Die natuerliche Tochter | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe
allgemeines Gut. Wobei Noch manche Rente gar bequem verg?nnt, Durch Sparsamkeit ein sichres Glück zu steigern.
Hofmeisterin. In trübe Wolken hüllt sich jenes Bild, So heiter du es malst, vor meinen Augen. Nicht wünschenswert, abscheulich naht sich mir Der Gott der Welt im überfluss heran. Was für ein Opfer fordert er? Das Glück Des holden Z?glings müsst' ich morden helfen! Und was ein solch Verbrechen mir erwarb, Ich sollt' es je mit freier Brust genie?en? Eugenie! Du, deren holdes Wesen In meiner N?he sich von Jugend auf Aus reicher Fülle rein entwickeln sollte, Kann ich noch unterscheiden, was an dir Dein eigen ist, und was du mir verdankst? Dich, die ich als mein selbst gebildet Werk Im Herzen trage, sollt' ich nun zerst?ren? Von welchem Stoffe seid ihr denn geformt, Ihr Grausamen, dass eine solche Tat Ihr fordern dürft und zu belohnen glaubt?
Sekret?r. Gar manchen Schatz bewahrt von Jugend auf Ein edles, gutes Herz und bildet ihn Nur immer sch?ner, liebenswürd'ger aus Zur holden Gottheit des geheimen Tempels; Doch wenn das M?chtige, das uns regiert, Ein gro?es Opfer heischt, wir bringen's doch Mit blutendem Gefühl der Not zuletzt. Zwei Welten sind es, meine Liebe, die, Gewaltsam sich bek?mpfend, uns bedr?ngen,
Hofmeisterin. In v?llig fremder Welt für mein Gefühl Scheinst du zu wandeln, da du deinem Herrn, Dem edlen Herzog, solche Jammertage Verr?terisch bereitest, zur Partei Des Sohns dich fügest--Wenn das Waltende Verbrechen zu begünst'gen scheinen mag, So nennen wir es Zufall; doch der Mensch, Der ganz besonnen solche Tat erw?hlt, Er ist ein R?tsel.--Doch--und bin ich nicht Mir auch ein R?tsel, dass ich noch an dir Mit solcher Neigung h?nge, da du mich Zum j?hen Abgrund hinzurei?en strebst? Warum o! Schuf dich die Natur von au?en Gef?llig, liebenswert, unwiderstehlich, Wenn sie ein kaltes Herz in deinen Busen, Ein Glück zerst?rendes, zu pflanzen dachte?
Sekret?r. An meiner Neigung W?rme zweifelst du?
Hofmeisterin. Ich würde mich vernichten, wenn ich's k?nnte. Doch ach! Warum, und mit verhasstem Plan, Aufs Neue mich bestürmen? Schwurst du nicht, In ew'ge Nacht das Schrecknis zu begraben?
Sekret?r. Ach leider dr?ngt sich's m?chtiger hervor. Den jungen Fürsten zwingt man zum Entschluss. Erst blieb Eugenie so manches Jahr Ein unbedeutend unbekanntes Kind. Du hast sie selbst von ihren ersten Tagen In diesen alten S?len auferzogen, Von wenigen besucht und heimlich nur. Doch wie verheimlichte sich Vaterliebe! Der Herzog, stolz auf seiner Tochter Wert, L?sst nach und nach sie ?ffentlich erscheinen; Sie zeigt sich reitend, fahrend. Jeder fragt Und jeder wei? zuletzt, woher sie sei. Nun ist die Mutter tot. Der stolzen Frau War dieses Kind ein Gr?uel, das ihr nur Der Neigung Schw?che vorzuwerfen schien. Nie hat sie's anerkannt und kaum gesehn. Durch ihren Tod fühlt sich der Herzog frei, Entwirft geheime Pl?ne, n?hert sich Dem Hofe wieder und entsagt zuletzt Dem alten Groll, vers?hnt sich mit dem K?nig Und macht sich's zur Bedingung, dieses Kind Als Fürstin seines Stamms erkl?rt zu sehn.
Hofmeisterin. Und g?nnt ihr dieser k?stlichen Natur Vom Fürstenblute nicht das Glück des Rechts?
Sekret?r. Geliebte, Teure! Sprichst du doch so leicht, Durch diese Mauern von der Welt geschieden, In kl?sterlichem sinne von dem Wert Der Erdengüter. Blicke nur hinaus! Dort w?gt man besser solchen edlen Schatz. Der Vater neidet ihn dem Sohn, der Sohn Berechnet seines Vaters Jahre, Brüder Entzweit ein ungewisses Recht auf Tod Und Leben. Selbst der Geistliche vergisst, Wohin er streben soll, und strebt nach Gold. Verd?chte man's dem Prinzen, der sich stets Als einz'gen Sohn gefühlt, wenn er sich nun Die Schwester nicht gefallen lassen will, Die, eingedrungen, ihm das Erbteil schm?lert? Man stelle sich an seinen Platz und richte.
Hofmeisterin. Und ist er nicht schon jetzt ein reicher Fürst? Und wird er's nicht durch seines Vaters Tod Zum überma?? Wie w?r' ein Teil der Güter So k?stlich angelegt, wenn er dafür Die holde Schwester zu gewinnen wüsste!
Sekret?r. Willkürlich handeln ist des Reichen Glück! Er widerspricht der Fordrung der Natur, Der Stimme des Gesetzes, der Vernunft, Und spendet an den Zufall seine Gaben. Genug besitzen hie?e darben. Alles Bedürfte man! Unendlicher Verschwendung Sind ungemessne Güter wünschenswert. Hier denke nicht zu raten, nicht zu mildern; Kannst du mit uns nicht wirken, gib uns auf!
Hofmeisterin. Und was denn wirken? Lange droht ihr schon Von fern dem Glück des liebenswürd'gen Kindes. Was habt ihr denn in eurem furchtbarn Rat Beschlossen über sie? Verlangt ihr etwa, Dass ich mich blind zu eurer Tat geselle?
Sekret?r. Mitnichten! H?ren kannst und sollst du gleich, Was zu beginnen, was von dir zu fordern Wir selbst gen?tigt sind. Eugenien Sollst du entführen! Sie muss dergestalt Auf einmal aus der Welt verschwinden, dass Wir sie getrost als tot beweinen k?nnen; Verborgen muss ihr künftiges Geschick, Wie das Geschick der Toten, ewig bleiben.
Hofmeisterin. Lebendig weiht ihr sie dem Grabe, mich Bestimmt ihr tückisch zur Begleiterin. Mich sto?t ihr mit hinab. Ich soll mit ihr, Mit der Verratnen die Verr?terin, Der
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