Die gefesselte Phantasie | Page 5

Ferdinand Raimund
mich. (Geht gestützt auf Arrogantia ab.)

8. Szene
hermione allein
hermione. O ihr G?tter! Wodurch verdient’ ich euren Fluch? Erniedrigt--und vor wem? Vor meinem eigenen Geschlecht. Wenn’s noch ein m?cht’ger Zauberer w?r’--doch da? es Weiber sind, die mich besiegt, das kr?nkt mich gar so tief! Und wenn ich, gleich dem Argus, hundert Augen h?tte, so würde jedes sich mit Tr?nen füllen über diese Schmach. O Amphio, k?nntest du den Schmerz mir tragen helfen! Doch halt! Hat das Orakel nicht bestimmt: da?, wenn ich einen Gatten w?hle, die Macht der Zauberbrut vernichtet ist? Doch, darf ich meinem Volke sagen, da? ich einen Hirten liebe? Und kann ich einen andern w?hlen? Ich vermag es nicht. Es sind nicht Amors Rosenketten, die mich an ihn binden, eherne Bande sind es, die mein Herz an seines schmieden. Doch wie--hat Minerva mich berührt?--So gelingt es --so mu? er siegen!--So wird er mein, ich kann auf seinen Geist vertrauen. (Der Narr sieht zur Kulisse herein.) Was suchst du, Narr?

9. Szene
narr. Dann distichon. affriduro. odi. volk. vorige
narr. Ich mu? rekognoszieren. Sie trauen sich nicht herein. Nur herein, ihr florianischen Helden, der Feind ist fort, ihr habt gesiegt.
alles (kommt gelaufen und stürzt zu Hermionens Fü?en). Heil, Hermione, ewige Treue geloben wir dir!
distichon. Nur einen Augenblick hat uns die Furcht besiegt; sie ist vorbei, jetzt bau’ auf unsre Kraft.
hermione. Ich bau’ auf sie, wie auf die Reize dieser Flur.
alles (blickt hin). Ha, was ist das?
hermione. Ein blühend’ Bild von eurem Mut; er ist so treu, wie dieser Sumpf, wer auf ihn baut, sinkt ein. Darum will ich nicht l?nger ihm mein Wohl vertrauen, ich befolge des Orakels Wunsch. Noch heute abend soll mein Land gerettet sein, ich will noch heute mich verm?hlen, damit die morgige Sonne der Zauberinnen Ohnmacht schon bescheint. Affriduro, eile hin und schmück’ den Tempel des Apoll’; in einer Stunde seid ihr dort versammelt und h?ret meinen Eid: "Dem reich’ ich heut’ noch meine Hand, der, bis die siebente Stunde t?nt, mir ein Gedicht ersinnt, das an Wert hoch über allen andern steht." Es gelte gleich, welch’ Land ihn auch gezeugt, ob ihn ein Lorbeer schmückt, ob er den Hirtenstab erw?hlt. So fordre ich in die Schranken eure Poesie; weil ihr nicht k?mpfen k?nnt um mich durch eurer Sehnen Kraft, so k?mpft um mich mit kr?ftigen Gedanken. Die Phantasie trag’ euch die Fahne vor, Vernunft steckt auf den Helm, der Witz sei euer Pfeil, die Verse stellt in dichte Reihen, statt der Trompete la?t den Reim erklingen; so rücket vor und k?mpfet um den Preis: Drei Kronen bietet er zugleich, Mein Herz, den Lorbeer und dies Reich. (Ab.)
affriduro (mit den G?tzendienern zur entgegengesetzten Seite ab).

10. Szene
vorige ohne Hermione und Affriduro
mehrere. Ha, jetzt gilt’s!
distichon (mit Emphase, schnell). Dichtergeister! H?rt den Meister, Spornt den Gaul, Seid nicht faul; Zieht vom Leder Eure Feder, Schreibt drauf los, Der Preis ist gro?. Fortunens Blick Verkündet Glück!
narr. Auweh, zwick’, Jetzt wird ’s mir z’ dick! Reim’ dich oder ich fri? dich. Ha, ha, ha!
distichon. Was lachst du, Schafskopf, Kalb, dem Mond entsprungen?
narr. Pfui der Schande! Durch ein Gedicht mü?t ihr die Hand der Herrscherin erk?mpfen, weil ihr so furchtsam seid, da? ihr beim Anblick einer Spinne lauft. O ihr Heroen der Vorzeit! Nehmt euch doch ein Beispiel an dem Theseus von Canova, der h?lt den Minotaurus schon zehn Jahr’ beim Schopf und la?t ihn noch nicht aus. Das ist ein Held! Und ihr Wichte Schreibt Gedichte Voll Gewinsel! O ihr Pinsel Dieser Insel! Apoll’, du Zechmeister aller Dichter, schlag ihnen deine Leier um den Kopf, ihre V?ter schamen sich im Grab!
distichon. Mein Vater war ein Held.
narr. Der meine auch, er war Hanswurst und hat den Harlekin geprügelt.
odi. Wir sind es auch.
narr (ruft erschrocken). Die Zauberschwestern!
alles (will erschrocken davonlaufen). Hilfe!
narr. Ha, ha! Probatum est. O ihr Schmucknadeln, zum Zittern seid ihr auf die Welt gekommen. Einen Esel la?t euch bauen, so gro?, wie das Trojan’sche Pferd, und schlieft’s mit eurer Tapferkeit hinein.
distichon. Nein, das wird zu arg! Auf, ihr Brüder Hoher Lieder, Schlagt ihn nieder!
(Alle prügeln auf ihn.)
narr (indem er f?llt). Jetzt schreiben s’ ein Vers auf meinen Buckel.
odi. Triumph, das Ungeheuer ist besiegt!
distichon. Ich hab’ ihn auf das Haupt geschlagen!
odi (schadenfroh). Ich gab ihm in die Rippen ein’s.
distichon. Wir lassen uns in Kupfer stechen.
alle. Es lebe Distichon, der tapf’re Held!
(Alles ab.)

11. Szene
narr allein, seinen Rücken reibend
narr. Das Schlachtfeld ist leer. Ah, das nenn’ ich ein Treffen! Jeder hat getroffen, keiner hat g’fehlt. Aber dem Verdienste seine Kr?nze, einer ist dabei, der kann’s; wann das ein Dichter ist, der hat eine shakespearische Kraft! (überdenkend.) O Schicksal eines Narren! Geboren auf ?sterreichs fetten Triften, studiert bis an den Hals, dann Kammerdiener eines span’schen Lords, vom Schiffbruch ausgespuckt an diesen Strand der Feigheit und der Ochserie. Aus Gnaden haben sie mich zum Hofnarren aufgenommen, mich, der ich mehr Witz in meinem Daumen hab’ als alle K?pfe dieses
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