Die Leiden des jungen Werther vol 1 | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
Feinde verbirgt, weil er zu unterliegen f��rchtet.
Letzthin kam ich zum Brunnen und fand ein junges Dienstm?dchen, das ihr Gef?? auf die unterste Treppe gesetzt hatte und sich umsah, ob keine Kamer?din kommen wollte, ihr es auf den Kopf zu helfen. Ich stieg hinunter und sah sie an.--"Soll ich Ihr helfen, Jungfer?" sagte ich.--sie ward rot ��ber und ��ber.--"O nein, Herr!" sagte sie.--"Ohne Umst?nde".--sie legte ihren Kragen zurecht, und ich half ihr. Sie dankte und stieg hinauf.
Den 17. Mai
Ich habe allerlei Bekanntschaft gemacht, Gesellschaft habe ich noch keine gefunden. Ich wei? nicht, was ich Anz��gliches f��r die Menschen haben mu?; es m?gen mich ihrer so viele und h?ngen sich an mich, und da tut mir's weh, wenn unser Weg nur eine kleine Strecke miteinander geht. Wenn du fragst, wie die Leute hier sind, mu? ich dir sagen: wie ��berall! Es ist ein einf?rmiges Ding um das Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den gr??ten Teil der Zeit, um zu leben, und das bi?chen, das ihnen von Freiheit ��brig bleibt, ?ngstigt sie so, da? sie alle Mittel aufsuchen, um es los zu werden. O Bestimmung des Menschen!
Aber eine recht gute Art Volks! Wenn ich mich manchmal vergesse, manchmal mit ihnen die Freuden genie?e, die den Menschen noch gew?hrt sind, an einem artig besetzten Tisch mit aller Offen--und Treuherzigkeit sich herumzuspa?en, eine Spazierfahrt, einen Tanz zur rechten Zeit anzuordnen, und dergleichen, das tut eine ganz gute Wirkung auf mich; nur mu? mir nicht einfallen, da? noch so viele andere Kr?fte in mir ruhen, die alle ungenutzt vermodern und die ich sorgf?ltig verbergen mu?. Ach das engt das ganze Herz so ein.--Und doch! Mi?verstanden zu werden, ist das Schicksal von unsereinem.
Ach, da? die Freundin meiner Jugend dahin ist, ach, da? ich sie je gekannt habe!--ich w��rde sagen: du bist ein Tor! Du suchst, was hienieden nicht zu finden ist! Aber ich habe sie gehabt, ich habe das Herz gef��hlt, die gro?e Seele, in deren Gegenwart ich mir schien mehr zu sein, als ich war, weil ich alles war, was ich sein konnte. Guter Gott! Blieb da eine einzige Kraft meiner Seele ungenutzt? Konnt' ich nicht vor ihr das ganze wunderbare Gef��hl entwickeln, mit dem mein Herz die Natur umfa?t? War unser Umgang nicht ein ewiges Weben von der feinsten Empfindung, dem sch?rfsten Witze, dessen Modifikationen, bis zur Unart, alle mit dem Stempel des Genies bezeichnet waren? Und nun!--ach ihre Jahre, die sie voraus hatte, f��hrten sie fr��her ans Grab als mich. Nie werde ich sie vergessen, nie ihren festen Sinn und ihre g?ttliche Duldung.
Vor wenig Tagen traf ich einen jungen V. an, einen offnen Jungen, mit einer gar gl��cklichen Gesichtsbildung. Er kommt erst von Akademien d��nkt sich eben nicht weise, aber glaubt doch, er wisse mehr als andere. Auch war er flei?ig, wie ich an allerlei sp��re, kurz, er hat h��bsche Kenntnisse. Da er h?rte, da? ich viel zeichnete und Griechisch k?nnte (zwei Meteore hierzulande), wandte er sich an mich und kramte viel Wissens aus, von Batteux bis zu Wood, von de Piles zu Winckelmann, und versicherte mich, er habe Sulzers Theorie, den ersten Teil, ganz durchgelesen und besitze ein Manuskript von Heynen ��ber das Studium der Antike. Ich lie? das gut sein.
Noch gar einen braven Mann habe ich kennen lernen, den f��rstlichen Amtmann, einen offenen, treuherzigen Menschen. Man sagt, es soll eine Seelenfreude sein, ihn unter seinen Kindern zu sehen, deren er neun hat; besonders macht man viel Wesens von seiner ?ltesten Tochter. Er hat mich zu sich gebeten, und ich will ihn ehster Tage besuchen. Er wohnt auf einem f��rstlichen Jagdhofe, anderthalb Stunden von hier, wohin er nach dem Tode seiner Frau zu ziehen die Erlaubnis erhielt, da ihm der Aufenthalt hier in der Stadt und im Amthause zu weh tat.
Sonst sind mir einige verzerrte Originale in den Weg gelaufen, an denen alles unausstehlich ist, am unertr?glichsten Freundschaftsbezeigungen.
Leb' wohl! Der Brief wird dir recht sein, er ist ganz historisch.
Am 22. Mai
Da? das Leben des Menschen nur ein Traum sei, ist manchem schon so vorgekommen, und auch mit mir zieht dieses Gef��hl immer herum. Wenn ich die Einschr?nkung ansehe, in welcher die t?tigen und forschenden Kr?fte des Menschen eingesperrt sind; wenn ich sehe, wie alle Wirksamkeit dahinaus l?uft, sich die Befriedigung von Bed��rfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zweck haben, als unsere arme Existenz zu verl?ngern, und dann, da? alle Beruhigung ��ber gewisse Punkte des Nachforschens nur eine tr?umende Regignation ist, da man sich die W?nde, zwischen denen man gefangen sitzt, mit bunten Gestalten und lichten Aussichten bemalt--das alles, Wilhelm, macht mich stumm. Ich kehre in mich selbst zur��ck, und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahnung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft. Und da schwimmt alles vor meinen Sinnen, und ich l?chle dann so tr?umend weiter in die Welt.
Da? die Kinder nicht wissen, warum sie wollen, darin sind alle hochgelahrten Schul--und
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