Die natuerliche Tochter | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
Toten Schicksal vor dem Tode teilen.
Sekret?r. Du führst sie hin und kehrest gleich zurück.
Hofmeisterin. Soll sie im Kloster ihre Tage schlie?en?
Sekret?r. Im Kloster nicht; wir m?gen solch ein Pfand Der Geistlichkeit nicht anvertrauen, die Es leicht als Werkzeug gegen uns gebrauchte.
Hofmeisterin. So soll sie nach den Inseln? Sprich es aus.
Sekret?r. Du wirst's vernehmen! Jetzt beruh'ge dich.
Hofmeisterin. Wie kann ich ruhen bei Gefahr und Not, Die meinen Liebling, die mich selbst bedr?ut?
Sekret?r. Dein Liebling kann auch drüben glücklich sein, Und dich erwarten hier Genuss und Wonne.
Hofmeisterin. O schmeichelt euch mit solcher Hoffnung nicht. Was hilft's, in mich zu stürmen? Zum Verbrechen Mich anzulocken, mich zu dr?ngen? Sie, Das hohe Kind, wird euren Plan vereiteln. Gedenkt nur nicht, sie als geduld'ges Opfer Gefahrlos wegzuschleppen. Dieser Geist, Der mutvoll sie beseelt, ererbte Kraft Begleiten sie, wohin sie geht, zerrei?en Das falsche Netz, womit ihr sie umgabt.
Sekret?r. Sie festzuhalten, das gelinge dir! Willst du mich überreden, dass ein Kind, Bisher im sanften Arm des Glücks gewiegt, Im unverhofften Fall Besonnenheit Und Kraft, Geschick und Klugheit zeigen werde? Gebildet ist ihr Geist, doch nicht zur Tat, Und wenn sie richtig fühlt und weise spricht, So fehlt noch viel, dass sie gemessen handle. Des Unerfahrnen hoher, freier Mut Verliert sich leicht in Feigheit und Verzweiflung, Wenn sich die Not ihm gegenüberstellt. Was wir gesonnen, führe du es aus! Klein wird das übel werden, gro? das Glück.
Hofmeisterin. So gebt mir Zeit, zu prüfen und zu w?hlen!
Sekret?r. Der Augenblick des Handelns dr?ngt uns schon. Der Herzog scheint gewiss, dass ihm der K?nig Am n?chsten Fest die hohe Gunst gew?hren Und seine Tochter anerkennen wolle; Denn Kleider und Juwelen stehn bereit, Im pr?cht'gen Kasten s?mtlich eingeschlossen, Wozu er selbst die Schlüssel wohl verwahrt Und ein Geheimnis zu verwahren glaubt; Wir aber wissen's wohl und sind gerüstet; Geschehen muss nun schnell das überlegte. Heut Abend h?rst du mehr. Nun lebe wohl!
Hofmeisterin. Auf düstern Wegen wirkt ihr tückisch fort Und w?hnet, euren Vorteil klar zu sehen. Habt ihr denn jeder Ahnung euch verschlossen, Dass über Schuld und Unschuld, Licht verbreitend, Ein rettend, r?chend Wesen g?ttlich schwebt?
Sekret?r. Wer wagt, ein Herrschendes zu leugnen, das Sich vorbeh?lt, den Ausgang unsrer Taten Nach seinem einz'gen Willen zu bestimmen? Doch wer hat sich zu seinem hohen Rat Gesellen dürfen? Wer Gesetz und Regel, Wonach es ordnend spricht, erkennen m?gen? Verstand empfingen wir, uns mündig selbst Im ird'schen Element zurecht zu finden, Und was uns nützt, ist unser h?chstes Recht.
Hofmeisterin. Und so verleugnet ihr das G?ttlichste, Wenn euch des Herzens Winke nichts bedeuten. Mich ruft es auf, die schreckliche Gefahr Vom holden Z?gling kr?ftig abzuwenden, Mich gegen dich und gegen Macht und List Beherzt zu waffnen. Kein Versprechen soll, Kein Drohn mich von der Stelle dr?ngen. Hier, Zu ihrem Heil gewidmet, steh' ich fest.
Sekret?r. O meine Gute! Dies ihr Heil vermagst Du ganz allein zu schaffen, die Gefahr Von ihr zu wenden, magst du ganz allein, Und zwar, indem du uns gehorchst. Ergreife Sie schnell, die holde Tochter, führe sie, So weit du kannst, hinweg, verbirg sie fern Von aller Menschen Anblick, denn--du schauderst, Du fühlst, was ich zu sagen habe. Sei's, Weil du mich dr?ngest, endlich auch gesagt: Sie zu entfernen ist das Mildeste. Willst du zu diesem Plan nicht t?tig wirken, Denkst du, dich ihm geheim zu widersetzen, Und wagtest du, was ich dir anvertraut, Aus guter Ansicht irgend zu verraten, So liegt sie tot in deinen Armen! Was Ich selbst beweinen werde, muss geschehn.

Zweiter Auftritt Hofmeisterin.
Die kühne Drohung überrascht mich nicht! Schon lange seh' ich dieses Feuer glimmen, Nun schl?gt es blad in lichte Flammen aus. Um dich zu retten, muss ich, liebes Kind, Dich deinem holden Morgentraum entrei?en. Nur eine Hoffnung lindert meinen Schmerz; Allein sie schwindet, wie ich sie ergreife. Eugenie! Wenn du entsagen k?nntest Dem hohen Glück, das unermesslich scheint, An dessen Schwelle dir Gefahr und Tod, Verbannung als ein Milderes begegnet. O dürft' ich dich erleuchten! Dürft' ich dir Verborgne Winkel ?ffnen, wo die Schar Verschworener Verfolger tückisch lauscht! Ach schweigen soll ich! Leise kann ich nur Dich ahnungsvoll ermahnen; wirst du wohl Im Taumel deiner Freude mich verstehen?

Dritter Auftritt Eugenie. Hofmeisterin.
Eugenie. Sei mir gegrü?t! Du Freundin meines Herzens, An Mutter Statt Geliebte, sei gegrü?t!
Hofmeisterin. Mit Wonne drück' ich dich an dieses Herz, Geliebtes Kind, und freue mich der Freude, Die reich aus Lebensfülle dir entquillt. Wie heiter gl?nzt dein Auge! Welch Entzücken Umschwebet Mund und Wange! Welches Glück Dr?ngt aus bewegtem Busen sich hervor!
Eugenie. Ein gro?es Unheil hatte mich ergriffen, Vom Felsen stürzte Ross und Reiterin.
Hofmeistern. O Gott!
Eugenie. Sei ruhig! Siehst du doch mich wieder, Gesund und hoch beglückt, nach diesem Fall.
Hofmeisterin. Und wie?
Eugenie. Du sollst es h?ren, wie so sch?n Aus diesem übel sich das Glück entwickelt.
Hofmeisterin. Ach! Aus dem Glück entwickelt oft sich Schmerz.
Eugenie. Sprich b?ser Vorbedeutung Wort nicht aus! Und schrecke mich der Sorge nicht
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