Die Last | Page 5

Georg Engel
stand er auf und reckte sich. -- Acht Tage Zeit -- noch eine ganze Woche? -- Ja, bis dahin mu?te ja Rettung kommen, irgend woher, gleichviel, jedenfalls war vorl?ufig die entsetzlichste Last von seiner Seele gew?lzt. Tief atmete er auf, seine Brust hob und senkte sich rasch.
?Ja, alter Freund, natürlich, ich nehme es an, mit tausend Freuden, geben Sie her.?
Der H?ndler jedoch hielt noch einen Augenblick mi?trauisch inne.
?Herr Wilms, nehmen Sie mir's nicht übel, ich habe noch eine Bedingung.?
?Ach wohl wegen der Zinsen??
?Bewahre -- das wird sich schon finden, versteht sich, Zinsen auch. Nein, es betrifft etwas anderes, aber das sag' ich Ihnen sp?ter. Jetzt gehen Sie raus, und machen Sie Ihre Sache mit dem Blutsauger da drau?en ab. -- Vorw?rts.?
Damit z?hlte er eine Anzahl Kassenscheine auf den Tisch. Wilms griff danach und schritt ohne ein weiteres Wort auf den Hof hinaus, wo der Vollzugsbeamte in dem Viehstall sein Werk gerade beendet hatte.
In wenigen Minuten hielt der überraschte die fragliche Summe in der Hand, schrieb noch im Stehen eine Quittung, schüttelte Wilms die Hand, sprang auf seinen Wagen und rasselte vom Hof herunter.
Das Werk eines Augenblicks, es war alles wie ein verflie?ender, b?ser Traum. Wilms und Rosenblüt standen unter dem morschen Tor und blickten dem entschwindenden Gef?hrt nach. Als es jedoch hinter dem Tannenschlag in einer Senkung der Chaussee untergetaucht war, pflanzte sich der H?ndler vor seinem ernsten Gesch?ftsfreund auf, steckte die eine Hand in die Tasche und klapperte mit seinem Stock an den Stangen des Zaunes hin und her.
?H?ren Sie mal, alter Freund,? begann er endlich unruhig und spie vor sich hin. ?Jetzt will ich Ihnen auch sagen, was ich von Ihnen verlange. Wenn ich um mein Geld unbesorgt sein soll, dann müssen Sie sich wieder ausschlie?lich um Ihre Wirtschaft kümmern. -- Und das k?nnen Sie nur, wenn Sie sich bei Ihrer Frau eine Vertretung anschaffen. 'ne Pflegerin, oder so was ?hnliches. Es gibt ja Krankenschwestern genug. Auch kann ich mich ja mal in Grimmen danach umsehen.?
Wilms strich mit der Hand über die Stirn. Das, was er eben vernommen, klang wie eine eherne Anklage in ihm fort. ?Ja, ja,? murmelte er halb für sich, ?ich habe ja auch schon daran gedacht -- aber es geht doch nicht.?
?Geht nicht??
Herr Rosenblüt fing an, sich zu ?rgern.
?Ja, warum denn nicht??
?Weil meine Frau keine Fremde im Hause dulden will. -- Ich mu? ihr den Willen tun, dem armen, gequ?lten Weib.?
?Zum Teufel, dann lassen Sie doch eine Verwandte kommen. -- Und ja -- h?ren Sie mal? --
Der Redende richtete sich pl?tzlich auf und schlug dem Hofbesitzer energisch auf die Schulter -- ?Donnerwetter, da f?llt mir etwas ein. Wilms, Ihre kleine Schw?gerin ist ja vor ein paar Tagen aus Stralsund zurückgekommen. Ich sah sie gerade aus dem Wagen steigen, als sie in das Haus Ihres Schwiegervaters ging. Ein strammes Ding, so gro?? -- Herr Rosenblüt zeigte eine gigantische H?he -- ?die nehmen Sie sich -- die wird hier schon Ordnung schaffen. Na, und wenn Sie wollen, will ich selbst in Grimmen mit dem Alten ein paar Worte reden. -- Na also??
Wilms war gepackt. Fest starrte er den H?ndler mit seinen überbuschten, blauen Augen an und sann nach. Zwar kannte er die jüngere Schwester seiner Frau kaum. Als er damals um Else freite, war die kleine Hedwig ein sechzehnj?hriges, schweigsames scheues M?dchen gewesen, dem er nicht viel Beachtung geschenkt hatte. Ja, er besann sich, da? ihr eigentümlich lauerndes, verschlossenes Wesen ihn manchmal verdrossen, aber doch -- -- der praktische H?ndler hatte offenbar das Rechte getroffen.
Gegen ihre Schwester konnte Else nichts einwenden. Und vor allen Dingen: er wurde frei, frei und unbehindert für sein mühseliges Gewerbe. -- Noch einen Augenblick schwankte er, noch einmal überflog er kurz das Fenster der Krankenstube, dann erkl?rte er dem H?ndler entschlossen, da? er seinen Rat befolgen würde. Noch heute sollte ein Brief an den Schwiegervater des Landmanns, den alten Rendanten Schr?der zu Grimmen, abgehen.
?Bravo! -- ein Mann ein Wort, Herr Wilms,? mahnte der Kaufmann dringend, als er seinen harrenden Wagen bestieg, ?nicht wahr??
Der Angeredete nickte mit dem gewaltigen Haupt:
?Seien Sie unbesorgt, Herr Rosenblüt.?
?Und wenn ich wiederkomm', sieht es hier anders aus,? rief der Scheidende zurück, dann ein H?ndedruck, und auch der zweite Wagen rollte davon.
Wilms aber stand mitten auf der Landstra?e und sah ihm nach.
Eine seltsame, beklommene Freudigkeit befiel ihn. Und langsam und sinnend schritt er in sein Haus zurück.

IV.
Es war an einem Sonntag.
Der Regen hatte aufgeh?rt. Ein frischer Wind fuhr über die herbstlichen Felder. Weit und m?chtig spannte sich der blaue Himmel aus, und über Baum und Strauch, Weg und Steg lag heller Sonnenschein.
Von der Stationsuhr des winzigen Sekund?rbahnhofs von Boltenhagen schlug es elf. -- Um diese Stunde mu?te Wilms' junge Schw?gerin eintreffen.
Hinter dem Bretterverschlag, welcher den Warteraum vorstellte, obwohl er vollst?ndig unbedeckt war und mitten auf freiem Felde lag, hielt der P?chter bereits seit einer Viertelstunde mit einem bequemen
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