Die ungleichen Schalen | Page 2

Jakob Wasserman
ein Mittel gefunden werden, sie davon abzubringen.
Lassunsky
Du bist Soldat und mu?t schweigen.
Chidrowo
Schweigen kostet Herzblut.
Lassunsky
Ich meinerseits will nicht Politik treiben, da hast du's.
Chidrowo
Aber die Z?hne knirschen? Das ist auch eine Art von Politik und eine schlechte. Wie stumpf du bist!
Lassunsky
Stumpf?
Chidrowo
Oder du wei?t mehr als du sagen willst.
Lassunsky
Wohl m?glich. Vielleicht wirst du heute noch alles erfahren.
Chidrowo
Wie ist's? warum wollte der Gro?kanzler mit Rasumowsky verhandeln?
Lassunsky
Ist dir nicht bekannt, da? Alexei Grigorjewitsch heimlich verm?hlt war mit der verstorbenen Kaiserin Elisabeth Petrowna?
Chidrowo
Dies ist mir wohl bekannt, allein -- wie h?ngt das zusammen?
Lassunsky
(sieht sich um)
Schweig, schweig.
Chidrowo
Im Hause Rasumowskys sind die W?nde taub.
Lassunsky
Nicht um die W?nde handelt sich's. (Steht auf.) Aber er! Er! Dieser furchtlose Mann! Der furchtloseste, der in Ru?land lebt. Wie ich ihn verehre, Fedor Alexandrowitsch! W��?test du wie ich ... In wunderbarer Verschwiegenheit ist er der Geliebte einer Kaiserin gewesen. Niemals hat ihn eine Miene, nie ein L?cheln verraten. Nie hat er Schacher getrieben mit seinem Gl��ck. Nie war er ungerecht. Und jetzt (schmerzlich) jetzt soll er sich ausliefern. Weil ein Orlow mit der Vergangenheit dieses gerechten Mannes seine Zukunft gr��nden will!
Chidrowo
Ausliefern? Ich verstehe dich nicht, Michael Jefimowitsch. Kein Wort verstehe ich von allem was du sagst.
Lassunsky
(kummervoll)
Und er wird Grigorij Orlow empfangen. Er wird ihn einlassen, ich wei? es.
Chidrowo
Du meinst, weil er sich nicht getrauen wird, den ersten G��nstling der Krone von seiner T��re zu weisen?
Lassunsky
Nicht deshalb, Fedor Alexandrowitsch, nicht deshalb. Sondern eben, weil er so gerecht ist. Und wenn Orlow vor ihm steht, dieser Sturmwind, dieser Leopard, kannst du ermessen, was dann geschieht? Mich jammert's, Fedor Alexandrowitsch, und ich f��hle mich machtlos. Die Dinge geschehen, und wir sind machtlos.
Chidrowo
Du schwaches russisches Herz! So will ich dir sagen: Rasumowsky wird Grigorij Orlow nicht empfangen.
Lassunsky
(aufmerksam)
Schon vorhin hast du angedeutet, da? Orlow es nicht wagen w��rde ... Da steckt was dahinter.
Chidrowo
Wei?t du nicht, was sich am Ostertag auf der Morskaja zugetragen hat?
Lassunsky
Kein Sterbenswort.
Chidrowo
Wahrlich, in unserm Leben sind die Geschehnisse wie Tr?ume ... (Fa?t sich an die Stirn.) So kurz die Zeit, so weit entr��ckt. (Besinnt sich.) So war's ...
Lassunsky
Erz?hle, Fedor Alexandrowitsch ... mir ist jetzt selbst als h?tten sie in der Wachtstube davon berichtet. Zuviel dr?ngt sich in einen Tag.
Chidrowo
So war's ... (Mit Gesten, als ob er auf einen Plan wiese.) Da ist die Morskaja. Da ist die Gasse von den Kasernen. Da ist eine enge Gasse zum Newski-Prospekt. Orlow hatte die Regimenter Astrachan und Ingermanland zum Gehorsam gezwungen. Mit seinen zwanzig oder drei?ig Getreuesten st��rmt er zum Winterpalast, um es der Kaiserin zu melden. Rast auf seinem Gaul an der Spitze der Schar mitten durch die Stadt. Die Funken spritzen, das Pflaster dr?hnt. So gelangen sie auf die Morskaja. Da spielen zwei Kinder auf der Stra?e, sch?ne, blonde Kinderchen, ein M?dchen und ein Knabe, sitzen friedlich da und spielen. Denken offenbar, die Reiter werden ausweichen, denn die Stra?e ist ja breit, und so staunen sie dem Schauspiel entgegen und freuen sich. Orlow aber sprengt mittenwegs auf sie zu, als k?nnt er nicht, wollt er nicht aus der Bahn, zu sp?t rufen Leute aus den Fenstern, strecken die Arme, zu sp?t erkennen die Kleinen die Gefahr und starren, g��tige Unschuld, wie wenn ihr Schutzpatron sie geblendet h?tte. Orlow fletscht die Z?hne, spornt noch das Ro?, starrt gerade vor sich hin, als s?he er nichts, Weiber kreischen, M?nner st��rzen aus den H?usern ... alles umsonst, die beiden M?uschen sind unter den Hufen verschwunden, eh' man's denkt, zerrissen, zertreten, und man schaut nur noch blutige Klumpen.
Lassunsky
O Menschheit!
Chidrowo
Im selben Augenblick kommt Alexei Rasumowsky aus der engen Gasse, wohin die Reiter wollen, und vor der sie sich stauen wie Wasser vor einem Wehr. Rasumowsky blickt hin ��ber die Luft, blickt hin auf die blutige Erde und ruft: Graf Orlow! Orlow rei?t den Z��gel und h?lt. Die hinter ihm sind, vom tollen Ritt noch, mit ihren G?ulen dicht an ihn gedr?ngt. Ganz stille wird's auf einmal. Graf Orlow! ruft Alexei Grigorjewitsch und hebt den Arm, die gemordeten Seelchen werden sich um deine F��?e klammern, wenn du vor Gottes Thron gehst. Mit nichten wirst du schreiten k?nnen, mit nichten.
Lassunsky
Und Orlow? hat er geantwortet?
Chidrowo
Nun geschah das Sonderbare. Orlow zieht den Dolch, beugt sich vor, schlie?t wie im Krampf die Augen und st??t seinem Pferd von oben her den Stahl mitten in die Brust. W?hrend das Tier zusammenbricht, springt er ab, geht an Rasumowsky vor��ber, gr��?t ihn schweigend und setzt schweigend und bleich seinen Weg zu Fu? fort.
Lassunsky
R?tselhaft.
Chidrowo
So hat mir's der Hauptmann Woropanow erz?hlt, der an Orlows Seite ritt.
Lassunsky
Was war der Zweck solcher Tat?
Chidrowo
Sicherlich tr?gt er gl��henden Ha? gegen Alexei Grigorjewitsch.
Lassunsky
Das d��nkt mich unwahrscheinlich.
Chidrowo
Wie ... unwahrscheinlich --?
Lassunsky
Es sieht wie Demut und Bu?e aus, was er getan.
Chidrowo
Hohn ist's, sag ich dir, Hohn und Bosheit. Seine Blutgier wollte noch ein Opfer haben.
Lassunsky
Warum sollt es nicht Scham und Reue gewesen sein?
Chidrowo
Willst du Orlow verteidigen? Sch?nf?rben den w��sten Mord?
Lassunsky
Fast k?nnt ich Mitleid haben mit ihm.
Chidrowo
So seid ihr alle,
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