Die Laune des Verliebten | Page 5

J.W. Goethe
andrer hat es nie.
Eridon. Und du ertraegst sie doch; nein, hassen sollst du sie.
Amine. Sie hassen? und warum?
Eridon. Darum! weil sie dich lieben.
Amine. Der schoene Grund!
Eridon. Ich seh's, du willst sie nicht betrueben. Du musst sie schonen; sonst wird deine Lust geschwaecht, Wenn du nicht -
Amine. Eridon, du bist sehr ungerecht. Heisst uns die Liebe denn die Menschlichkeit verlassen? Ein Herz, das Einen liebt, kann keinen Menschen hassen. Dies zaertliche Gefuehl laesst kein so schrecklichs zu, Zum wenigsten bei mir.
Eridon. Wie schoen verteidigst du Des zaertlichen Geschlechts hochmuetiges Vergnuegen, Wenn zwanzig Toren knien, die zwanzig zu betruegen! Heut ist ein grosser Tag, der deinen Hochmut naehrt, Heut wirst du manchen sehn, der dich als Goettin ehrt; Noch manches junge Herz wird sich fuer dich entzuenden, Kaum wirst du Blicke gnug fuer alle Diener finden. Gedenk an mich, wenn dich der Toren Schwarm vergnuegt; Ich bin der groesste! Geh!
Amine [fuer sich]. Flieh, schwaches Herz! Er siegt. Ihr Goetter! Lebt er denn, mir jede Lust zu stoeren? Waehrt denn mein Elend fort, um niemals aufzuhoeren? [zu Eridon.] Der Liebe leichtes Band machst du zum schweren Joch, Du quaelst mich als Tyrann, und ich? ich lieb dich noch! Mit aller Zaertlichkeit antwort ich auf dein Wueten, In allem geb ich nach; doch bist du nicht zufrieden. Was opfert ich nicht auf! Ach! dir genuegt es nie. Du willst die heutge Lust! Nun gut, hier hast du sie! [Sie nimmt die Kraenze aus den Haaren und von der Schulter, wirft sie weg und faehrt in einem gezwungenen ruhigen Tone fort.] Nicht wahr, mein Eridon? So siehst du mich viel lieber, Als zu dem Fest geputzt. Ist nicht dein Zorn vorueber? Du stehst! siehst mich nicht an! Bist du erzuernt auf mich?
Eridon [faellt vor ihr nieder]. Amine! Scham und Reu! Verzeih, ich liebe dich! Geh zu dem Fest!
Amine. Mein Freund, ich werde bei dir bleiben; Ein zaertlicher Gesang soll uns die Zeit vertreiben.
Eridon. Geliebtes Kind, geh!
Amine. Geh! hol' deine Floete her.
Eridon. Du willst's!

Sechster Auftritt
Amine. Er scheint betruebt, und heimlich jauchzet er. An ihm wirst du umsonst die Zaertlichkeit verlieren. Dies Opfer, ruehrt es ihn? Es schien ihn kaum zu ruehren; Er hielt's fuer Schuldigkeit. Was willst du, armes Herz? Du murrst, drueckst diese Brust. Verdient' ich diesen Schmerz? Ja, wohl verdienst du ihn! Du siehst, dich zu betrueben Hoert er nicht auf, und doch hoerst du nicht auf zu lieben. Ich trag's nicht lange mehr. Still! Ha! ich hoere dort Schon die Musik. Es huepft mein Herz, mein Fuss will fort. Ich will! Was drueckt mir so die bange Brust zusammen! Wie aengstlich wird es mir! Es zehren heftge Flammen Am Herzen. Fort, zum Fest! Ach, er haelt mich zurueck! Armsel'ges Maedchen! Sieh, das ist der Liebe Glueck! [Sie wirft sich auf einen Rasen, und weint; da die andern auftreten, wischt sie sich die Augen und steht auf.] Weh mir, da kommen sie, wie werden sie mich hoehnen!

Siebenter Auftritt
[Amine. Egle. Lamon.]
Egle. Geschwind! Der Zug geht fort! Amine! Wie? in Traenen?
Lamon [hebt die Kraenze auf]. Die Kraenze?
Egle. Was ist das? wer riss sie dir vom Haupt?
Amine. Ich!
Egle. Willst du denn nicht mit?
Amine. Gern, waer' es mir erlaubt.
Egle. Wer hat dir denn was zu erlauben? Geh, und rede Nicht so geheimnisvoll! Sei gegen uns nicht bloede! Hat Eridon -?
Amine. Ja! Er!
Egle. Das hatt' ich wohl gedacht. Du Naerrin, dass dich nicht der Schaden klueger macht! Versprachst du ihm vielleicht, du wolltest bei ihm bleiben, Um diesen schoenen Tag mit Seufzern zu vertreiben? Ich zweifle nicht, mein Kind, dass du ihm so gefaellst. [Nach einigem Stillschweigen, indem sie Lamon einen Wink gibt.] Doch du siehst besser aus, wenn du den Kranz behaeltst. Komm, setz ihn auf! und den, sieh! den haeng hier herueber! Nun bist du schoen. [Amine steht mit niedergeschlagenen Augen und laesst Egle machen. Egle gibt Lamon ein Zeichen.] Doch ach, es laeuft die Zeit vorueber; Ich muss zum Zug!
Lamon. Ja wohl! Dein Diener, gutes Kind.
Amine [beklemmt]. Lebt wohl!
Egle [im Weggehen]. Amine! nun, gehst du nicht mit? Geschwind! [Amine sieht sie traurig an und schweigt.]
Lamon [fasst Egle bei der Hand, sie fortzufuehren]. Ach, lass sie doch nur gehn! Vor Bosheit moecht' ich sterben; Da muss sie einem nun den schoenen Tanz verderben! Den Tanz mit Rechts und Links, sie kann ihn ganz allein, Wie sich's gehoert; ich hofft auf sie, nun faellt's ihr ein, Zu Haus zu bleiben! Komm, ich mag ihr nichts mehr sagen.
Egle. Den Tanz versaeumst du! Ja, du bist wohl zu beklagen. Er tanzt sich schoen. Leb wohl! [Egle will Aminen kuessen. Amine faellt ihr um den Hals und weint.]
Amine. Ich kann's nicht mehr ertragen.
Egle. Du weinst?
Amine. So weint mein Herz, und aengstlich drueckt es mich. Ich moechte! - Eridon, ich glaub, ich hasse dich.
Egle. Er haett's verdient. Doch nein! Wer wird den Liebsten hassen? Du musst ihn lieben, doch dich nicht beherrschen
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