nach Bormio, dann weiter durchs Veltlin ... dann nach Tirano ... nach Edole ... nach Breno ... an den See von Iseo wie voriges Jahr ... Das wird durchaus nicht verd?chtig sein, denn schon vorgestern hat er selbst zum Wirt gesagt: ?In ein paar Tagen gehen wir hinunter.?
Immer lichter wird es, das ganze Zimmer liegt in grauem D?mmer da. Ah, wenn Geronimo nur bald aufwachte! Es wandert sich so gut in der Frühe! Noch vor Sonnenaufgang werden sie fortgehen. Einen guten Morgen dem Wirt, dem Knecht und Maria auch, und dann fort, fort ... Und erst wenn sie zwei Stunden weit sind, schon nahe dem Tale, wird er es Geronimo sagen.
Geronimo reckt und dehnt sich. Carlo ruft ihn an: ?Geronimo!?
?Nun, was gibt's?? Und er stützt sich mit beiden H?nden und setzt sich auf.
?Geronimo, wir wollen aufstehen.?
?Warum?? Und er richtet die toten Augen auf den Bruder. Carlo wei?, da? Geronimo sich jetzt des gestrigen Vorfalles besinnt, aber er wei? auch, da? der keine Silbe darüber reden wird, ehe er wieder betrunken ist.
?Es ist kalt, Geronimo, wir wollen fort. Es wird heuer nicht mehr besser; ich denke, wir gehen. Zu Mittag k?nnen wir in Boladore sein.?
Geronimo erhob sich. Die Ger?usche des erwachenden Hauses wurden vernehmbar. Unten im Hof sprach der Wirt mit dem Knecht. Carlo stand auf und begab sich hinunter. Er war immer früh wach und ging oft schon in der D?mmerung auf die Stra?e hinaus. Er trat zum Wirt hin und sagte: ?Wir wollen Abschied nehmen.?
?Ah, geht ihr schon heut?? fragte der Wirt.
?Ja. Es friert schon zu arg, wenn man jetzt im Hof steht, und der Wind zieht durch.?
?Nun, grü? mir den Baldetti, wenn du nach Bormio hinunterkommst, und er soll nicht vergessen, mir das ?l zu schicken.?
?Ja, ich will ihn grü?en. Im übrigen -- das Nachtlager von heut.? Er griff in den Sack.
?La? sein, Carlo,? sagte der Wirt. ?Die zwanzig Zentesimi schenk ich deinem Bruder; ich hab ihm ja auch zugeh?rt. Guten Morgen.?
?Dank,? sagte Carlo. ?Im übrigen, so eilig haben wir's nicht. Wir sehen dich noch, wenn du von den Hütten zurückkommst; Bormio bleibt am selben Fleck stehen, nicht wahr?? Er lachte und ging die Holzstufen hinauf.
Geronimo stand mitten im Zimmer und sagte: ?Nun, ich bin bereit zu gehen.?
?Gleich,? sagte Carlo.
Aus einer alten Kommode, die in einem Winkel des Raumes stand, nahm er ihre wenigen Habseligkeiten und packte sie in ein Bündel. Dann sagte er: ?Ein sch?ner Tag, aber sehr kalt.?
?Ich wei?,? sagte Geronimo. Beide verlie?en die Kammer.
?Geh leise,? sagte Carlo, ?hier schlafen die zwei, die gestern abend gekommen sind.? Behutsam schritten sie hinunter. ?Der Wirt l??t dich grü?en,? sagte Carlo; ?er hat uns die zwanzig Zentesimi für heut nacht geschenkt. Nun ist er bei den Hütten drau?en und kommt erst in zwei Stunden wieder. Wir werden ihn ja im n?chsten Jahre wiedersehen.?
Geronimo antwortete nicht. Sie traten auf die Landstra?e, die im D?mmerschein vor ihnen lag. Carlo ergriff den linken Arm seines Bruders, und beide schritten schweigend talabw?rts. Schon nach kurzer Wanderung waren sie an der Stelle, wo die Stra?e in langgezogenen Kehren weiterzulaufen beginnt. Nebel stiegen nach aufw?rts, ihnen entgegen, und über ihnen die H?hen schienen von den Wolken wie eingeschlungen. Und Carlo dachte: Nun will ich's ihm sagen.
Carlo sprach aber kein Wort, sondern nahm das Goldstück aus der Tasche und reichte es dem Bruder; dieser nahm es zwischen die Finger der rechten Hand, dann führte er es an die Wange und an die Stirn, endlich nickte er. ?Ich hab's ja gewu?t,? sagte er.
?Nun ja,? erwiderte Carlo und sah Geronimo befremdet an.
?Auch wenn der Fremde mir nichts gesagt h?tte, ich h?tte es doch gewu?t.?
?Nun ja,? sagte Carlo ratlos. ?Aber du verstehst doch, warum ich da oben vor den anderen -- ich habe gefürchtet, da? du das Ganze auf einmal -- -- Und sieh, Geronimo, es w?re doch an der Zeit, hab ich mir gedacht, da? du dir einen neuen Rock kaufst und ein Hemd und Schuhe auch, glaube ich; darum habe ich ...?
Der Blinde schüttelte heftig den Kopf. ?Wozu?? Und er strich mit der einen Hand über seinen Rock. ?Gut genug, warm genug; jetzt kommen wir nach dem Süden.?
Carlo begriff nicht, da? Geronimo sich gar nicht zu freuen schien, da? er sich nicht entschuldigte. Und er redete weiter: ?Geronimo, war es denn nicht recht von mir? Warum freust du dich denn nicht? Nun haben wir es doch, nicht wahr? Nun haben wir es ganz. Wenn ich dir's oben gesagt h?tte, wer wei? ... Oh, es ist gut, da? ich dir's nicht gesagt habe -- gewi?!?
Da schrie Geronimo: ?H?r auf zu lügen, Carlo, ich habe genug davon!?
Carlo blieb stehen und lie? den Arm des Bruders los. ?Ich lüge nicht.?
?Ich wei? doch, da? du lügst!... Immer lügst du!... Schon hundertmal hast du gelogen!... Auch das hast du für dich behalten wollen, aber Angst hast du bekommen, das ist es!?
Carlo senkte
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