b?sen Gewalt meiner Sch?nheit entgegen. Er sah mich manchmal in mehreren Jahren nicht, ja, er durfte mir selbst nicht mehr schreiben; nur die Not hatte ihn bei dem letzten Vorfalle zu mir getrieben, und so konnte ich ihm meinen Anblick doch nicht versagen. Mein Mann kannte ihn nicht, und ich hatte ihn allein geheiratet, um die Leidenschaft meines Bruders entschieden zu brechen. Ach, er hat sie selbst gebrochen mit seinem Leben! Mein Mann, von seiner Eifersucht beunruhigt, hatte sein Laboratorium früh verlassen; die Magd sagte ihm, da? ich nach dem Badehause sei; es fuhr ihm der Gedanke an Verrat durch die Seele, er steckte eine doppelte Pistole zu sich und suchte mich in dem Badehause auf. Er fand mich nicht, aber h?rte die Aussage der Bademeisterin, sie habe mich zum nahgelegenen Tore hinausgehen sehen. Da erinnerte er sich des Fremden, der gestern mit ihm in dem W?ldchen geredet und ihn auch nach seiner Frau gefragt hatte; er erinnerte sich, da? derselbe Johanniswürmer gefangen, sein Verdacht erhielt Gewi?heit; er eilte nach dem W?ldchen, nahte der Kapelle, h?rte das Ende unsrer Unterredung: tertia mors est--er beging die schreckliche Tat."
"O, der unglückliche, arme Mann!" rief der Bürgermeister aus; "aber wo ist er, was macht er, was führt Sie hieher, konnten Sie ihm verzeihen, werden wir ihn hier wiedersehen?"
"Wir werden ihn nicht wiedersehen, ich habe ihm verziehen, Gott hat ihm verziehen!" versetzte die Fremde; "aber Blut will Blut, er konnte sich nicht selbst verzeihen! Acht Jahre lebte er in Kopenhagen an dem Hofe des K?nigs von D?nemark, Christian des Vierten, als Hoflaborant; denn dieser Fürst war den geheimen Künsten sehr zugetan. Nach dem Tode desselben zog er an manchen norddeutschen H?fen herum. Er war immer unstet und von seinem Gewissen gepeinigt, und wenn er Nüsse sah und von Nüssen h?rte, fiel er oft pl?tzlich in die heftigste Trauer. So kam er endlich zu Ihnen, und als er hier den unglücklichen Vers h?rte, floh er nach Basel. Dort lebte er, bis die Nüsse wieder reiften; da ward seine Unruhe unaufhaltsam; seine Zeit war abgelaufen; er reiste ab nach Lyon und lieferte sich selbst den Gerichten aus. Er hatte vor drei Wochen ein rührendes Gespr?ch mit mir, er war gut wie ein Kind, er bat mich um Vergebung--ach, ich hatte ihm l?ngst vergeben. Er sagte mir, ich solle nach seiner schimpflichen Todesstrafe Frankreich verlassen und nach Kolmar reisen, dort sei der Bürgermeister ein sehr redlicher Mann. Zwei Tage hierauf ward er unter unz?hligem Volkszulauf, bei der Kapelle, wo der Mord geschehen, enthauptet. Er kniete nieder in dem Kreise, brach drei Nüsse desselbigen Baums, welcher meinem Bruder die Todesnu? getragen hatte, teilte sie alle drei mit mir und umarmte mich nochmals z?rtlich; dann brachte man mich in die Kapelle, wo ich betend an den Altar niedersank. Er aber sprach drau?en: ?Unica nux prodest, altera nocet, tertia mors est?, und bei diesem letzten Worte machte der Schwertstreich seinem elenden Leben ein Ende.--Dieses ist meine Geschichte, Herr Bürgermeister."
Mit diesen Worten endete die Dame ihre Erz?hlung, der Bürgermeister reichte ihr gerührt die Hand und sagte: "Unglückliche Frau, nehmen Sie die Versicherung, da? ich von Ihrem Unglücke tief gerührt bin und das Vertrauen Ihres armen Mannes auf meine Redlichkeit auf alle Weise zu Ihrer Beruhigung wahr machen will."
Indem er dies sprach und, seine Tr?nen unterdrückend, auf ihre Hand niedersah, bemerkte er einen Siegelring an ihrem Finger, der einen lebhaften Eindruck auf ihn machte; er erkannte auf ihm ein Wappen, das ihn ungemein interessierte. Die Dame sagte ihm, es sei der Siegelring ihres Bruders.--"Und sein Familienname hei?t?" fragte der Bürgermeister lebhaft.--"Piautaz", erwiderte die Fremde; "unser Vater war ein Savoyarde und hatte einen Kram in Montpellier."
Da wurde der Bürgermeister sehr unruhig, er lief nach seinem Pulte, er holte mehrere Papiere hervor, er las, er fragte sie um das Alter ihres Bruders, und da sie zu ihm sagte: "Heute würde er sechsundvierzig Jahre alt sein, wenn er noch lebte", sagte er mit freudigem Ungestüme: "Recht, ganz recht! Heute ist er so alt, denn er lebt noch. Amelie, ich bin dein Bruder! Ich bin von der Amme deiner Mutter gegen das S?hnlein des Mechanikus Maggi ausgewechselt worden; dein Bruder hat dich nicht geliebt, es war Maggis Sohn, der deines Bruders Namen trug und eines so unglücklichen Todes starb. Wohl mir, da? ich dich fand!"
Die gute Dame konnte sich in diese Rede gar nicht finden; aber der Bürgermeister überzeugte sie durch ein über diesen Austausch von der Amme auf ihrem Todesbett aufgenommenes Protokoll, und sie sank ihrem neugefundenen Bruder in die Arme.
Sie soll nachher dem Bürgermeister drei Jahre die Haushaltung geführt haben und, als er gestorben, in das Kloster zu St. Klara in Kolmar gegangen sein und demselben ihr ganzes Verm?gen vermacht haben.
Ende dieses Project Gutenberg Etextes "Die drei Nüsse", von Clemens Brentano.
Die drei Nüsse, by Clemens Brentano
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