Die Witwe von Pisa | Page 7

Paul Heyse
Vor sechs Jahren, mitten in einem verliebten Duett, das sie mit ihm gesungen--die Oper, die sie mir auch nannte, habe ich vergessen--sei der Wahnsinn bei ihm ausgebrochen. Er habe sie n?mlich heftig an sich gezogen, wie es die Rolle mit sich brachte, und ihr mit rollenden Augen zugefl��stert, wenn sie ihn nicht erh?re, so werde er sie und sich mit einem vergifteten Kartoffelsalat umbringen. Was an dem Zeug wahr sein mochte, wei? ich nicht. Genug, sie schwatzte mir in diesem Stil noch eine Menge Abenteuer vor, damit ich recht einsehen solle, was sie damals f��r ein lebensgef?hrliches Frauenzimmer gewesen sei. Ich h?rte nur halb zu, um nicht den Gesang ganz zu verlieren, der ihr, obwohl sie S?ngerin war, sehr gleichg��ltig zu sein schien. Als es dann zu Ende war, warf sie ihren Strau? auf die B��hne und klatschte mit Ostentation. Einige Amateurs dr?ngten sich aus dem Parterre ins Orchester und reichten dem Sor Tobia einen riesenhaften Strau?, wie ein Wagenrad, auf die Szene hinauf, den er mit seinem stillen ironischen Lachen annahm, unter w��tendem Applaus. Das Volk war sehr liebensw��rdig gegen den armen Irren, und ich h?rte links und rechts Ausrufe des Bedauerns und der Teilnahme an seinem Geschicke. Nur meine Witwe ignorierte ihn ganz kaltbl��tig, f?cherte sich best?ndig K��hlung zu und fing gleich wieder an, verzuckerte Orangenscheibchen zu essen.
Ich gestehe Ihnen, es ��berlief mich eiskalt neben dieser meiner Eroberung; ich war froh, da? sie bald aufbrach, und wie sie meinen Arm nahm und wir nach Hause gingen, kam ich mir recht erb?rmlich vor; ich f��hlte mich in einer so schiefen Lage, da? ich l?ngst zusammengest��rzt w?re, wenn ich ein Glockenturm und nicht ein elastischer Organismus von Fleisch und Bein gewesen w?re. An diesen Tag werde ich denken! Denn glauben Sie nicht, da? es damit schon vorbei war. Meine Sch?ne hatte sich offenbar vorgenommen, heute noch die Sache zwischen uns ins reine zu bringen, unterhielt mich daher von ihren Verm?gensumst?nden, die ganz annehmlich schienen, von dem Gl��ck, das sie ihrem Seligen bereitet, der sie ihrer Sch?nheit wegen von der B��hne weggeheiratet habe, obwohl er selbst Komponist gewesen und ihren Gesang zu sch?tzen gewu?t habe. Sehen Sie, sagte ich in meiner Herzensangst und versuchte dabei eine scherzhafte Miene zu machen, das w��rde nun doch ein Hindernis f��r uns bilden. Denn in Deutschland gehen alle s��dlichen Stimmen bei dem best?ndigen Schneewetter zu Grunde.--Sie erwiderte, da? sie dieses Opfer gern bringen w��rde. Die Ehe, setzte sie mit einem pathetischen Seufzer hinzu, die Ehe ist ja ein best?ndiges Opfer auf dem Altar der Liebe!--Aber, sagte ich, die lieben Kinder, wie werden die das rauhe Klima ertragen?--Auch das machte ihr keinen Kummer. Die Bimbi sind ja wohl aufgehoben, sagte sie. Die Tante ��bernimmt die beiden kleinsten, die ?ltesten bleiben in Florenz.--Sch?n! sagte ich und dachte bei mir selbst: O du Rabenmutter! Aber ich l?chelte dabei so verbindlich, da? sie kein Arg hatte; denn das sah ich ihr an, da? sie zum ?u?ersten entschlossen war und sich nicht besonnen h?tte, mir ebenfalls einen bitteren Kartoffelsalat anzurichten, wenn sie hinter meine wahre Stimmung gekommen w?re.
Da kam mir eine Eingebung, die ich f��r sehr gl��cklich hielt. Sch?ne Frau, sagte ich, Ihr m��?t mich erst ��ber einen Punkt beruhigen. Ihr sagt, Euer Seliger sei unter die Briganten gefallen und nicht wiedergekommen. Wi?t Ihr denn aber gewi?, da? er nicht mehr am Leben ist? Wenn er nun eines sch?nen Tages zur��ckkehrte und Euch reklamierte, oder gar mir einfach den Hals br?che, zum Dank daf��r, da? ich ihm sein Eigentum inzwischen so gut aufgehoben h?tte?
Diese Frage tat ich, als wir schon wieder oben in ihrem Salon auf dem bewu?ten Sofa sa?en, gerade unter dem Bilde des seligen Komponisten. Ich f��gte noch einige weise Reden ��ber die Zweckm??igkeit offizieller Totenscheine hinzu und ��ber den Greuel der Bigamie--Warten Sie! sagte sie ruhig, stand auf und schlo? ein Fach ihres Schreibtisches auf. Was zog sie daraus hervor? Sie werden es kaum glauben, aber es ist so buchst?blich wahr wie diese ganze Historie: zwei Fl?schchen, beide wohlverkorkt und mit einer Schweinsblase luftdicht zugeklebt, und in jedem ein nat��rliches Menschenohr, kunstreich mit einem reinlichen Schnitt vom Kopfe abgetrennt und hier in Spiritus aufbewahrt! Ecco! sagte sie und hielt mir die Fl?schchen hin, die ich vor Grausen nicht in die Hand zu nehmen vermochte. Dies ist wohl besser als mancher Totenschein. Es sind Carlos Ohren, ich erkannte sie auf der Stelle. Erst kam das rechte; das schickte mir einer seiner Freunde aus Neapel, und ich mu?te f��nftausend Lire als L?segeld schicken, was ich auch sogleich tat. Aber es kam doch zu sp?t an; denn bald darauf erhielt ich das zweite Fl?schchen und einen zweiten Brief des Freundes, worin stand, die Mordgesellen h?tten das Geld genommen, aber als Quittung dar��ber eben nur das zweite Ohr ausgeliefert; was aus dem Menschen geworden, der daran gesessen habe, sei g?nzlich dunkel,
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