Die schönsten Geschichten der Lagerlöf | Page 2

Selma Lagerlöf
heraus. Ihre Gestalten sind Vollwesen, nicht Hirngespinste, Vollwesen, geschaffen von subtilster Psychologie, geschaffen von h?herer Psychologie, als sie die gr??te Hirnarbeit jemals zutage zu f?rdern vermag. Sie glaubt dem Wunder, weil das Wunder in ihr ist! Ihr Ich ist legend?re Anschauung der Seele! Ihre Psychologie ist nicht schürfend, sie ist da mit der Selbstverst?ndlichkeit der Sch?pfung. Untrennbar sind ihr Erfindung und Tatsache verwoben. ?Ich mu? sterben? wird zum ?Ich darf sterben?, der Tauf- oder Hochzeitszug trifft den Leichenzug, der wieder Tauf- und ewiger Hochzeitszug ist. Die Menschen sehen mit den ?Augen der Seele?, durch sie, da? das ?Glück der Einbildung? ihr Bestes ist, da? es nichts Sch?neres gibt als das Leben, das nicht schwer und traurig, sondern: ?wundersch?n? ist, lebt und versteht man es richtig! Alles H??liche wird ihr zum verg?nglichen Entwicklungsstück, alles Bittere ist überwindbar. Alle ?Gro?en? sind Kinder, und alle Kinder sind ?gro??. Sie zwingt die Sehnsüchte, mitzudichten, und sie folgen ihr freudig, weil sie überirdische Erfüllung durch sie finden. Zeitlos ist die Dichtung der Lagerl?f, sie wandelt die Wege der Ewigkeit. Alles Grenzende, Einengende f?llt. Immer leidet das Hohe, immer leidet die Liebe, immer leiden Mann und Weib und Eltern und Kinder, arm und reich, doch es ist nur scheinbar; kaum steht die Lagerl?f neben ihnen, so sinkt das Niedere, gleich ?kriegen? sie sich, gleich ist Hilfe, sind Verzeihen und Begreifen jedes Wollens da, gleich verschenkt der Reiche sein Gut, um wahrhaft reich zu sein, gleich singt der Arme, weil er schon lange wahrhaft reich ist. Mann und Weib sind der Lagerl?f immer dieselben! ?Sie? ist die reine Magd, blond, keusch, stolz, hochgewachsen, hell?ugig, zu jeder Erl?serarbeit bereit, mag sie erst auch noch so hohl, selbstisch und kokett gewesen sein, nie ruft das Schicksal sie vergeblich zur Ordnung! Der Lagerl?f Frauengestalten sind mit der vollen Reinheit, mit der verschwiegensten Sehnsucht, der unberührten, ewigen Jungfr?ulichkeit gebildet! ?Er? ist wild, trotzig, verwegen, untreu aus gierig suchender Treue, aufbegehrend in der Tollpatschigkeit seines Geschlechtes gegen die letzten Fragen, die er durch die Frau, die ihn erl?st, erkennt. ?Er? ist ein Weihnachtsmann, wie die liebenswerten Kavaliere in ?G?sta Berling? wie G?sta Berling selbst, hoch, traurig und verliebt, kindlich, sch?n, ritterlich, und immer hat er ?Locken? über der ?bleichen? Stirn. Er ist immer ein Stück Jesus Christus in Verkleidung; ?sie? ist immer ein Stück Gottesmutter! Der Lagerl?f Religion ist die Religion aller Religionen; sie predigt unentwegt, ohne Predigt, des Dichtens Axiom: kein Mensch ist ganz verdorben! Sie ist die Toleranz selbst, die auch die wütendsten Gegner vers?hnt. Kirchengl?ubigen und Sozialist! Die Lagerl?f kann nicht verstehen, warum zwischen diesen, überhaupt zwischen den Gegenpolen, zugegeben, da? sie bestehen, Feindschaft sein soll. Sie sind doch beide n?tig; sie sind doch beide nur Handwerker des Ewigen? Sie hei?en einmal Christ und Antichrist, vielleicht ist einmal der eine ein bi?chen mehr wei? und der andere ein bi?chen mehr schwarz. Du lieber Gott! sie wollen aber doch, blo? auf verschiedene Weise, das gleiche: das Glück, die Ruhe des Herzens! Der Lagerl?f ist's kein Unterschied, ob die heidnischen Bilder, ob die Heiligenbilder ins Leben herauf- oder hinuntersteigen; sie wirken Gutes. Musik erklingt, das Chaos legt sich, alle, die bangten, weinten, schluchzten und sich in Schmerzen wanden, beginnen zu l?cheln! Die Welt wird immer am Ende sch?n, heldenhaft, edel, und was das Sch?nste und Edelste daran ist (ich verwende absichtlich die abgebrauchten ?unphilosophischen? Worte, die der Lagerl?f Echtheit so v?llig der Phrase entkleidet!): die Skeptischen werden besiegt, sie erkennen: wir sind so, wenn auch leider nur für Augenblicke der Erhebung, wie uns die Lagerl?f sieht oder selbstherrlich-demütig sehen will. Was in den geheimsten Ecken des Ichs nistet, mag man's nun Sentimentalit?t, Familienblattgier, Kindischkeit, Leiermannrührung, Kinoseligkeit, Kolportagegift oder wie immer nennen, das alles und noch viel mehr regiert diese Frau souver?n, v?llig unbekümmert um die Entsetzensschreie ?ngstlicher, Bedenkenüberfüllter, zum Sieg. Die gro?e Kunst der Lagerl?f, die Inbrunst ihrer dichterischen überredung, vermag alle geheimen und wilden Sch??linge des Seelenbesitzes zu einer Blüte von berauschender Fülle und Seltenheit zu treiben und zu binden. Dieser Zusammenraffung alles Vorhandenen im Stofflichen entspricht die Verwendung aller Darstellungsmittel. Die Technik der Lagerl?f ist, wie der Inhalt des Gegebenen, nie Selbstzweck; beides ist Handwerkszeug, um immer wieder den Gralsschein der Seele leuchten zu lassen. Die Lagerl?f ist dramatisch und episch, modern, historisch und unmodern; sie beherrscht den Dialog gleich wie die Schilderung, sie geht, wenn's ihr pa?t, Schrittlein für Schrittlein, sie überspringt, wenn's ihr n?tig erscheint, jeden Abgrund, sie pinselt und strichelt hin und her, sie legt mit einem oder zwei S?tzen jeden Charakter, mag er noch so kompliziert sein, hin. Sie findet manchmal schwer den Schritt, sie spitzt mit geistvoller Sch?rfe die menschliche ?Tendenz? in einen Satz. Ihr ist nichts unm?glich, weil der erl?senden Liebe alles m?glich ist! Sie hat zu viel geschrieben und doch viel zu wenig, sie malt fast immer die Sch?nheiten ihrer schwedischen Heimat,
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