Die Leute von Seldwyla, vol 1
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Title: Die Leute von Seldwyla, Vol. 1
Author: Gottfried Keller
Release Date: October, 2004 [EBook #6696] [Yes, we are more than
one year ahead of schedule] [This file was first posted on January 16,
2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO-Latin-1
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DIE LEUTE
VON SELDWYLA, VOL. 1 ***
Delphine Lettau and the Online Distributed Proofreading Team.
GOTTFRIED KELLER
DIE LEUTE VON SELDWYLA
Erster Band
INHALT
Einleitung von Felix Rosenberg
Pankraz, der Schmoller
Romeo und Julia auf dem Dorfe
Frau Regel Amrain und ihr Jüngster
Die drei gerechten Kammacher
Spiegel, das Kätzchen. Ein Märchen
EINLEITUNG
Seldwyla bedeutet nach der älteren Sprache einen wonnigen und
sonnigen Ort, und so ist auch in der Tat die kleine Stadt dieses Namens
gelegen irgendwo in der Schweiz. Sie steckt noch in den gleichen alten
Ringmauern und Türmen, wie vor dreihundert Jahren, und ist also
immer das gleiche Nest; die ursprüngliche tiefe Absicht dieser Anlage
wird durch den Umstand erhärtet, daß die Gründer der Stadt dieselbe
eine gute halbe Stunde von einem schiffbaren Flusse angepflanzt, zum
deutlichen Zeichen, daß nichts daraus werden solle. Aber schön ist sie
gelegen mitten in grünen Bergen, die nach der Mittagseite zu offen sind,
so daß wohl die Sonne herein kann, aber kein rauhes Lüftchen.
Deswegen gedeiht auch ein ziemlich guter Wein rings um die alte
Stadtmauer, während höher hinauf an den Bergen unabsehbare
Waldungen sich hinziehen, welche das Vermögen der Stadt ausmachen;
denn dies ist das Wahrzeichen und sonderbare Schicksal derselben, daß
die Gemeinde reich ist und die Bürgerschaft arm, und zwar so, daß kein
Mensch zu Seldwyla etwas hat und niemand weiß, wovon sie seit
Jahrhunderten eigentlich leben. Und sie leben sehr lustig und guter
Dinge, halten die Gemütlichkeit für ihre besondere Kunst und, wenn sie
irgendwo hinkommen, wo man anderes Holz brennt, so kritisieren sie
zuerst die dortige Gemütlichkeit und meinen, ihnen tue es doch
niemand zuvor in dieser Hantierung.
Der Kern und der Glanz des Volkes besteht aus den jungen Leuten von
etwa zwanzig bis fünf-, sechsunddreißig Jahren, und diese sind es,
welche den Ton angeben, die Stange halten und die Herrlichkeit von
Seldwyla darstellen. Denn während dieses Alters üben sie das Geschäft,
das Handwerk, den Vorteil oder was sie sonst gelernt haben, d. h. sie
lassen, solange es geht, fremde Leute für sich arbeiten und benutzen
ihre Profession zur Betreibung eines trefflichen Schuldenverkehres, der
eben die Grundlage der Macht, Herrlichkeit und Gemütlichkeit der
Herren von Seldwyla bildet und mit einer ausgezeichneten
Gegenseitigkeit und Verständnisinnigkeit gewahrt wird; aber
wohlgemerkt, nur unter dieser Aristokratie der Jugend. Denn sowie
einer die Grenze der besagten blühenden Jahre erreicht, wo die Männer
anderer Städtlein etwa anfangen, erst recht in sich zu gehen und zu
erstarken, so ist er in Seldwyla fertig; er muß fallen lassen und hält sich,
wenn er ein ganz gewöhnlicher Seldwyler ist, ferner am Orte auf, als
ein Entkräfteter und aus dem Paradies des Kredites Verstoßener, oder
wenn noch etwas in ihm steckt, das noch nicht verbraucht ist, so geht er
in fremde Kriegsdienste und lernt dort für einen fremden Tyrannen,
was er für sich selbst zu üben verschmäht hat, sich einzuknöpfen und
steif aufrechtzuhalten. Diese kehren als tüchtige Kriegsmänner nach
einer Reihe von Jahren zurück und gehören dann zu den besten
Exerziermeistern der Schweiz, welche die junge Mannschaft zu
erziehen wissen, daß es eine Lust ist. Andere ziehen noch anderwärts
auf Abenteuer aus gegen das vierzigste Jahr hin, und in den
verschiedensten Weltteilen kann man Seldwyler treffen, die sich alle
dadurch auszeichnen, daß sie sehr geschickt Fische zu essen verstehen,
in Australien, in Kalifornien, in Texas, wie in Paris oder
Konstantinopel.
Was aber zurückbleibt und am Orte alt wird, das lernt dann
nachträglich arbeiten, und zwar jene krabbelige Arbeit von tausend
kleinen Dingen, die man eigentlich nicht gelernt, für den täglichen
Kreuzer, und
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