Die Kurtisane Jamaica | Page 4

Hans Bethge
etwas!«
Meine Worte klangen, als ob sie vor ihr auf den Knien lägen, -- aber sie
lächelte.
»Nein, nie!« sagte sie bestimmt.

»Du willst nicht?« rief ich gekränkt und hart.
»Nie!«
Die Wut packte mich. Sie widersetzte sich diesem Wunsch, sie sträubte
sich gegen dieses Geschenk, durch das ich mich ihr ganz zu eigen
geben wollte?
»Ich will es!« rief ich noch einmal. »Ich werde Dich zwingen!«
»Ich hasse Dich!« schrie sie mir nun entgegen, während ihre Augen vor
Zorn erglühten. »Ich verachte Dich! Ich liebe den Engländer!«
Da hob ich die Reitpeitsche und ließ sie mit Wucht auf ihren schönen
Rücken niedersausen. Sie stieß einen verängsteten Schrei aus, wobei sie
wie ein Kind in sich zusammensank, und ihr Pferd ging durch.
Ich sah, wie sie rasend fortjagte, und konnte nichts dagegen tun. Hallo,
dachte ich, was wird das werden? Sie hielt sich eine Weile, dann
merkte ich, die Kräfte verließen sie, sie taumelte hin und her und fiel
schließlich zu Boden. Glücklicherweise blieb sie nicht im Bügel
hängen, ich atmete auf. Das Pferd machte kurz darauf halt, sah sich
verwundert um und sprang in kleinen Sätzen verlegen hin und her.
Ich eilte herzu, stieg ab und hob Jamaica auf. Sie war kreideblaß und
halb ohnmächtig.
»Verzeih«, sagte ich; sie entgegnete nichts und sah mich nicht an. Sie
atmete hastig und lehnte sich ein ganz klein wenig an mich, sehr
ermattet.
»Verzeih«, sagte ich nochmals. Schließlich gab ich ihr die Zügel
meines Pferdes und ging hin, um das ihrige einzufangen. Es ließ sich
ganz willig festnehmen; es war durchnäßt und dampfte wie ein
Schornstein. Ich führte es zu Jamaica, diese hatte sich vor Schwäche in
den Sand gekauert; da hockte sie, schön und blaß wie eine Perle, es sah
rührend aus. Jetzt erhob sie sich, ich merkte, sie wollte das Pferd
wieder besteigen.

»Hilf mir«, sagte sie.
Ich half ihr in den Sattel und sprang dann selbst auf.
»Ich reite allein nach Haus«, sagte sie tonlos. Ich wagte nichts zu
erwidern. Im Schritt, ganz gebrochen, ritt sie am Meere entlang
heimwärts, ein trauriges Bild.
Ich trabte in die entgegengesetzte Richtung. Noch oft sah ich mich
um, -- es war immer derselbe melancholische Anblick: in müdem
Schritt trottete der dampfende Gaul dahin, die müde Jamaica über sich.
Ich bog in die Wälder ein, kam an einem See, an Forsthäusern, an
mehreren Dörfern vorüber und zögerte stundenlang, ehe ich heimritt.
Als ich abends heimkam, war Jamaica fort, ohne ein Wort hinterlassen
zu haben. Durch den Wirt erfuhr ich, daß auch der Engländer abgereist
sei. Ich mußte lächeln, obwohl mir übel zumute war. Ich zündete mir
eine Zigarre an, setzte mich auf die Balustrade der Veranda und sah
lange aufs Meer, trotzig, allein, mit wirren, durcheinander stürmenden
Gefühlen.
Am nächsten Tage reiste ich auch, nicht nach Haus, sondern zu einem
Freunde aufs Land. Wir saßen stundenlang, während die Sonne brannte,
in einem Boot und angelten, schossen nach Raubvögeln, schwammen,
ritten, sahen den Pfauen zu, wie sie auf der Wiese Rad schlugen und
schrieen: Päo! Päo! -- und abends kamen der Förster und der Pastor des
nächsten Dorfes, um mit uns zu zechen.
Als ich nach Wochen braungebrannt wieder in der Stadt eintraf und in
einer Droschke vom Bahnhof aus meiner Wohnung zustrebte, sah ich
Jamaica an mir vorüberfahren, in einem reizenden Sommerkleid, das
ich noch nicht kannte. Sie saß an der Seite des Engländers, ihr Gesicht
war von unaussprechlicher Heiterkeit. Wie eine biegsame Blume des
Südens saß sie da, aufrecht und stolz den schönen Rücken, den ich
schlug.
Lebwohl, Jamaica. Lebwohl.

Schloß Carnin
Ich, Konrad Tedrahn, Kunstmaler von Beruf, erzähle eine Geschichte.
Ich spiele eine traurige Rolle darin, dennoch erzähle ich sie.
Ich war zu Gast bei dem Grafen Lockwitz auf Schloß Carnin. Das
Schloß ist ein altes Herrenhaus mit hohen Fenstern und einer Terrasse
vor der Auffahrt. Auf dieser Terrasse saßen wir oft. Sie war das
Zentrum, wo man sich traf, -- hier nahmen wir den Kaffee nach Tisch,
hier saßen wir an den Abenden, in leichte Mäntel gehüllt, plauderten
und pafften blauen Rauch in die Luft, während aus den Wiesen das
Gebrüll weidender Kühe herüberdrang oder vom Dorfe her ein Lied der
jungen Mädchen, die durch den Abend gingen.
Ein runder Rasenplatz, von Kieswegen eingefaßt, lag vor der Terrasse.
Dann ging der Blick in eine Allee gekappter Linden, welche die
Zufahrt zum Schlosse bildete. Hinter der Allee sah man Felder und in
ihnen eine Mühle mit Sparrenflügeln. Der Raps blühte in den Feldern,
zitronengelb, und Wolken seines Duftes quollen herüber, wenn ein
Luftzug kam. Zu beiden Seiten des Schlosses lag der Park. Er hatte
köstliche alte Bäume, die weit in das Land ragten, und war von einem
Gewässer durchflossen, das sich an manchen Stellen teichartig
erweiterte, und in dessen versteckten Winkeln giftgrüne Algen und
unentwirrbarer Froschlöffel wucherten. Hatte man den Park
durchwandert, so kam
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 35
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.