Die Juden | Page 9

Gotthold Ephraim Lessing
l?cherlich, wenn ich so gewissenhaft sein wollte. Allein mit einem Liebesverst?ndnisse ist es ganz etwas anders! Hier wird die schlechteste Kleinigkeit zu einem wichtigen Punkte. Also glauben Sie nur nicht, da? Sie die geringste Gef?lligkeit von mir erhalten werden, wenn Sie meiner Neugierde nicht in allen Stücken ein Gnüge tun.
Christoph. Nu? wie weit erstreckt sich denn die?
Lisette. Weil man doch einen Diener am besten nach seinem Herrn beurteilen kann, so verlange ich vor allen Dingen zu wissen--
Christoph. Wer mein Herr ist? Ha! ha! das ist lustig. Sie fragen mich etwas, das ich Sie gern selbst fragen m?chte, wenn ich glaubte, da? Sie mehr wü?ten, als ich.
Lisette. Und mit dieser abgedroschnen Ausflucht denken Sie durchzukommen? Kurz, ich mu? wissen, wer Ihr Herr ist, oder unsre ganze Freundschaft hat ein Ende.
Christoph. Ich kenne meinen Herrn nicht l?nger, als seit vier Wochen. So lange ist es, da? er mich in Hamburg in seine Dienste genommen hat. Von da aus habe ich ihn begleitet, niemals mir aber die Mühe genommen, nach seinem Stande oder Namen zu fragen. So viel ist gewi?, reich mu? er sein; denn er hat weder mich noch sich auf der Reise notleiden lassen. Und was brauch ich mich mehr zu bekümmern?
Lisette. Was soll ich mir von Ihrer Liebe versprechen, da Sie meiner Verschwiegenheit nicht einmal eine solche Kleinigkeit anvertrauen wollen? Ich würde nimmermehr gegen Sie so sein. Zum Exempel, hier habe ich eine sch?ne silberne Schnupftabaksdose--
Christoph. Ja? nu?--
Lisette. Sie dürften mich ein klein wenig bitten, so sagte ich Ihnen, von wem ich sie bekommen habe--
Christoph. Oh! daran ist mir nun eben so viel nicht gelegen. Lieber m?chte ich wissen, wer sie von Ihnen bekommen sollte?
Lisette. über den Punkt habe ich eigentlich noch nichts beschlossen. Doch wenn Sie sie nicht sollten bekommen, so haben Sie es niemanden anders, als sich selbst zuzuschreiben. Ich würde Ihre Aufrichtigkeit gewi? nicht unbelohnt lassen.
Christoph. Oder vielmehr meine Schwatzhaftigkeit! Doch, so wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, wann ich dasmal verschwiegen bin, so bin ich's aus Not. Denn ich wei? nichts, was ich ausplaudern k?nnte. Verdammt! wie gern wollte ich meine Geheimnisse ausschütten, wann ich nur welche h?tte.
Lisette. Adieu! ich will Ihre Tugend nicht l?nger bestürmen. Nur wünsch ich, da? sie Ihnen bald zu einer silbernen Dose und einer Liebsten verhelfen m?ge, so wie sie Sie jetzt um beides gebracht hat. (Will geben.)
Christoph. Wohin? wohin? Geduld! (Beiseite.) Ich sehe mich gen?tigt, zu lügen. Denn so ein Geschenk werde ich mir doch nicht sollen entgehn lassen? Was wird's auch viel schaden?
Lisette. Nun, wollen Sie es n?her geben? Aber,--ich sehe schon, es wird Ihnen sauer. Nein, nein; ich mag nichts wissen--
Christoph. Ja, ja, Sie soll alles wissen!--(Beiseite.) Wer doch recht viel lügen k?nnte!--H?ren Sie nur!--Mein Herr ist--ist einer von Adel. Er k?mmt,--wir kommen miteinander aus--aus--Holland. Er hat müssen--gewisser Verdrü?lichkeiten wegen--einer Kleinigkeit--eines Mords wegen--entfliehen--
Lisette. Was? eines Mords wegen?
Christoph. Ja,--aber eines honetten Mords--eines Duells wegen entfliehen.--Und jetzt eben--ist er auf der Flucht--
Lisette. Und Sie, mein Freund?--
Christoph. Ich, bin auch mit ihm auf der Flucht. Der Entleibte hat uns--will ich sagen, die Freunde des Entleibten haben uns sehr verfolgen lassen; und dieser Verfolgung wegen--Nun k?nnen Sie leicht das übrige erraten.--Was Geier, soll man auch tun? überlegen Sie es selbst; ein junger naseweiser Laffe schimpft uns. Mein Herr st??t ihn übern Haufen. Das kann nicht anders sein!--Schimpft mich jemand, so tu ich's auch,--oder--oder schlage ihn hinter die Ohren. Ein ehrlicher Kerl mu? nichts auf sich sitzen lassen.
Lisette. Das ist brav! solchen Leuten bin ich gut; denn ich bin auch ein wenig unleidlich. Aber sehen Sie einmal, da k?mmt Ihr Herr! sollte man es ihm wohl ansehn, da? er so zornig, so grausam w?re?
Christoph. O kommen Sie! wir wollen ihm aus dem Wege gehn. Er m?chte mir es ansehn, da? ich ihn verraten habe.
Lisette. Ich bin's zufrieden--
Christoph. Aber die silberne Dose--
Lisette. Kommen Sie nur. (Beiseite.) Ich will erst sehen, was mir von meinem Herrn für mein entdecktes Geheimnis werden wird: Lohnt sich das der Mühe, so soll er sie haben.

Funfzehnter Auftritt
Der Reisende.
Der Reisende. Ich vermisse meine Dose. Es ist eine Kleinigkeit; gleichwohl ist mir der Verlust empfindlich. Sollte mir sie wohl der Vogt?--Doch ich kann sie verloren haben,--ich kann sie aus Unvorsichtigkeit herausgerissen haben.--Auch mit seinem Verdachte mu? man niemand beleidigen.--Gleichwohl,--er dr?ngte sich an mich heran; --er griff nach der Uhr:--ich ertappte ihn; k?nnte er auch nicht nach der Dose gegriffen haben, ohne da? ich ihn ertappt h?tte?

Sechzehnter Auftritt
Martin Krumm. Der Reisende.
Martin Krumm (als er den Reisenden gewahr wird, will er wieder umkehren). Hui!
Der Reisende. Nu, nu, immer n?her, mein Freund!--(Beiseite.) Ist er doch so schüchtern, als ob er meine Gedanken wü?te!--Nu? nur n?her!
Martin Krumm (trotzig). Ach! ich habe nicht Zeit! Ich wei? schon, Sie wollen mit mir plaudern. Ich habe wichtigere Sachen zu tun. Ich mag Ihre Heldentaten nicht zehnmal h?ren. Erz?hlen Sie sie jemanden, der sie noch nicht wei?.
Der Reisende. Was
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