Die Mitschuldigen | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe

gehen; Er ist mein einzger Trost, ich tue, was ich kann.
Alcest. Nun, Liebste?
Sophie. Doch mein Mann -
Alcest. Der Henker hol den Mann! Nun, willst du?
Sophie. Ob ich will?
Alcest. Nun?
Sophie. Ich will zu dir kommen.
Alcest. Herr Wirt, ich reise nicht!

Wirt [hervortretend]. So! [Zu Sophien.] Hast du was vernommen?
Sophie. Er will nichts sagen.
Wirt. Nichts?

Siebenter Auftritt
[Die Vorigen. Söller.]
Söller. Mein Hut!
Sophie. Da ist er. Hier!
Alcest. Adieu, ich muß zum Schmaus.
Söller. Ich wünsche viel Plaisir.
Alcest [faßt Sophien bei der Hand]. Adieu, scharmante Frau!
Söller [vor sich]. Der Kerl wird täglich kühner.
Alcest [zum Wirt]. Ein Licht! Ich muß hinauf.
Sophie. Adieu, Alcest!
Wirt [begleitet ihn]. Ihr Diener.
Alcest. Sie bleiben!
Wirt. Gnädger Herr -
Alcest. Herr Wirt, nicht einen Schritt! [Er geht ab.]
Sophie. Nun, Söller, gehst du denn! Wie wär's, du nähmst mich mit?
Söller. Warum sagst du's nicht eh.

Sophie. O geh! es war im Scherze.
Söller. Nein, nein, ich weiß es schon, es wird dir warm ums Herze.
Wenn man so jemand sieht, der sich zum Balle schickt, Und man soll
schlafen gehn, da ist hier was, das drückt. Es ist ein andermal.
Sophie. O ja, ich kann wohl warten. Noch etwas: sei gescheit und hüt
dich vor den Karten. Geruhge Nacht, Papa, ich will zu Bette gehn. Es
ist schon spät.
Wirt. Schlaf wohl!
Söller [sieht ihr nach]. Nein, sie ist wahrlich schön! [Er läuft ihr nach
und küßt sie.] Schlaf wohl, mein Schäfchen! [Sophie geht ab.] [Zum
Wirt.] Nun, geht Er nicht auch zu Bette?
Wirt. Das ist ein Teufelsbrief; wenn ich den Brief nur hätte! [Zu Söller.]
Nun, Fastnacht! gute Nacht!
Söller. Dank's! angenehme Ruh!
Wirt. Herr Söller, wenn Er geht, mach Er das Tor recht zu!
Söller. Ja, sorgen Sie für nichts!

Achter Auftritt
Söller [allein]. Was ist nun anzufangen? O, das verfluchte Spiel! Ich
wollt, er wär gehangen, Der Karo-König - Ja - Nun gilt es witzig sein.
Der Spieler borgt nicht mehr. Ich weiß nicht aus noch ein. Wie wär's?
Alcest hat Geld, und hier: da hab ich Schlüssel Zu mehr als einem
Schloß. Er greift nach meiner Schüssel Ja auch; und meine Frau ist ihm
nicht sehr verhaßt - Eh nun! da lad ich mich einmal bei ihm zu Gast.
Allein, kommt es heraus, so geben's schlimme Sachen. Ja, ich bin in der
Not, was kann ich anders machen? Der Spieler will sein Geld, sonst
prügelt er mich aus. Courage, Söller! Fort! Es schläft das ganze Haus.
Und wird es auch entdeckt, so bist du wohl gebettet, Denn eine schöne

Frau hat manchen Dieb gerettet.

Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
[Das Theater ist geteilt, der Hauptteil stellt das Zimmer Alcests, der
kleinere einen Alkoven vor.]
Söller, [im Domino, den Hut auf, die Maske vorm Gesicht, ohne
Schuhe, kommt ganz leise zur Nebentüre herein, leuchtet vorsichtig mit
einer Blendlaterne umher; da er alles still findet, kommt er mit leisen
Schritten hervor an den Rand des Theaters, nimmt die Maske und den
Hut ab und wischt sich das Gesicht]. Zum Leben braucht's nicht just,
daß man so tapfer ist. Man kommt auch durch die Welt mit Schleichen
und mit List. Der eine geht euch hin, bewaffnet mit Pistolen, Sich einen
Sack mit Geld, vielleicht den Tod zu holen, Und ruft: Den Beutel her!
Her! Ohn euch viel zu sperrn! Mit so gelaßnem Blut, als spräch er:
Prost, ihr Herrn! Ein andrer zieht herum, mit zauberischen Händen Und
Volten wie der Blitz die Uhren zu entwenden. Und wenn ihr's haben
wollt, er sagt euch ins Gesicht: Ich stehle, gebt wohl acht! Er stiehlt, ihr
seht es nicht. Mich machte die Natur nun freilich viel geringer; Mein
Herz ist allzuleicht, zu plump sind meine Finger; Und doch kein
Schelm zu sein, wird heutzutage schwer, Das Geld nimmt täglich ab,
und täglich braucht man mehr. Doch ist's ein schlechtes Ding um halbe
Bösewichter. Ich seh's, man wird zum Dieb geboren wie zum Dichter;
Und pfuscht nur einer drein, so fühlt er wie der Blitz Die Peitsche der
Kritik, die Rute der Justiz.
Du bist nun einmal drin; nun hilf dich aus der Falle! Ach! alles meint
zu Haus, ich sei schon lang beim Balle. Mein Herr Alcest, der
schwärmt, mein Weibchen schläft allein; Die Konstellation wie kann
sie schöner sein? [Er nimmt die Schatulle vom Tisch.] O komm, du
Heiligtum! Du Gott in der Schatulle! Ein König ohne dich wär eine
große Nulle. [Er zieht die Diebesschlüssel aus der Tasche und sagt
unter dem Aufbrechen.] Habt Dank, ihr Dietriche! ihr seid der Trost der

Welt! Durch euch erlang ich ihn, den großen Dietrich, Geld! Ich war
einst Sekretär bei einem Bürgermeister. Ein Sekretär! Das ist kein
Werk für kleine Geister, Es ist ein künstlich Amt und will getrieben
sein. Ja, wie ich das noch war,
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