und als es geschehen war, hab ich nicht Bu?e getan vor allem Volk?
Rasumowsky
Doch haben Sie dem Volk eine unheilbare Wunde geschlagen.
Orlow
(mit dem letzten Aufwand seiner glei?nerischen Beredtsamkeit)
Als ich zw?lf Jahre alt war, Erlaucht, trieb mich mein Vater mit der Peitsche vom Hof, weil ich f��r einen Leibeigenen, der die Todesstrafe erleiden sollte, um Gnade gebeten hatte. Ich liebe unser Volk. Ich wei?, wie sie leben, wie sie schmachten, wie sie Unrecht leiden, wie sie stumm sind, wie sie ihre Hoffnung unerm��dlich von Jahr zu Jahr tragen, wie sie in ihrer Not die Herren preisen, die mit den Fr��chten ihrer Arbeit Feste feiern, und wie sie auf den warten, der sie erl?sen wird. Ich wei? es und will ihrer nicht vergessen.
Rasumowsky
Ist mir doch, als ob ich Glocken h?rte aus einem versunkenen Land, Graf Orlow. (Er steht versunken, von Orlow gespannt beobachtet; wie zu sich selbst) Ist es Rausch? oder Wahn? oder blinde Sucht der Jugend? Leidenschaft macht beredt den, der sie hegt, und stumm den, der sie begreift. (Laut) Sie f��hren eine ungew?hnliche Sprache, Graf Orlow, die mich irre werden l??t an meinem Vorsatz.
Orlow
Ich danke Ihnen, Erlaucht.
Rasumowsky
(geht zur Wand, wo er neben dem Kamin auf eine geheime Feder in der T?felung dr��ckt. Ein T��rchen springt auf. Er entnimmt dem Schrein eine goldene Kassette, die er ?ffnet und einige in roten Atlas eingeschlagene vergilbte Papiere herauszieht)
Sieh da, wie viel Staub darauf liegt ... (Er stellt das K?stchen beiseite) Staub ... Staub. Pulver der Vergessenheit. ��berreste von Tr?umen. (Er legt den Atlas in das K?stchen zur��ck und liest das oberste Papier aufmerksam durch.)
Orlow
(der sich am Ziel glaubt)
V?terchen Alexei Grigorjewitsch! (Er sinkt auf die Kniee.)
Rasumowsky
(ergriffen und ganz in die Vergangenheit verloren)
Fr��hling und Sommer meines Lebens! (Er k��?t die Papiere und erhebt, sich bekreuzigend, die Blicke nach oben.)
Orlow
(packt in seiner Erregung mit beiden H?nden die Papiere)
Geben Sie, Alexei Grigorjewitsch --!
Rasumowsky
(erschrocken)
Was f��r ein Ungest��m, Graf Orlow!
Orlow
(fast mit Wildheit, drohend)
Ich kniee vor Ihnen, Alexei Grigorjewitsch!
Rasumowsky
(beugt sich ein wenig vor und starrt in Orlows Gesicht)
Die Augen ... die Augen ...
Orlow
(springt empor)
Wollen Sie mich auf die Folter spannen, Graf Alexei? Ich ertrag's nicht l?nger.
Rasumowsky
(kopfsch��ttelnd)
Ei, es ist eine ganz andere Stimme, die jetzt zu mir spricht.
Orlow
Genug ges?uselt.
Rasumowsky
Also nur Verstellung? Und so schlecht verstellt? So schnell ��berdr��ssig der Verstellung?
Orlow
Wollen Sie mir den K?der nur vorsetzen, um mich zappeln zu lassen?
Rasumowsky
Ach, Sie zeigen zu fr��h Ihr wahres Gesicht, Graf Orlow.
Orlow
Ich habe viele Gesichter, warum soll dies gerade mein wahres sein. Wozu das Get?ndel? Zu Gro?es liegt vor mir. (Er zeigt seine wei?en Z?hne, w?hrend sich die Worte st��rmisch ergie?en.) Von unten heraufgestiegen, wo die Sklaven wohnen, begr��?t mich endlich das Licht, und Welt und Kreatur schreit: Herr! Herr! Gnade! Gnade! Ja, Herr will ich sein und Gnade soll von
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 45
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.