Die Mitschuldigen | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe
Nachdruck]. Sophie!
Sophie. Verzeihst du ihn, so fühl ich keine Reue.
S?ller. Ja, frage mich einmal, ob ich dir ihn verzeihe!
Sophie. Warum kam ich hierher? Gewi?, ich wei? es kaum.
S?ller. Ich wei? es nur zu wohl!
Sophie. Es ist mir wie ein Traum.
S?ller. Ich wollt, ich tr?umte!
Sophie. Sieh, ein ganzes Herz voll Plagen Bring ich zu dir.
Alcest. Der Schmerz vermindert sich im Klagen.
Sophie. Ein sympathetisch Herz wie deines fand ich nie.
S?ller. Wenn ihr zusammen g?hnt, das nennt ihr Sympathie! Vortrefflich!
Sophie. Mu?t ich nur dich so vollkommen finden, Um mit dem Gegensatz von dir mich zu verbinden? Ich hab ein Herz, das nicht tot für die Tugend ist.
Alcest. Ich kenn's!
S?ller. Ja, ja, ich auch!
Sophie. So liebenswert du bist, Alcest, ich würde nie aus meinen Schranken weichen, W?r S?ller nicht ein Mann, um mich herauszuscheuchen.
S?ller. Sie lügt! Ein Mann von Stroh w?r ich! Da seht ihr mich, Ihr Herren! Hat er denn so Waden stehn wie ich?
Sophie. Ich dachte, da die Not mich zwang, dich zu verlassen, Ihn zu ertragen -
S?ller. Sch?n!
Sophie. Allein ich mu? ihn hassen.
S?ller. Noch sch?ner!
Alcest. Du verdienst kein so unglücklich Band.
Sophie. Dumm ohn ein gutes Herz, und boshaft ohn Verstand. Zum Schelmen viel zu feig, zu schlimm, um gut zu denken, Besch?ftigt sich sein Kopf mit ungeschliffnen R?nken, Verleumdet, lügt, betrügt.
S?ller. Ich seh, sie sammelt schon Die Personalien zu meinem Leichsermon.
Sophie. Mit ihm zu leben! denk, wie sehr mich das betrübte, Hofft ich nicht -
S?ller. Nur heraus!
Sophie. Da? mich Alcest noch liebte.
Alcest. Er liebt, er klagt wie du.
Sophie. Das lindert meine Pein, Von Einem wenigstens, von dir beklagt zu sein. [Sie fa?t ihn bei der Hand.] Alcest, bei dieser Hand, der teuern Hand, beschw?re Ich dich, behalte mir dein Herz gewogen!
S?ller. H?re, Wie sch?n sie tut!
Sophie. Dies Herz, das nur für dich gebrannt, Wei? keinen andern Trost, als den von deiner Hand.
Alcest. Ich kenne für dein Herz kein Mittel.
S?ller. Desto schlimmer! Schl?gt's nicht am Herzen an, so sieht das Frauenzimmer Gern, da? man sonst kuriert.
Sophie, [die sich auf Alcestens Arm lehnt]. Mein Freund!
S?ller [be?ngstigt]. Bald geht's zu weit! [Zum Parterre.] Es ist mein gro?es Glück, da? ihr da unten seid; Da sch?men sie sich noch. [Alcest umarmt Sophien.] Nein! Er wird zu verwegen! Ich führ ihm gern an Kopf, h?tt er nur keinen Degen.
Sophie [?ngstlich]. Grausamer, la? mich gehn!
S?ller [au?er sich]. Verflucht! Wie sie sich ziert! Grausamer! La? mich gehn! Das ist kapituliert. Pfui, sch?men Sie sich doch! Die abgedroschne Leier, Wenn's schon bergunter geht! Wer gibt mir einen Dreier Für ihre Tugend?
Sophie. Freund, noch diesen letzten Ku?, Und dann leb wohl!
Alcest. Du gehst?
Sophie. Ich gehe, denn ich mu?.
Alcest. Du liebst mich, und du gehst?
Sophie. Ich geh, weil ich dich liebe. Ich würde einen Freund verlieren, wenn ich bliebe. Es str?mt der Klagen Lauf am liebsten in der Nacht, An einem sichern Ort, wo nichts uns zittern macht. Man wird vertraulicher, je ruhiger man klaget; Allein für mein Geschlecht ist's stets zu viel gewaget. Die Liebe nennet sich zuerst Vertraulichkeit. Ein schmerzerweichtes Herz in dieser sichern Zeit Versagt dem Freunde nicht den Mund zu Freundschaftsküssen. Ein Freund ist auch ein Mensch.
S?ller. Sie scheint es gut zu wissen.
Sophie. Leb wohl!
Alcest. Vergi? es nie, da? ich der Deine sei.
S?ller [erholt]. Das Ungewitter zieht mir nah am Kopf vorbei. [Sophie geht ab. Alcest begleitet sie zur Haupttüre hinaus.]

Fünfter Auftritt
S?ller [im Alkoven]. O Tod! Er geht mit ihr! Weh mir, ich bin verloren! Heraus aus deinem Nest! [Er wagt sich halb aus dem Alkoven und horcht.] Ich bin auf beiden Ohren Entweder wirklich taub - Sie ist doch noch nicht fort! Und dennoch rührt sich nichts, ich h?re nicht ein Wort. Wie w?r es, wenn ich mich ein bi?chen n?her machte? [Er wagt sich langsam an die gro?e Türe.] Sie reden noch! Ganz leis! - Zum Henker! [Er meint, es k?me jemand, und f?hrt wie ein Blitz in den Alkoven.] Sachte! Sachte! Es k?mmt kein Mensch. [Er will wieder heraus.] Versuch's! [Er traut nicht.] Das ist zu viel gewagt. [In der ?u?ersten Karikatur von Verlegenheit.] Was fang ich an! Ich bin ein Hahnrei! [Er rennt mit dem Kopf wider die Wand.] Ah! es ragt An meiner Stirne schon das Zeichen meiner Würde Hervor. Was ist zu tun? [Er schl?gt auf die Tasche.] Komm, meine teure Bürde! Komm, rette dich mit mir, und leite mich zum Wein, Solang man trinken kann, l??t sich's noch glücklich sein. Der wohlgekr?nte Stand ist keiner von den b?sten; Als Hahnrei kann man sich eh als am Galgen tr?sten. [Eilig durch die Nebentüre fort.]

Sechster Auftritt
Alcest. Ihr gro?en Geister sagt, da? keine Tugend sei Und Liebe Sinnlichkeit und Freundschaft Heuchelei, Da? man kein einzig Herz mit festen Mauern finde, Da? nur Gelegenheit die St?rksten überwinde, Da? es, wenn man in uns das Laster je vermi?t, Beim Jüngling Bl?digkeit und Furcht beim M?dchen ist. Es zittert, spottet ihr, die unerfahrne Jugend. Doch ist
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