hier anders aus,« rief der
Scheidende zurück, dann ein Händedruck, und auch der zweite Wagen
rollte davon.
Wilms aber stand mitten auf der Landstraße und sah ihm nach.
Eine seltsame, beklommene Freudigkeit befiel ihn. Und langsam und
sinnend schritt er in sein Haus zurück.
IV.
Es war an einem Sonntag.
Der Regen hatte aufgehört. Ein frischer Wind fuhr über die herbstlichen
Felder. Weit und mächtig spannte sich der blaue Himmel aus, und über
Baum und Strauch, Weg und Steg lag heller Sonnenschein.
Von der Stationsuhr des winzigen Sekundärbahnhofs von Boltenhagen
schlug es elf. -- Um diese Stunde mußte Wilms' junge Schwägerin
eintreffen.
Hinter dem Bretterverschlag, welcher den Warteraum vorstellte,
obwohl er vollständig unbedeckt war und mitten auf freiem Felde lag,
hielt der Pächter bereits seit einer Viertelstunde mit einem bequemen
Korbwagen und blickte nachdenklich auf die glänzenden Schienen, die
im Sonnenlichte gleißten und funkelten.
Er dachte daran, ob ihm auf dem eisernen Wege wohl etwas Gutes
entgegen rollen würde? Ob er in Hedwig jene Stütze und Hilfe finden
könnte, die er suchte? -- Merkwürdig, so oft er an das Mädchen dachte,
befiel ihn wieder dasselbe unangenehme Gefühl, das sie ihm als Kind
bereits eingeflößt. -- -- Aber sie konnte sich doch in der Zwischenzeit
geändert haben. Zwei Jahre bewirkten ja viel, und sie hatte gewiß in der
Stralsunder Pension sich außerordentlich vervollkommnet. Natürlich,
es war lächerlich, immerfort an dieser instinktiven Abneigung
herumzugrübeln.
Nein, er wollte -- -- --
Ein eleganter Jagdwagen fuhr in diesem Augenblick vor und schreckte
den Landmann aus seinen Betrachtungen auf. Gravitätisch stieg der
Kutscher in einer reichen, silberüberladenen Livree vom Bock, und
Wilms erkannte, daß sein Gutsherr Graf Brachwitz, derselbe, der so
streng auf die Eintreibung des Pachtgeldes bestanden, ebenfalls einen
Gast erwarten müsse. Jedoch der Landmann war nicht neugierig, der
Kutscher schritt vornehm an ihm vorüber, und um dieselbe Zeit
verkündete ein rasches Keuchen und Prusten das Nahen des Zuges. Mit
einem Sprung war Wilms an den Schienen, die Bahnhofsglocke erklang,
langsam und kreischend hielten ein paar Waggons mitten auf dem
freien Felde an. Und da -- aus einem Coupé sprang rasch und elastisch
eine schlanke und dabei doch voll und kräftig gewachsene
Mädchengestalt heraus, sah sich um, und hatte mit einem, einzigen,
klaren, zielbewußten Blick den Wartenden erkannt.
»Schwager.«
Wilms horchte auf. Die Stimme tönte so frisch und hell, so
willenskräftig, beinahe, als wenn sie das Befehlen gewohnt wäre. --
Seltsam, das Mädchen war auch zweiter Klasse gefahren; das war ja
eine Dame. Und als er nun endlich vor ihr stand, ihr die Hand
entgegenstreckte und ein paar ungeschickte Begrüßungsworte
hervorbrachte, da leuchteten ein paar große, braune Augen erst einen
Moment forschend in die seinen hinauf, dann reichte sie ihm
unbefangen den Mund, und mit einer gewissen peinlichen
Beklemmung mußte sich der große ungeschickte Mann herabbeugen,
um die roten Lippen einer ihm beinahe fremden Person zu küssen. Eine
fröstelnde, unangenehme Empfindung beschlich ihn dabei. -- Und diese
vornehme Gestalt sollte bei ihm die Wirtschaft führen? -- Rasch nahm
er ihr eine kleine Handtasche ab, und wollte sie eben zu seinem Wagen
geleiten, als er plötzlich von einem jungen Herrn im Jagdkostüm
angesprochen wurde, der sich ihm lachend in den Weg stellte.
»Halt, Herr Wilms, nicht so schnell -- na, Mensch, kennen Sie Ihre
alten Freunde nicht mehr?« Dabei lüftete der Jäger vor Hedwig höflich
die grüne Mütze, während er sich seine Doppelflinte gewandt an einem
Riemen über die Schulter warf. Wie er so dastand, bildete er den Typus
eines hübschen, jungen, eleganten Aristokraten, mit seinem schwarzen
Schnurrbärtchen in dem braunen Gesicht, und mit dem lässigen,
kraftbewußten Wesen seiner Kaste. Hinter ihm verharrte ein
Livreebedienter mit abgezogenem Hut, und an den Taschen des jungen
Herrn schnupperte ein brauner Jagdhund herum.
»Herr Fritz -- Herr Graf« -- fuhr Wilms heraus.
»Ach was,« schnitt der Weidmann ab und schüttelte dem Pächter
wohlwollend die Hand: »Sagen Sie, wie Sie Lust haben. Hier draußen
kommt's ja doch nicht drauf an. -- Habe nämlich quittieren müssen --
Papas Wunsch, verstehen Sie? Damit ich auf dem Gut vernünftig
werden soll. Als wenn ich nicht schon so vernünftig wäre, daß es einen
Hund jammern könnte,« setzte er hinzu und wandte sich wieder an
Wilms' Begleiterin.
»Gnädiges Fräulein besinnen sich wohl nicht mehr auf mich?« fuhr er
liebenswürdig fort. »Auch nicht auf den Pensionsball, wo ich das Glück
hatte, mehrfach bevorzugter Tänzer zu sein -- wirklich nicht? --
Allerdings, wenn man so belagert wird.« Und wieder lüftete er
freundlich die Mütze. -- »Sind Sie denn mit Herrn Wilms bekannt,
verwandt, verschwägert, oder wie ist das?«
»Jawohl, ich bin die Schwägerin des Herrn,« gab das Mädchen höflich
zu, und doch hörte der Landmann wieder einen kühlen abweisenden
Ton heraus, der sich mehr für eine Komtesse, als für die Tochter des
Rendanten Schröder aus Grimmen schickte. Auch der junge Graf
starrte ihr einen Augenblick betreten ins Gesicht,
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