Die Regentrude | Page 4

Theodor W. Storm
und Sohn noch einmal zusammen und ohne
Anstoß:
"Dunst ist die Welle, Staub ist die Quelle! Stumm sind die Wälder,
Feuermann tanzet über die Felder! Nimm dich in acht! Eh du erwacht,
Holt dich die Mutter Heim in die Nacht!"
"Nun hat alle Not ein Ende!" rief Maren; "nun wecken wir die
Regentrude; morgen sind alle Felder wieder grün, und übermorgen
gibt's Hochzeit!" Und mit fliegenden Worten und glänzenden Augen
erzählte sie dem Andrees, welches Versprechen sie dem Vater
abgewonnen habe.
"Kind", sagte die Witwe wieder, "weißt du denn auch den Weg zur
Regentrude?"
"Nein, Mutter Stine; wißt Ihr denn auch den Weg nicht mehr?"
"Aber, Maren, es war ja die Urahne, die bei der Regentrude war; von
dem Wege hat sie mir niemals was erzählt."
"Nun, Andrees", sagte Maren und faßte den Arm des jungen Bauern,
der währenddes mit gerunzelter Stirn vor sich hin gestarrt hatte, "so
sprich du! Du weißt ja sonst doch immer Rat!"
"Vielleicht weiß ich auch jetzt wieder einen", entgegnete er bedächtig.
"Ich muß heute mittag den Schafen noch Wasser hinauftragen.
Vielleicht, daß ich den Feuermann noch einmal hinter dem Dornbusch
belauschen kann! Hat er das Sprüchlein verraten, wird er auch noch den
Weg verraten; denn sein dicker Kopf scheint überzulaufen von diesen
Dingen."

Und bei diesem Entschluß blieb es. Soviel sie auch hin und wieder
redeten, sie wußten keinen bessern aufzufinden.

Bald darauf befand sich Andrees mit seiner Wassertracht droben auf
dem Weideplatze. Als er in die Nähe des Riesenhügels kam, sah er den
Kobold schon von weitem auf einem der Steine am Zwergenloch sitzen.
Er strählte sich mit seinen fünf ausgespreizten Fingern den roten Bart;
und jedesmal, wenn er die Hand herauszog, löste sich ein Häufchen
feuriger Flocken ab und schwebte in dem grellen Sonnenschein über
die Felder dahin.
Da bist du zu spät gekommen, dachte Andrees, heute wirst du nichts
erfahren, und wollte seitwärts, als habe er gar nichts gesehen, nach der
Stelle abbiegen, wo noch immer der umgestürzte Zuber lag. Aber er
wurde angerufen. "Ich dachte, du hättst mit mir zu reden!" hörte er die
Quäkstimme des Kobolds hinter sich.
Andrees kehrte sich um und trat ein paar Schritte zurück. "Was hätte
ich mit Euch zu reden", erwiderte er; ich kenne Euch ja nicht."
"Aber du möchtest den Weg zur Regentrude wissen?"
"Wer hat Euch denn das gesagt?"
"Mein kleiner Finger, und der ist klüger als mancher großer Kerl."
Andrees nahm all seinen Mut zusammen und trat noch ein paar Schritte
näher zu dem Unding an den Hügel hinauf. "Euer kleiner Finger mag
schon klug sein", sagte er, "aber den Weg zur Regentrude wird er doch
nicht wissen, denn den wissen auch die allerklügsten Menschen nicht."
Der Kobold blähte sich wie eine Kröte und fuhr ein paarmal mit seiner
Klaue durch den Feuerbart, daß Andrees vor der herausströmenden
Glut einen Schritt zurücktaumelte. Plötzlich aber den jungen Bauer mit
dem Ausdrucke eines überlegenen Hohns aus seinen bösen kleinen
Augen anstarrend, schnarrte er ihn an: "Du bist zu einfältig, Andrees;
wenn ich dir auch sagte, daß die Regentrude hinter dem großen Walde

wohnt, wo würdest du doch nicht wissen, daß hinter dem Walde eine
hohle Weide steht."
Hier gilt's, den Dummen spielen, dachte Andrees; denn obschon er
sonst ein ehrlicher Bauer war, so hatte er doch auch seine gute Portion
Bauernschlauheit mit auf die Welt bekommen. "Da habt Ihr recht",
sagte er und riß den Mund auf, "das würde ich freilich nicht wissen!"
"Und", fuhr der Kobold fort, "wenn ich dir auch sagte, daß hinter dem
Wald die hohle Weide steht, so würdest du doch nicht wissen, daß in
dem Baum eine Treppe zum Garten der Regenfrau hinabführt."
"Wie man sich doch verrechnen kann!" rief Andrees. "Ich dachte, man
könnte nur so geradeswegs hineinspazieren."
"Und wenn du auch geradeswegs hineinspazieren könntest", sagte der
Kobold, "so würdest du immer noch nicht wissen, daß dir Regentrude
nur von einer reinen Jungfrau geweckt werden kann."
"Nun freilich", meinte Andrees, "da hilft's mir nichts; da will ich mich
nur gleich wieder auf den Heimweg machen."
Ein arglistiges Lächeln verzog den breiten Mund des Kobolds. "Willst
du nicht erst dein Wasser in den Zuber gießen?" fragte er; "das schöne
Viehzeug ist ja schier verschmachtet."
"Da habt Ihr zum vierten Male recht!" erwiderte der Bursche und ging
mit seinen Eimern um den Hügel herum. Als er aber das Wasser in den
heißen Zuber goß, schlug es zischend empor und verprasselte in weißen
Dampfwolken in der Luft. Auch gut, dachte er, meine Schafe treibe ich
mit mir heim, und morgen mit dem frühesten geleite ich Maren zu der
Regentrude. Die soll sie schon erwecken!
Auf der andern Seite des Hügels aber war der Kobold von seinen
Steinen aufgesprungen. Er warf seine rote Mütze in die Luft und
kollerte sich mit wieherndem Gelächter den Berg hinab. Dann sprang er
wieder auf seine
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