Tasche stecken). Ach-Desportes. Ums
Himmels willen, was ist das für ein Brief, der Ihnen Tränen
verursachen kann?
Marie (etwas leiser). Sehen Sie nur, was mir der Mensch, der Stolzius,
schreibt, recht als ob er ein Recht hätte, mich auszuschelten. (Weint
wieder.)
Desportes (liest stille). Das ist ein impertinenter Esel. Aber sagen Sie
mir, warum wechseln Sie Briefe mit solch einem Hundejungen?
Marie (trocknet sich die Augen). Ich will Ihnen nur sagen, Herr Baron,
es ist, weil er angehalten hat um mich, und ich ihm schon so gut als
halb versprochen bin.
Desportes. Er um Sie angehalten? Wie darf sich der Esel das
unterstehen? Warten Sie, ich will ihm den Brief beantworten.
Marie. Ja, mein lieber Herr Baron! Und Sie können nicht glauben, was
ich mit meinem Vater auszustehen habe, er liegt mir immer in den
Ohren, ich soll mir mein Glück nicht verderben.
Desportes. Ihr Glück--mit solch einem Lümmel. Was denken Sie doch,
liebstes Mariel, und was denkt Ihr Vater? Ich kenne ja des Menschen
seine Umstände. Und kurz und gut, Sie sind für keinen Bürger
gemacht.
Marie. Nein, Herr Baron, davon wird nichts, das sind nur leere
Hoffnungen, mit denen Sie mich hintergehen. Ihre Familie wird das
nimmermehr zugeben.
Desportes. Das ist meine Sorge. Haben Sie Feder und Dinte, ich will
dem Lumpenhund seinen Brief beantworten, warten Sie einmal.
Marie. Nein, ich will selber schreiben.
(Setzt sich an den Tisch, und macht das Schreibzeug zurecht, er stellt
sich ihr hinter die Schulter.)
Desportes. So will ich Ihnen diktieren.
Marie. Das sollen Sie auch nicht.
(Schreibt..)
Desportes (liest ihr über die Schulter). Monsieur--Flegel setzen Sie
dazu.
(Tunkt eine Feder ein und will dazu schreiben.)
Marie (beide Arme über den Brief ausbreitend). Herr Baron--
(Sie fangen an zu scheckern, sobald sie den Arm rückt, macht er Miene
zu schreiben, nach vielem Lachen gibt sie ihm mit der nassen Feder
eine große Schmarre übers Gesicht. Er läuft zum Spiegel, sich
abzuwischen, sie schreibt fort.)
Desportes. Ich belaure Sie doch. (Er kommt näher, sie droht ihm mit
der Feder, endlich steckt sie das Blatt in die Tasche, er will sie daran
verhindern, sie ringen zusammen, Marie kützelt ihn, er macht ein
erbärmliches Geschrei, bis er endlich halb atemlos auf den Lehnstuhl
fällt.)
Wesener (tritt herein). Na, was gibt's--die Leute von der Straße werden
bald hereinkommen.
Marie (erholt sich). Papa, denkt doch, was der grobe Flegel, der
Stolzius, mit für einen Brief schreibt, er nennt mich Ungetreue! denk
doch, als ob ich die Säue mit ihm gehütet hätte; aber ich will ihm
antworten darauf, daß er sich nicht vermuten soll, der Grobian.
Wesener. Zeig mir her den Brief--ei sieh doch die Jungfer
Zipfersaat--ich will ihn unten im Laden lesen.
(Ab.) (Jungfer Zipfersaat tritt herein.)
Marie (hier und da launigt herumknicksend). Jungfer Zipfersaat, hier
hab ich die Ehre, dir einen Baron zu präsentieren, der sterblich verliebt
in dich ist. Hier, Herr Baron, ist die Jungfer, von der wir so viel
gesprochen haben, und in die Sie sich neulich in der Komödie so
sterblich verschameriert haben.
Jungfer Zipfersaat (beschämt). Ich weiß nicht, wie du bist, Mariel.
Marie (einen tiefen Knicks). Jetzt können Sie Ihre Liebesdeklaration
machen. (Läuft ab, die Kammertür hinter sich zuschlagend. Jungfer
Zipfersaat ganz verlegen tritt ans Fenster. Desportes, der sie verächtlich
angesehen, paßt auf Marien, die von Zeit zu Zeit die Kammertür ein
wenig eröffnet. Endlich steckt sie den Kopf heraus: höhnisch.) Na, seid
ihr bald fertig? (Desportes sucht sich zwischen die Tür einzuklemmen,
Marie sticht ihn mit einer großen Stecknadel fort, er schreit und läuft
plötzlich heraus, um durch eine andere Tür in jenes Zimmer zu
kommen. Jungfer Zipfersaat geht ganz verdrüßlich fort, derweil das
Geschrei und Gejauchz im Nebenzimmer fortwährt. Weseners alte
Mutter kriecht durch die Stube, die Brille auf der Nase, setzt sich in
eine Ecke des Fensters, und strickt und singt, oder krächzt vielmehr mit
ihrer alten rauhen Stimme.)
Ein Mädele jung ein Würfel ist, Wohl auf den Tisch gelegen: Das
kleine Rösel aus Hennegau Wird bald zu Gottes Tisch gehen.
(Zählt die Maschen ab.)
Was lächelst so froh mein liebes Kind,Dein Kreuz wird dir'n schon
kommen.Wenn's heißt, das Rösel aus HennegauHab' nun einen Mann
genommen.
O Kindlein mein, wie tut's mir so weh,Wie dir dein Äugelein lachen,
Und wenn ich die tausend Tränelein seh,Die werden dein Bäckelein
waschen.
(Indessen dauert das Geschecker im Nebenzimmer fort. Die alte Frau
geht hinein, sie zu berufen.)
Dritter Akt
Erste Szene
In Armentieres. Des Juden Haus.
Rammler (mit einigen verkleideten Leuten, die er stellt. Zum letzten).
Wenn jemand hineingeht, so huste--ich will mich unter die Treppe
verstecken, daß ich ihm gleich nachschleichen kann.
(Verkriecht sich unter die Treppe.)
Aaron (sieht aus dem Fenster). Gad, was ein gewaltiger Camplat ist das
unter meinem eignen Hause.
Mary (im Rocklor eingewickelt kommt die Gasse heran, bleibt unter
des Juden Fenster stehen, und lÄßt ein subtiles Pfeifchen
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