war kunstliebend und zeichnete mit Geschmack. Wir sa?en oft vor den gleichen Motiven, ich malte und er zeichnete. Die Gr?fin, scheinbar jünger als ihre Jahre, war musikalisch. Nicht selten, wenn ich im Park sa?, drangen ihre Melodien herüber: sie spielte Klavier und sang mit einer seelisch bewegten Stimme. Zuweilen sang sie auch kleine Lieder zur Laute, abends, wenn wir auf der Terrasse sa?en. Tagsüber widmete sie sich ihren Kindern. Die ?lteste Tochter, Komte? Anna, war siebzehn Jahre alt und schien eher die Schwester der Gr?fin zu sein. Auch ?u?erlich ?hnelte sie der Mutter, nur da? sie gr??er war. Ja, wenn die beiden schlanken Gestalten Arm in Arm durch den Garten gingen, und man sah sie von weitem, so h?tte man schw?ren m?gen, da? sie Schwestern seien.
Dann kam ein dreizehnj?hriges Komte?lein namens Charlotte, ein ernstes Kind mit zarten Gliedern und einem regen Geist. Sie machte Verse und schrieb sie in ein rosaseidenes Buch, sie ging oft allein und nachdenklich unter den B?umen des Parkes oder fuhr in der Gondel, Blumen im Scho?, und man h?rte dann, wenn man in der N?he vorüberging, wie sie sang. Sie war ein reich und fast zu frühe entwickeltes Kind, und ihre tr?umerischen Augen waren oft weit entfernt, in heimlichen Regionen der Wünsche und der Gedanken. Sie hatte Tage, an denen sie sich müde fühlte und bleich aussah, und gerade an solchen Tagen trieb es sie, ihre Verslein zu dichten und sich einsamen Gedanken hinzugeben. Wir hatten Freundschaft geschlossen und wandelten h?ufig zusammen die Lindenallee hinunter in die Felder, pflückten Feldblumen und sahen den Flügeln der Mühle zu, die, wenn man n?her kam, unheimlich durch die Luft rauschten und knarrten, so da? man, wenn es gerade d?mmerte, Angst verspürte und am liebsten schnell davongelaufen w?re.
Ferner gab es zwei Buben von acht und zehn Jahren, Fred und Klaus, zu allen tollen Streichen aufgelegt, zu denen sie nicht selten auch mich zu verführen suchten. Sie wurden von einem Hauslehrer unterrichtet, einem jungen blau?ugigen Theologen aus Husum. Au?erdem war eine Gouvernante da, ein gescheites Wesen, das mehr zu beobachten als mitzuerleben liebte. Das waren die Menschen auf Schlo? Carnin.
Ich hatte die blonde Charlotte gemalt, wie sie auf einer Bank unter einer blühenden Kastanie sa?, dicht neben dem Schlo?graben, über den eine wei?e Brücke führte. Ich hatte die beiden Jungen gemalt, wie sie im Grase lagen. Und in der D?mmerung hatte ich das Schlo? gemalt, als ein graues, mystisches, weltentlegenes Haus, mit den wei?en, geheimnisvollen Gestalten der Gr?fin und der Komte? Anna auf der Terrasse. Dies Bild schien mir das beste zu sein, das ich auf Carnin gemacht hatte. Es hatte etwas Mystisches, die Luft der D?mmerung war weich und lau, man spürte den Frühling darin.
Nun kam Pfingsten. Komte? Anna erwartete den Besuch einer Freundin, der Graf den eines jungen Freundes, eines Assessors aus der Kreisstadt. Zwei Tage vor dem Fest kamen die beiden an. Die Komte? war ihrer Freundin bis zur Eisenbahnstation entgegengefahren. Es war gegen Abend, ich hatte bei Tag im Sonnenlicht gemalt, nun schlenderte ich mit Charlotte durch den Park, dann durch die Felder, wo wir im Westen die Glut des Himmels anstaunten, in der ungeheure goldene Wolken schwammen. Charlotte hatte ein leichtes Sommerkleid an, das die dünnen ?rmchen freilie?. Die Luft war schwül und windstill, und der gelbe Raps duftete verschwenderisch. Wir gingen schweigend. Da fuhr die Kleine pl?tzlich auf, wies zur Landstra?e hinüber und rief: ?Sie kommen!?
Man sah den Jagdwagen mit den Schimmeln, eine Staubwolke schwebte hinter ihm. Charlotte und ich fa?ten uns bei der Hand und liefen zur Landstra?e hinüber. Dort pflanzten wir uns auf und winkten mit den Taschentüchern, w?hrend der Wagen vorüberfuhr. Auch Komte? Anna winkte und die Freundin und der Assessor. Die Freundin war schwarzhaarig, sie hatte sch?ne, freie Augen und einen ernsten Mund. Es war etwas Sicheres und Feines an ihr, eine bezaubernde Anmut. Ich sah sie gleich als Bild in meiner Vorstellung. Ein feines Kind, dachte ich, das w?re etwas für deinen Pinsel, Tedrahn!
Ich schlenderte mit Charlotte zum Schlo? zurück. Wir hatten den Wagen so lange vor uns, bis er in die Lindenallee einbog. Charlotte hatte unterwegs Blumen gepflückt, sie gab mir davon ab, als ich auf mein Zimmer ging, um mich zum Essen umzukleiden. Ich wohnte nicht im Schlosse selbst, sondern in einem alten wei?en Hause, das quer daneben lag, und das man das ?Kavalierhaus? nannte.
Als ich dann zum Schlo? hinüberschritt, stand Komte? Anna mit ihrer Freundin auf der Terrasse. Die Komte? hatte ein wei?es Tuch um die Schultern und rote Monatsrosen auf der Brust. Die Freundin war kleiner von Gestalt. Ich wu?te, da? sie auch siebzehnj?hrig war. Sie hatte ein bordeauxrotes Tuchkleid an, das Haar lag ihr üppig im Nacken. Ich schritt die Stufen zur Terrasse hinauf, Komte? Anna stellte vor: ?Herr Konrad Tedrahn, Kunstmaler von Beruf, Fr?ulein Leonore Helfinger aus Lübeck.?
?Ah, Lübeck!? sagte ich sofort, ?ich
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