Die Witwe von Pisa | Page 8

Paul Heyse
und ich m��sse mich in Geduld fassen. Was sagen Sie zu dieser Zumutung an eine z?rtliche Gattin? Ich mich in Geduld fassen? Nein, bei mir stand es sogleich fest: mein Carlo ist nicht mehr! O er hatte so empfindliche Ohren--und nun wollte man mir einreden, er h?tte ihren Verlust ��berleben k?nnen? Arme und Beine h?tten sie ihm amputieren k?nnen, und er h?tte weitergelebt! Aber mein Carlo ohne seine Ohren--nimmermehr!
Ihr m��?t das wissen, sch?ne Frau, sagte ich, und in der Tat, wenn diese traurigen Reliquien wirklich Eurem Seligen geh?rt haben-So gewi? wie dies mein kleiner Finger ist, sagte sie mit gro?er ��berzeugung und betrachtete dabei die Fl?schchen mit so wissenschaftlichem Ernst, wie etwa ein Naturforscher eine neue Amphibienspezies, die man ihm in Spiritus zugeschickt hat. Mich ��berlief eine G?nsehaut.
Dennoch, sagte ich, reicht dieses Verm?chtnis schwerlich hin, Euch ganz frei zu machen. Die Gerichte sind sehr eigensinnig. Sie verlangen ganz andere Beweise, ehe sie einen Menschen aus dem Register der Lebendigen streichen.
Darum ist eben der Oheim nach Florenz, versetzte sie gelassen. Er kennt einige Minister und hofft, da? es ihm gelingen werde, die legalen Zeugnisse zu erhalten. Mein Mann ist nicht unbekannt, und sein pl?tzliches Verschwinden hat Aufsehen gemacht. Die Wahrheit mu? endlich an den Tag kommen.
Damit ging sie wieder an ihren Schreibtisch, verschlo? die teuren Andenken an ihren Seligen und setzte sich ans Klavier, um nun noch durch--den Zauber der T?ne auf mich zu wirken. Aber ich konnte nicht mehr! Es war mir in der N?he dieses entsetzlichen Frauenzimmers zu Mute, als h?tte ich mich mit einer Wachsfigur eingelassen, in deren hohlem Innern eine Spieluhr angebracht sei. Die Haare standen mir zu Berge, als sie ihr beliebtes "Ah sin' all' ore" anstimmte; ich sch��tzte Kopfweh vor und st��rmte aus dem Hause ins Freie.
Ich fl��chtete zu meinem lieben "Nettuno", aber ich konnte keinen Bissen hinunterbringen; alles widerstand mir, bis auf den Wein, dem es aber doch nicht gelang, mich ganz in Bewu?tlosigkeit einzutauchen. Immer sah ich die beiden Fl?schchen und die kaltbl��tigen schwarzen Augen darauf gerichtet und h?rte den Klang der Spieluhr aus der hohlen Automatenbrust. Da? ich es unter diesem Dach nicht l?nger aushalten k?nne, stand bei mir fest. Aber wie sollte ich entrinnen, ohne da? dieses erbarmungslose Weib Himmel und H?lle in Bewegung setzte, um mich aus jedem Schlupfwinkel, den ich in der Stadt nur ersinnen k?nnte, wieder hervorzuziehen? Schade, da? Toskana keine Abruzzen hat! Wie gern w?re ich ebenfalls in die H?nde der Briganten geraten, unter der Bedingung, da? sie mich um keinen Preis wieder ausl?sen d��rften.
Endlich brachte mir der treffliche rote Wein eine Erleuchtung. Ich mu?te nicht nur das Haus, sondern die Stadt verlassen, wenn auch meine Studien am Kampanile noch sehr einer Revision bedurft h?tten. Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, wie ich, ohne Aufsehen zu erregen, meine Habseligkeiten an den Bahnhof schaffen sollte. Aber in der Desperation hatte ich einen Einfall, den ich Ihnen f��r k��nftige Notf?lle empfehle, sei es im Leben, sei es in Novellen oder Lustspielen. Ich kaufte noch denselben Abend einen Koffer, den ich in den "Nettuno" tragen lie? und meinem getreuen Kellner ��berantwortete. Das weitere sollte der morgende Tag bringen.
Erst aber brachte die Nacht noch eine letzte Gefahr, nicht die geringste von allen. Stellen Sie sich vor, was diese Lucrezia f��r einen Spuk arrangierte. Ich war zu Bett gegangen, wie gew?hnlich, ohne ihr noch eine gute Nacht gew��nscht zu haben, und die Hoffnung auf ein gl��ckliches Entkommen lie? mich rasch und sanft einschlafen. Da werde ich etwa um Mitternacht durch ein heftiges Bellen des H��ndchens und einen pl?tzlichen Lichtschein aufgeweckt und sehe meine sch?ne Witwe vor meinem Bette stehen in einer sehr fragw��rdigen Gestalt, nicht gerade unschicklich, aber immerhin das verf?nglichste Kost��m, in dem sie mir noch erschienen war. Sie haben ja wohl die "Nachtwandlerin" gesehn und den "Fra Diavolo"? Aus einer dieser Opern mochte meine Primadonna das wei?e gestickte Unterr?ckchen noch ��brig behalten haben, in weichem sie sich zu mir fl��chtete, die Haare aufgel?st ��ber die sch?nen Schultern, das Gesicht tragisch verzerrt. Um Gottes willen, was ist geschehen? rief ich und st��tzte mich im Bette auf.--Er ist mir erschienen, wie er leibte und lebte, sagte sie; er steht noch drinnen an meinem Bette, ich bin halbtot vor Schrecken und getraue mich nicht wieder hinein!--Possen! sagte ich, ganz ?rgerlich. Ihr habt getr?umt, Lucrezia. Legt Euch wieder schlafen und la?t mich in Frieden,--Nein, nein, sagte sie; kommt und seht ihn selbst und sagt dann, ob ich tr?ume.--Und dabei fa?te sie meine Hand, wie beschw?rend, mit ihren beiden H?nden; es fehlte nur noch, da? sie wie auf dem Theater zu singen anfing. Da wurde mir die Sache doch zu toll. Gut, sagte ich, ich will jetzt aufstehen und mitkommen. Steht er wirklich als Geist an Eurem Bette, so da? ich ihn mit diesen meinen Augen sehe, so ist es meine Ritterpflicht, mir in Eurem
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