Die Laune des Verliebten | Page 6

J.W. Goethe
lassen, Das sagt ich lange schon! Komm mit!
Lamon. Zum Tanz, zum Fest!
Amine. Und Eridon?
Egle. Geh nur! ich bleib. Gib acht, er laesst Sich fangen und geht mit. Sag, wuerde dich's nicht freuen?
Amine. Unendlich!
Lamon. Nun so komm! Hoerst du dort die Schalmeien? Die schoene Melodie? [Er fasst Aminen bei der Hand, singt, und tanzt.]
Egle [singt]. Und wenn euch der Liebste mit Eifersucht plagt, Sich ueber ein Nicken, ein Laecheln beklagt, Mit Falschheit euch necket, von Wankelmut spricht, Dann singet und tanzet, da hoert ihr ihn nicht. [Lamon zieht im Tanz Aminen mit sich fort.]
Amine [im Abgehen]. O bring' ihn ja mit dir!

Achter Auftritt
[Egle. Hernach Eridon mit einer Floete und Liedern.]
Egle. Schon gut! Wir wollen sehn! Schon lange wuenscht ich mir Gelegenheit und Glueck, den Schaefer zu bekehren. Heut' wird mein Wunsch erfuellt; wart nur, ich will dich lehren! Dir zeigen, wer du bist; und wenn du dann sie plagst! - Er kommt! Hoer, Eridon!
Eridon. Wo ist sie?
Egle. Wie! du fragst? Mit meinem Lamon dort, wo die Schalmeien blasen.
Eridon [wirft die Floete auf die Erde und zerreisst die Lieder]. Verfluchte Untreu!
Egle. Rasest du?
Eridon. Sollt' ich nicht rasen! Da reisst die Heuchlerin mit laechelndem Gesicht Die Kraenze von dem Haupt, und sagt: Ich tanze nicht! Verlangt ich das? Und - O! [Er stampft mit dem Fusse und wirft die zerrissenen Lieder weg.]
Egle [in einem gesetzten Tone]. Erlaub mir doch zu fragen: Was hast du fuer ein Recht, den Tanz ihr zu versagen? Willst du denn, dass ein Herz, von deiner Liebe voll, Kein Glueck als nur das Glueck um dich empfinden soll? Meinst du, es sei der Trieb nach jeder Lust gestillet, Sobald die Zaertlichkeit das Herz des Maedchen fuellet? Genug ist's, dass sie dir die besten Stunden schenkt, Mit dir am liebsten weilt, abwesend an dich denkt. Drum ist es Torheit, Freund, sie ewig zu betrueben; Sie kann den Tanz, das Spiel und doch dich immer lieben.
Eridon [schlaegt die Arme unter und sieht in die Hoehe]. Ah!
Egle. Sag mir, glaubst du denn, dass dieses Liebe sei, Wenn du sie bei dir haeltst? Nein, das ist Sklaverei. Du kommst: nun soll sie dich, nur dich beim Feste sehen; Du gehst: nun soll sie gleich mit dir von dannen gehen; Sie zaudert: alsobald verduestert sich dein Blick; Nun folgt sie dir, doch bleibt ihr Herz gar oft zurueck.
Eridon. Wohl immer!
Egle. Hoert man doch, wenn die Verbittrung redet. Wo keine Freiheit ist, wird jede Lust getoetet. Wir sind nun so. Ein Kind ist zum Gesang geneigt; Man sagt ihm: sing mir doch! Es wird bestuerzt und schweigt. Wenn du ihr Freiheit laesst, so wird sie dich nicht lassen; Doch, machst du's ihr zu arg, gib acht, sie wird dich hassen.
Eridon. Mich hassen!
Egle. Nach Verdienst. Ergreife diese Zeit, Und schaffe dir das Glueck der echten Zaertlichkeit! Denn nur ein zaertlich Herz, von eigner Glut getrieben, Das kann bestaendig sein, das nur kann wirklich lieben. Bekenne, weisst du denn, ob dir der Vogel treu, Den du im Kaefigt haelst?
Eridon. Nein!
Egle. Aber wenn er frei Durch Feld und Garten fliegt, und doch zuruecke kehret?
Eridon. Ja! Gut! Da weiss ich's.
Egle. Wird nicht deine Lust vermehret, Wenn du das Tierchen siehst, das dich so zaertlich liebt, Die Freiheit kennt, und dir dennoch den Vorzug gibt? Und kommt dein Maedchen einst von einem Fest zuruecke, Noch von dem Tanz bewegt, und sucht dich; ihre Blicke Verraten, dass die Lust nie ganz vollkommen sei, Wenn du, ihr Liebling, du, ihr Einzger, nicht dabei - Wenn sie dir schwoert, ein Kuss von dir sei mehr als Freuden Von tausend Festen - bist du da nicht zu beneiden?
Eridon [geruehrt]. O Egle!
Egle. Fuerchte, dass der Goetter Zorn entbrennt, Da der Beglueckteste sein Glueck so wenig kennt. Auf! Sei zufrieden, Freund! Sie raechen sonst die Traenen Des Maedchens, das dich liebt.
Eridon. Koennt ich mich nur gewoehnen, Zu sehn, dass mancher ihr beim Tanz die Haende drueckt, Der eine nach ihr sieht, sie nach dem andern blickt. Denk ich nur dran, mein Herz moecht da vor Bosheit reissen!
Egle. Eh! lass das immer sein! das will noch gar nichts heissen. Sogar ein Kuss ist nichts!
Eridon. Was sagst du? Nichts - ein Kuss?
Egle. Ich glaube, dass man viel im Herzen fuehlen muss, Wenn er was sagen soll - Doch! willst du ihr verzeihen? Denn wenn du boese tust, so kann sie nichts erfreuen.
Eridon. Ach Freundin!
Egle [schmeichelnd]. Tu es nicht, mein Freund; du bist auch gut. Leb wohl! [Sie fasst ihn bei der Hand.] Du bist erhitzt!
Eridon. Es schlaegt mein wallend Blut -
Egle. Noch von dem Zorn? Genug! Du hast es ihr vergeben. Ich eile jetzt zu ihr. Sie fragt nach dir mit Beben; Ich sag ihr: er ist gut, und sie beruhigt sich, Ihr Herz wallt zaertlicher, und heisser liebt sie dich. [Sie sieht ihn mit Empfindung an.] Gib acht, sie sucht dich auf, sobald das Fest vorueber, Und
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