dem guten Weine
erwärmt, den sie mit Zufriedenheit genossen, verlangte sie endlich mit
ihrer noch viel ungeduldigeren Tochter etwas Näheres von Pankrazens
Schicksal zu wissen.
„Ausführlich," erwiderte dieser, „kann ich jetzt meine trübselige
Geschichte nicht mehr beginnen und es findet sich wohl die Zeit, wo
ich euch nach und nach meine Erlebnisse im einzelnen vorsagen werde.
Für heute will ich euch aber nur einige Umrisse angeben, soviel als
nötig ist, um auf den Schluß zu kommen, nämlich auf meine
Wiederkehr und die Art, wie diese veranlaßt wurde, da sie eigentlich
das rechte Seitenstück bildet zu meiner ehemaligen Flucht und aus dem
gleichen Grundtone geht. Als ich damals auf so schnöde Weise entwich,
war ich von einem unvertilgbaren Groll und Weh erfüllt; doch nicht
gegen euch, sondern gegen mich selbst, gegen diese Gegend hier, diese
unnütze Stadt, gegen meine ganze Jugend. Dies ist mir seither erst
deutlich geworden. Wenn ich hauptsächlich immer des Essens wegen
bös wurde und schmollte, so war der geheime Grund hiervon das
nagende Gefühl, daß ich mein Essen nicht verdiente, weil ich nichts
lernte und nichts tat, ja weil mich gar nichts reizte zu irgendeiner
Beschäftigung und also keine Hoffnung war, daß es je anders würde;
denn alles was ich andere tun sah, kam mir erbärmlich und albern vor;
selbst euer ewiges Spinnen war mir unerträglich und machte mir
Kopfweh, obgleich es mich Müßigen erhielt. So rannte ich davon in
einer Nacht in der bittersten Herzensqual und lief bis zum Morgen,
wohl sieben Stunden weit von hier. Wie die Sonne aufging, sah ich
Leute, die auf einer großen Wiese Heu machten; ohne ein Wort zu
sagen oder zu fragen, legte ich mein Bündel an den Rand, ergriff einen
Rechen oder eine Heugabel und arbeitete wie ein Besessener mit den
Leuten und mit der größten Geschicklichkeit; denn ich hatte mir
während meines Herumlungerns hier alle Handgriffe und Übungen
derjenigen, welche arbeiteten, wohlgemerkt, sogar öfter dabei gedacht,
wie sie dies und jenes ungeschickt in die Hand nähmen und wie man
eigentlich die Hände ganz anders müßte fliegen lassen, wenn man erst
einmal ein Arbeiter heißen wolle.
„Die Leute sahen mir erstaunt zu und niemand hinderte mich an meiner
Arbeit; als sie das Morgenbrot aßen, wurde ich dazu eingeladen; dieses
hatte ich bezweckt und so arbeitete ich weiter, bis das Mittagessen kam,
welches ich ebenfalls mit großem Appetit verzehrte. Doch nun
erstaunten die Bauersleute noch viel mehr und sandten mir ein
verdutztes Gelächter nach, als ich, anstatt die Heugabel wieder zu
ergreifen, plötzlich den Mund wischte, mein Bündelchen wieder ergriff
und ohne ein Wort weiter zu verlieren, meines Weges weiterzog. In
einem dichten kühlen Buchenwäldchen legte ich mich hin und schlief
bis zur Abenddämmerung; dann sprang ich auf, ging aus dem
Wäldchen hervor und guckte am Himmel hin und her, an welchem die
Sterne hervorzutreten begannen. Die Stellung der Sterne gehörte auch
zu den wenigen Dingen, die ich während meines Müßigganges gemerkt,
und da ich darin eine große Ordnung und Pünktlichkeit gefunden, so
hatte sie mir immer wohlgefallen, und zwar um so mehr, als diese
glänzenden Geschöpfe solche Pünktlichkeit nicht um Taglohn und um
eine Portion Kartoffelsuppe zu üben schienen, sondern damit nur taten,
was sie nicht lassen konnten, wie zu ihrem Vergnügen, und dabei wohl
bestanden. Da ich nun durch das allmähliche Auswendiglernen unsres
Geographiebuches, so einfach dieses war, auch auf dem Erdboden
Bescheid wußte, so verstand ich meine Richtung wohl zu nehmen und
beschloß in diesem Augenblick, nordwärts durch ganz Deutschland zu
laufen, bis ich das Meer erreichte. Also lief ich die Nacht hindurch
wieder acht gute Stunden und kam mit der Morgensonne an eine wilde
und entlegene Stelle am Rhein, wo eben vor meinen Augen ein mit
Kornsäcken beladenes Schiff an einer Untiefe aufstieß, indessen doch
das Wasser über einen Teil der Ladung wegströmte. Da sich nur drei
Männer bei dem Schiffe befanden und weit und breit in dieser Frühe
und in dieser Wildnis niemand zu ersehen war, so kam ich sehr
willkommen, als ich sogleich Hand anlegte und den Schiffern die
schwere Ladung ans Ufer bringen und das Fahrzeug wieder
flottmachen half. Was von dem Korne naßgeworden, schütteten wir auf
Bretter, die wir an die Sonne legten, und wandten es fleißig um, und
zuletzt beluden wir das Schiff wieder. Doch nahm dies alles den
größten Teil des Tages weg, und ich fand dabei Gelegenheit, mit den
Schiffsleuten unterschiedliche tüchtige Mahlzeiten zu teilen; ja, als wir
fertig waren, gaben sie mir sogar noch etwas Geld und setzten mich auf
mein Verlangen an das andere Ufer über mittelst des kleinen
Kähnchens, das sie hinter dem großen Kahne angebunden hatten.
Drüben befand ich mich in einem großen Bergwald und schlief sofort
bis es Nacht wurde, worauf ich mich abermals auf die Füße machte und
bis zum Tagesanbruch lief. Mit wenig Worten zu sagen: auf diese
nämliche Art gelangte ich in wenig

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