Die Organisation der Rohstoffversorgung | Page 7

Walther Rathenau
viele, als die Chemie leisten k?nne.
Der Kriegsminister, Exzellenz von Wandel, in seiner gro?z��gigen, ruhigen und entschlossenen Art gab sofort die Autorisation, mit der chemischen Industrie zu verhandeln.
Technisch im h?chsten Ma?e wertvolle Vorarbeiten waren geleistet worden. Exzellenz Fischer und Geheimrat Haber hatten in sehr dankenswerter Weise das Problem der Salpetergewinnung gr??ten Umfangs bearbeitet, und die chemische Industrie war durchaus nicht ��berrascht, als sie vor die Frage gestellt wurde, diese Unternehmungen zu schaffen.
Der Bau einer gr??eren Zahl von Fabriken wurde vereinbart, und die Chemiker, k��hn, selbstbewu?t und vertrauensvoll, gingen auf die Bedingung ein, da? die Fabriken unter Dach sein mu?ten, bevor ich in der Lage war, ihnen den Vertrag vom Reichsschatzamt genehmigt zuzuschicken. Die Fabriken waren unter Dach, noch bevor der Vertrag unterschrieben war; das war ungef?hr zu Weihnachten. Die Stickstoffabrikation war eine deutsche Produktion geworden, ein Weltproblem war gel?st, die schwerste technische Gefahr des Krieges war abgewendet.
Aber w?hrend diese Fabriken aufstiegen, kamen die Nachrichten von der Front: wir brauchen nicht mehr 10 Tonnen, sondern 16, nicht mehr 16, sondern 21, nicht mehr 21, sondern 27, und hier will ich, um auch nicht Proportionen erkennen zu lassen, nicht sagen, bis zu welchem Vielfachen die Forderungen der Front sich steigerten. So viel aber darf angedeutet werden: da? die urspr��ngliche Deckung sich auf einen Bruchteil vermindert hatte. H?tten wir erst dann mit dem Bau begonnen, als diese Verh?ltnisse greifbar geworden waren, also zwei oder drei Monate sp?ter, so w?re eine bedenkliche Zwischenzeit eingetreten, und zwar gerade damals, als der galizische Durchbruch einen gewaltigen Munitionsaufwand forderte.
Waren und blieben auch die chemischen Fabrikationen, insbesondere die Salpeters?ureanlagen, die wichtigsten unserer neugeschaffenen G��tererzeugungen, so haben doch noch eine Anzahl umfangreicher Produktionsst?tten sich ihnen zur Seite gestellt. Metallraffinationen und Wiedergewinnungsanlagen wurden errichtet, die bergbauliche Produktion wurde gehoben, elektrolytische und elektrothermische Werke wurden erstellt und erweitert, teils durch unmittelbares Eingreifen der Kriegsrohstoffabteilung, teils durch Vermittelung der Rohstoffgesellschaften.
Inmitten dieser T?tigkeit wurde uns eine weitere Aufgabe zuteil, die eigentlich mit der Wehrbarmachung des Landes nur mittelbar zu tun hatte, die aber aus allgemein wirtschaftlichen Gr��nden sich nicht abweisen lie? und die kaum anders als durch uns gel?st werden konnte.
Ich habe erw?hnt, da? der Reichstag im November von uns etwa die Vorstellung hatte, wir seien eine Stelle f��r Verbilligung der Marktpreise, und eine Sitzung der gro?en gemischten Kommission war f��r den beteiligten Zuh?rer, der sich nicht verteidigen durfte, nicht sehr angenehm. Mit Recht waren die Herren ungehalten ��ber einzelne stark gesteigerte Rohstoffpreise, die auch uns zu denken gaben. Man wu?te jedoch nicht, da? uns zun?chst die weit dringendere Sorge obgelegen hatte, die Gefahr des Mangels abzuwenden, bevor wir an die wichtige und dennoch sekund?re Frage der Kosten herantreten konnten. Sofortige Abhilfe wurde gefordert.
Wir hatten indessen bereits Mittel und Wege gefunden und waren mit der L?sung fast zu Ende. Angefangen hatten wir mit der Festsetzung der H?chstpreise f��r Metalle. Sie war nicht einfach, denn nicht nur die Mehrzahl der wichtigeren Metalle war zu bedenken, sondern auch ihre Legierungen, die Altmetalle und die vorverarbeiteten Produkte. Nach langen Verhandlungen war eine Tabelle zustande gekommen, die zwar nicht in allen Positionen der Industrie und vor allem dem Handel gefiel, gegen die aber schlie?lich nicht mehr viel einzuwenden war, und die vom Bundesrat angenommen wurde. Sodann wurden die H?chstpreise f��r eine Gruppe bew?ltigt, die bei den Fachleuten als un��berwindlich galt, die Wollen und Wollprodukte.
Hier handelte es sich um die Vielf?ltigkeit der Herkunft, multipliziert mit der Zahl der Qualit?ten; das Produkt dieser Gr??en abermals multipliziert mit der Zahl der Verarbeitungsstadien. Das ergab eine Mannigfaltigkeit, die nach Hunderten von Positionen z?hlte; aber zuletzt kam auch hier ein Merkblatt zustande, das f��r die Besitzer nicht allzugro?e H?rten enthielt und den Erfordernissen der Kriegswirtschaft entsprach.
N?herte sich die Festsetzung von H?chstpreisen schon mehr einem Ausflug auf allgemeinwirtschaftliches Gebiet, so war die Beschaffung und Einf��hrung von Ersatzstoffen und Surrogaten ein Teil unserer eigensten Aufgaben.
Die preu?ische Uniformierung mu?te in ihrer stofflichen Zusammensetzung ge?ndert werden. Die Gewebe wurden durch Verwendung von Kammgarn und anderen Erzeugnissen gestreckt; Helmbeschl?ge, Kn?pfe und andere Zutaten lernten auf die Verwendung von Sparmetallen verzichten. Im Munitionswesen wurde manches seltnere Metall durch Zink und Stahl ersetzt; die Elektrotechnik mu?te einen Teil ihrer Leitungen und Fassungen aus ungewohnten Metallen erstellen und erreichte es, da? manches Erzeugnis sich verbilligte. In der chemischen Industrie entstanden gro?e Anlagen, die teils bekannte, teils neuerprobte Ersatzstoffe lieferten. Selbst auf die Textilindustrie erstreckte sich das System der Wiedergewinnung und Auswechselung. Nur wenige Industriezweige k?nnen sagen, da? sie heute noch durchweg mit dem Urmaterial arbeiten, dessen sie vor dem Kriege gewohnt waren, und viele haben auch aus dieser Form der Umstellung Nutzen gezogen.
In kurzen Z��gen m?chte ich Ihnen jetzt ein Bild der Kriegs-Rohstoff-Abteilung geben, wie sie ungef?hr zu Beginn dieses Jahres ausgesehen hat. Eine Zentralsektion sorgte f��r die Gesamtpolitik und Initiative der Abteilung. Sie f��hrte die Verhandlungen mit den Beh?rden, bearbeitete jede neue organisatorische Ma?nahme und Verf��gung, bereitete die Vortr?ge beim
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