Die Mitschuldigen | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
dies Zittern nicht selbst ein Gefühl von Tugend? Ist diese Sympathie, dies schwimmende Gefühl, Dem man sich schwer entrei?t, nichts als ein Fibernspiel? Wie sü? vertr?umt ich nicht die jugendlichen Stunden Einst in Sophiens Arm. Ich hatte nichts empfunden, Bis mir der Druck der Hand, ihr Blick, ihr Ku? entdeckt, Wie's einem Neuling ist, wenn er die Wollust schmeckt. Uns führte keine Wahl mit klugem Rat zusammen, Wir sahn einander an, und standen schon in Flammen. Bist du der Liebe wert, ward da nicht lang gefragt; Es war erst halb gefühlt, und war schon ganz gesagt. Wir lebten lange so die sü?en Augenblicke; Zuletzt verschlug es sich. Ich fluchte dem Geschicke, Und schwur, da? Freundschaft, Lieb und Z?rtlichkeit und Treu Der Maskeradenputz verkappter Laster sei. Und sucht in dem Gewühl der k?rperlichen Triebe Den Tod des Vorurteils, von Tugend und von Liebe. Zuletzt verh?rteten mich Wollust, Stolz und Zeit; Ich glaubte mich geschützt vor aller Z?rtlichkeit. Stolz kehrt ich zu Sophien. Wie sch?n war sie geworden! Ich stutzte. ?Ha, ihr Mann ist doch vom gro?en Orden Schon lange Ritter! Doch sie hat der Freunde mehr. Es sei drum! Wenn du kommst, so macht sie dir's nicht schwer. Ihr Sperren rührt mich nur, da? ich die Nase rümpfe: Gnung! Das gewohnte Spiel vom Faun und von der Nymphe.? So dacht ich, sah sie oft, allein da fühlt ich was, Ihr liederlichen Herrn, erkl?rt mir, was ist das? Das hier mich immer schilt, hier immer für sie redet, Mir alle Kühnheit raubt, und jeden Anschlag t?tet. Sie nennt mich ihren Freund, er?ffnet mir ihr Herz; Ich schwur die Freundschaft ab, doch teil ich ihren Schmerz. Sie sagt, sie habe mich als alle Menschen lieber; Ha! denk ich, Lieb ist Tand, und freu mich doch darüber. Sie liebt mich und verl??t doch ihre Tugend nie; Die Tugend glaub ich nicht, und doch verehr ich sie. Heut hofft ich ziemlich viel und wagte nichts zu nehmen. So b?s und doch so feig! Ich mu? mich wahrlich sch?men. Entweder nennet mich Weib! Tückisch ohne Kraft! Wo nicht, so bin ich noch nicht v?llig lasterhaft. Was ist's? was treibt dich an, ihr Leben zu versü?en? Ist's Lieb? Ist's Eigennutz? Gedenkst du zu genie?en, Und willst es kaufen? Nein! Ich wei?, es fehlt ihr Geld, Und sie vertraut mir's nicht, das ist's, was mir gef?llt. Ich sinne jetzo nur auf ein versteckt Geschenke; Ich habe just noch Geld. Gut, da? ich gleich dran denke. Ich mu? es z?hlen. [Er ?ffnet die Schatulle.] Was! Was seh ich! Teufel! Leer! Von hundert Spezies kaum fünfundzwanzig mehr! Seit heute nachmittag! Wer konnte sie entwenden? Die Schlüssel kamen nicht die Zeit aus meinen H?nden. Wer war im Zimmer? Ha! Sophie! Gedanke fort! Mein Diener? O, der liegt an einem sichern Ort. Er schl?ft, gleich will ich hin, mit L?rm ihn aufzuwecken; Wenn er der T?ter ist, verr?t er sich im Schrecken.

Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Die Wirtsstube.
Der Wirt [im Schlafrocke, in dem Sessel hinter dem Tisch, worauf ein bald abgebrannt Licht, Kaffeezeug, Pfeifen und die Zeitungen. Nach den ersten Versen steht er auf und zieht sich in diesem Auftritt und dem Anfang des folgenden an.] Es steht mit Polen jetzt nicht eben allzugut! Allein ich passe drauf, was noch der Russe tut. Greift er's nur weislich an, so kann er nicht verlieren, Und er ist Kerls genug, den Türken abzuführen, Kommt er nur recht in Schu?, da tobt er wie ein B?r. Ich wü?te, was ich t?t, wenn ich der Russe w?r; Ich z?g vor das Serail, und ohne viel zu fragen, Schickt ich den Gro?sultan ein wenig Zobeljagen. Krieg ich ihn nicht, den Brief, so komm ich nicht zur Ruh. Es ging wahrhaftig nicht mit rechten Dingen zu! Unm?glich scheint es mir, das R?tsel aufzul?sen: Wenn man was B?ses tut, fürcht man sich vor dem B?sen. Es war nicht mein Beruf, drum kam die Furcht mich an; Und doch für einen Wirt ist es nicht wohlgetan, Zu zittern, wenn's im Haus rumort und geht und knistert; Denn mit Gespenstern sind die Diebe nah verschwistert. Es war kein Mensch zu Haus, nicht S?ller, nicht Alcest; Der Kellner konnt's nicht sein, die M?gde schliefen fest. Doch halt! - In aller Früh, so zwischen drei und viere, H?rt ich ein leis Ger?usch, es ging Sophiens Türe. Sie war vielleicht wohl selbst der Geist, vor dem ich floh. Es war ein Weibertritt, Sophie geht eben so. Was tat sie denn wohl da? - Man wei?, wie's Weiber machen; Sie visitieren gern und sehn der Fremden Sachen Und ihre W?sche gern. H?tt ich nur dran gedacht, Ich h?tte sie erschreckt und dann sie ausgelacht. Sie h?tte mit gesucht, der Brief w?r nun gefunden; Jetzt ist die sch?ne Zeit so ungebraucht verschwunden. Verflucht! Zur rechten Zeit f?llt einem nie was ein, Und was man Gutes denkt, kommt meist erst
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