Die Juden | Page 7

Gotthold Ephraim Lessing
tun? im Ernst?
Christoph. Vielleicht!
Lisette. Pfui! was das für eine Antwort ist! vielleicht!
Christoph. Und sie war doch nicht ein Haar anders, als die Ihrige.
Lisette. In meinem Munde will sie aber ganz etwas anders sagen. Vielleicht, ist eines Frauenzimmers gr??te Versicherung. Denn so schlecht unser Spiel auch ist, so müssen wir uns doch niemals in die Karte sehen lassen.
Christoph. Ja, wenn das ist!--Ich d?chte, wir k?men also zur Sache. --(Er schmei?t beide Mantels?cke auf die Erde.) Ich wei? nicht, warum ich mir's so sauer mache? Da liegt!--Ich liebe Sie, Mamsell.
Lisette. Das hei? ich, mit wenigen viel sagen. Wir wollen's zergliedern--
Christoph. Nein, wir wollen's lieber ganz lassen. Doch,--damit wir in Ruhe einander unsre Gedanken er?ffnen k?nnen;--belieben Sie sich niederzulassen!--Das Stehn ermüdet mich.--Ohne Umst?nde!--(Er n?tiget sie auf den Mantelsack zu sitzen.)--Ich liebe Sie, Mamsell.--
Lisette. Aber,--ich sitze verzweifelt hart.--Ich glaube gar, es sind Bücher darin--
Christoph. Darzu recht z?rtliche und witzige;--und gleichwohl sitzen Sie hart darauf? Es ist meines Herrn Reisebibliothek. Sie besteht aus Lustspielen, die zum Weinen, und aus Trauerspielen, die zum Lachen bewegen; aus z?rtlichen Heldengedichten; aus tiefsinnigen Trinkliedern, und was dergleichen neue Siebensachen mehr sind.--Doch wir wollen umwechseln. Setzen Sie sich auf meinen;--ohne Umst?nde!--meiner ist der weichste.
Lisette. Verzeihen Sie! So grob werde ich nicht sein--
Christoph. Ohne Umst?nde,--ohne Komplimente!--Wollen Sie nicht?--So werde ich Sie hintragen.--
Lisette. Weil Sie es denn befehlen--(Sie steht auf und will sich auf den andern setzen.)
Christoph. Befehlen? behüte Gott!--Nein! befehlen will viel sagen. --Wenn Sie es so nehmen wollen, so bleiben Sie lieber sitzen.--(Er setzt sich wieder auf seinen Mantelsack.)
Lisette (beiseite). Der Grobian! Doch ich mu? es gut sein lassen--
Christoph. Wo blieben wir denn?--Ja,--bei der Liebe--Ich liebe Sie also, Mamsell. Je vous aime, würde ich sagen, wenn Sie eine franz?sische Marquisin w?ren.
Lisette. Der Geier! Sie sind wohl gar ein Franzose?
Christoph. Nein, ich mu? meine Schande gestehn: ich bin nur ein Deutscher.--Aber ich habe das Glück gehabt, mit verschiedenen Franzosen umgehen zu k?nnen, und da habe ich denn so ziemlich gelernt, was zu einem rechtschaffnen Kerl geh?rt. Ich glaube, man sieht mir es auch gleich an.
Lisette. Sie kommen also vielleicht mit Ihrem Herrn aus Frankreich?
Christoph. Ach nein!--
Lisette. Wo sonst her? freilich wohl!--
Christoph. Es liegt noch einige Meilen hinter Frankreich, wo wir herkommen.
Lisette. Aus Italien doch wohl nicht?
Christoph. Nicht weit davon.
Lisette. Aus Engeland also?
Christoph. Beinahe; Engeland ist eine Provinz davon. Wir sind über funfzig Meilen von hier zu Hause.--Aber, da? Gott!--meine Pferde,--die armen Tiere stehen noch gesattelt. Verzeihen Sie, Mamsell!--Hurtig! stehen Sie auf!--(Er nimmt die Mantels?cke wieder untern Arm. )--Trotz meiner inbrünstigen Liebe mu? ich doch gehn, und erst das N?tige verrichten.--Wir haben noch den ganzen Tag, und, was das meiste ist, noch die ganze Nacht vor uns. Wir wollen schon noch eins werden.--Ich werde sie wohl wieder zu finden wissen.

Eilfter Auftritt
Martin Krumm. Lisette.
Lisette. Von dem werde ich wenig erfahren k?nnen. Entweder, er ist zu dumm, oder zu fein. Und beides macht unergründlich.
Martin Krumm. So, Jungfer Lisette? Das ist auch der Kerl darnach, da? er mich ausstechen sollte!
Lisette. Das hat er nicht n?tig gehabt.
Martin Krumm. Nicht n?tig gehabt? Und ich denke, wer wei? wie fest ich in Ihrem Herzen sitze.
Lisette. Das macht, Herr Vogt, Er denkt's. Leute von Seiner Art haben das Recht, abgeschmackt zu denken. Drum ?rgre ich mich auch nicht darüber, da? Er's gedacht hat; sondern, da? Er mir's gesagt hat. Ich m?chte wissen, was Ihn mein Herz angeht? Mit was für Gef?lligkeiten, mit was für Geschenken hat Er sich denn ein Recht darauf erworben?--Man gibt die Herzen jetzt nicht mehr, so in den Tag hinein, weg. Und glaubt Er etwa, da? ich so verlegen mit dem meinigen bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich's vor die S?ue werfe.
Martin Krumm. Der Teufel, das verschnupft! Ich mu? eine Prise Tabak darauf nehmen.--Vielleicht geht es wieder mit dem Niesen fort.--(Er zieht die entwende Dose hervor, spielt einige Zeit in den H?nden damit, und nimmt endlich, auf eine l?cherlich hochmütige Art, eine Prise.)
Lisette (schielt ihn von der Seite an). Verzweifelt! wo bek?mmt der Kerl die Dose her?
Martin Krumm. Belieben Sie ein Prischen?
Lisette. Oh, Ihre untert?nige Magd, mein Herr Vogt! (Sie nimmt.)
Martin Krumm. Was eine silberne Dose nicht kann!--K?nnte ein Ohrwürmchen geschmeidiger sein?
Lisette. Ist es eine silberne Dose?
Martin Krumm. Wann's keine silberne w?re, so würde sie Martin Krumm nicht haben.
Lisette. Ist es nicht erlaubt, sie zu besehn?
Martin Krumm. Ja, aber nur in meinen H?nden.
Lisette. Die Fasson ist vortrefflich.
Martin Krumm. Ja, sie wiegt ganzer fünf Lot.
Lisette. Nur der Fasson wegen m?chte ich so ein D?schen haben.
Martin Krumm. Wenn ich sie zusammenschmelzen lasse, steht Ihnen die Fasson davon zu Dienste.
Lisette. Sie sind allzu gütig!--Es ist ohne Zweifel ein Geschenk?
Martin Krumm. Ja, sie kostet mir nicht einen Heller.
Lisette. Wahrhaftig, so ein Geschenk k?nnte ein Frauenzimmer recht verblenden! Sie k?nnen Ihr Glück damit machen, Herr Vogt. Ich wenigstens würde mich, wenn man mich mit silbernen Dosen anfiele, sehr schlecht verteidigen k?nnen. Mit so einer
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