Leonore hatte ein grünes Jäckchen an, ihr Kopf war unbedeckt. Sie sah
herrlich aus. Einmal merkte ich, wie sie zusammenschauerte. Es war
die Abendluft über dem Wasser. Ich lenkte zum Bootssteg zurück.
Plaudernd schritten wir über den Rasen zum Schloß hinan. Leonore
lachte ein paarmal hell auf, ich weiß nicht mehr worüber. Das Lachen
höre ich noch, es war wie das Plätschern eines Brunnens. Ich fühlte
immer deutlicher, daß ich sie malen müßte. Als ich ihr Gutenacht
wünschte, sagte sie: »Morgen zeigen Sie mir Ihre Bilder.«
»Gewiß!« sagte ich. Meine Augen umfingen ihren Kopf mit dem
schwarzen Haar wie ein Gemälde.
In meinem Zimmer brannte die Lampe schon. Ich setzte mich hin,
nahm Kreide und Papier und suchte den Umriß von Leonores Kopf zu
zeichnen. Dann machte ich einen Umriß von ihrer ganzen Figur. Dann
wieder nur die Stirn mit dem Haar. Dann strich ich alles aus, da alles
Unsinn war.
Ich zündete eine Zigarette an und schritt im Zimmer auf und ab. Ein
schöner Kopf, ein süßer Kopf. Am schönsten so: halbes Profil und ein
klein wenig nach unten geneigt. Bei Tisch hatte ich sie so gesehen und
dicht vor mir im Kahn. So, dachte ich, müßte sie mir einmal sitzen, mit
dieser geneigten Nase, mit dieser großen Linie des Haares. Ich ging
wieder an den Tisch und machte von neuem ein paar Zeichnungen aus
der Erinnerung. Warum war dieses Mädchen jetzt nach Carnin
gekommen! Sie nahm mir beinahe das Interesse an meinen großen
Bildern fort, an denen ich noch zu arbeiten hatte. Wäre sie doch
geblieben, wo sie war! Unwillig warf ich die Kreide fort, entkleidete
mich und legte mich schlafen. Draußen schrie eine Eule in den Ulmen.
Durch die Dunkelheit sah ich noch immer ein junges, holdes Profil,
Züge von einer verhaltenen Leidenschaft, zartrosige Wangen und
schwarzes Haar ... Pastell, dachte ich, in Pastell muß man es machen.
Lockere, leichte Farben, das Ganze nur wie ein Hauch. Mit diesen
Gedanken schlief ich ein.
Der nächste Tag war der Sonnabend vor dem Fest. Ich stand früh auf
und nahm das Frühstück auf meinem Zimmer. Dann schleppte ich eins
der Bilder in den Park, um es im Frühlicht fertig zu machen. Es stellte
ein Rosenbeet dar, rechts und links hohe Taxusbäume, hinten ein altes
Gartenhäuschen mit hohem Dach. Ich malte also. Während ich malte,
dachte ich: das Bild ist leer, es ist unvollständig. Vor dem Hause fehlt
etwas. Die Gestalt der Leonore Helfinger müßte vor dem Gartenhaus
stehen, rechts von der Tür, und sich neigen, um eine Blume zu pflücken.
Ich kniff die Augen zu und stellte mir vor, wie das Bild dann aussehen
würde. Gut, gut. Aber es war ja zu spät! Schade um dich, du leeres Bild.
Ich seufzte und malte weiter, unlustig und unzufrieden.
Ich hörte Lachen, blickte mich um und sah die beiden Freundinnen im
Sonnenlicht daherschlendern. Sie waren beide in Weiß und hatten gelbe,
großkrempige Strohhüte auf.
»Guten Morgen, Herr Maler!« rief Leonore lachend. »Schon so früh bei
der Arbeit?«
»Ja, aber es fleckt nicht«, erwiderte ich, »ich bin unzufrieden.«
»Wie schade!« sagte sie, indem sie meine Malerei betrachtete. »Ihr
Bild gefällt mir, das ist wirklich der tauige Morgen, der da webt. Ich
fände es freilich schöner, wenn eine Figur vor dem Häuschen stünde.
Das Bild würde voller dadurch. Finden Sie nicht?«
Ich mußte lächeln.
»Gewiß finde ich das«, entgegnete ich. »Vielleicht haben Sie die
Freundlichkeit, sich einmal dort vor dem Hause aufzustellen, damit ich
die Wirkung sehe.«
Sie lief hinüber.
Komteß Anna sprach: »Leonore hat recht, -- sehen Sie, wie reizend sie
dort zwischen den Blumen steht?«
»Ja«, sagte ich, »schade, daß ich nicht eher darauf gekommen bin!
Schade! Wenn Sie wüßten, Komteß, wie Ihre Freundin mich malerisch
entzückt!« Zu Leonore rief ich hinüber: »Kommen Sie, ich werde sonst
traurig, wenn ich Sie noch länger so stehen sehe. Warum sind Sie nicht
eher nach Carnin gekommen? Wie gern würde ich Sie malen! Ich
möchte eine Skizze von Ihnen machen, heute nachmittag, darf ich?«
»Gern.«
»Hier im Park, in der Sonne, ich freue mich darauf.«
Komteß Anna drängte, zu gehen. Die Mädchen wollten eine
Morgenwanderung in die Marsch unternehmen. Sie verabschiedeten
sich und verschwanden zwischen den Bäumen. Ich sah die hellen
Kleider sich verlieren im Dunkelgrün. Dann arbeitete ich weiter, voll
Mißmut. Ich sehnte mich nach andrer Arbeit, aber ich mußte doch
meine armen Bilder fertig machen ...
Gegen Mittag kam ich, eine Leinwand unter dem Arm, vom Park her
über den Rasenplatz vor dem Schloß. Ich hörte schon aus der Ferne
Lachen und Rufe. Die Mädchen spielten Tennis, mit Charlotte und dem
Assessor. Fred und Klaus hoben die Bälle auf. Ich blieb, um die Ecke
des Schlosses biegend, stehen und sah gerade, wie Leonore, den
Schläger mit allen Kräften schwingend, sich hoch auf den Zehen erhob
und den Ball durch die Lüfte jagte. Sie stieß einen
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