Die Jüdin von Toledo | Page 6

Franz Grillparzer
nimmst du wohl die Laute gar zur Hand Genüber dem Balkon, wie etwa hier, Und singst ein kr?chzend Lied, wozu der Mond, Ein bleicher Kuppler, durch die B?ume funkelt, Und Blumenkelche duften sü?en Rausch Bis nun der günst'ge Augenblick erscheint, Der Vater, Bruder,--oder Gatte gar Das Haus verl??t, auf etwa gleichen Pfaden Und nun die Zofe winkt ihr leises: pst! Da trittst du ein und eine warme Hand Ergreift die deine, führt dich durch die G?nge Die dunkel wie das Grab und endlos gleitend Den Wunsch erh?hn, bis endlich Ambraduft Und bleicher Schimmer, durch die Ritzen dringend Bezeichnen, da? erreicht das holde Ziel. Die Tür geht auf, und hell im Kerzenschimmer, Auf dunkeln Samt die Glieder hingegossen, Den wei?en Arm umkreist von Perlenschnüren, Lehnt weichgesenkten Hauptes die Ersehnte, Die goldnen Locken--nein, ich sage, schwarz!-- Des Hauptes Rabenhaar--und so denn weiter! Du siehst, ich bin gelehrig, Garceran, Und da gilt gleich denn: Christin, Maurin--Jüdin.
Garceran. Auf Maurinnen sind Streiter wir der Grenze Zu Recht verwiesen, doch die Jüdin, Herr--
K?nig. Spiel etwa du den Kostver?chter doch! Ich wette, wenn das M?dchen dir dort oben Nur einen Blick geg?nnt, du w?rest Flamme. Ich selber lieb es nicht dies Volk, doch wei? ich, Was sie verunziert, es ist unser Werk; Wir l?hmen sie und grollen, wenn sie hinken. Zudem ist etwas Gro?es Garceran, In diesem Stamm von unstet flücht'gen Hirten: Wir andern sind von heut, sie aber reichen Bis an der Sch?pfung Wiege, wo die Gottheit Noch menschengleich in Paradiesen ging, Wo Cherubim zu Gast bei Patriarchen Und Richter war und Recht der ein'ge Gott. Samt all der M?rchenwelt, die Wahrheit auch Von Kain und Abel, von Rebekkas Klugheit, Von Jakob, der um Rahel dienend freite-- Wie hei?t das M?dchen?
Garceran. Herr, ich wei? nicht.
K?nig. Ei! Von Ahasverus, der den Herrscherstab Ausstreckte über Esther, die sein Weib Und selber Jüdin, Schutzgott war den ihren. So Christ als Muselmann führt seinen Stammbaum Hinauf zu diesem Volk als ?ltstem, erstem, So da? sie uns bezweifeln, wir nicht sie Und hat es Esau-gleich, sein Recht verscherzt, Wir kreuz'gen t?glich zehenmal den Herrn Durch unsre Sünden, unsre Missetaten Und jene haben's einmal nur getan. Nun aber la? uns gehn! Vielmehr bleib du! Geleite sie und merke dir ihr Haus.
Vielleicht einmal wenn müde Sorgen drücken, Besuch ich sie und freu mich ihres Danks. (Im Begriffe zu gehn h?rt er Ger?usch im Hause und bleibt stehen.) Was ist?
Garceran. Ger?usch im Haus. Scheint's doch beinah, Sie strafen Lügen dein gespendet Lob Und streiten unter sich.
K?nig (auf das Haus zugehend). Was gibt's zu streiten?
(Isaak kommt aus dem Gartenhause.)
Isaak (zurücksprechend). Nun denn so bleibt und spielt um euer Haupt! Schon einmal ging's euch nah. Ich rette mich.
K?nig. Frag was es gibt!
Garceran. Was soll es guter Mann?
Isaak (zu Garceran). Ah Ihr seid's hoher Herr, der uns beschirmt. Mein Rahelchen sie spricht gar viel von Euch, Sie hat Euch lieb.
K?nig. Zur Sache! Was Geschw?tz--
Isaak. Wer ist der Herr?
Garceran. Gleichviel. Du aber rede. Was ist der Anla? des Gel?rms dort oben?
Isaak (zum Fenster hinaufsprechend). Nun ja, es wird euch kommen. Wartet nur. (Zu Garceran.) Ihr selber habt gesehn mein Rahelchen Wie sie geweint, gest?hnt, die Brüste schlug, Halb sinnverwirrt. Ei ja doch, Herr, mein Leben! Kaum wu?te sie vorüber die Gefahr Da kam zurück der alte übermut: Sie lachte, tanzte, sang, halb toll von neuem, Sie rückte das Ger?t, das heilig ist, Bewacht von Tod und poltert--wie Ihr h?rt. Tr?gt sie am Gürtel nicht ein Schlüsselbund? Nun, das versucht sie, Herr, an allen Schr?nken Die l?ngs den W?nden stehn, und ?ffnet sie; Da h?ngen nun Gew?nder aller Art. Der Bettler bei dem K?nig, Engel, Teufel In bunter Reih'--
K?nig (halblaut zu Garceran). Vom letzten Fastnachtspiel.
Isaak. Da w?hlt sie eine Krone sich heraus Mit Federschmuck--nicht Gold, vergüldet Blech, Man kennt es am Gewicht, gilt zwanzig Heller-- Legt sich ein schleppend Kleid um ihre Schultern Und sagt, sie sei die K?nigin. (Zurücksprechend.) Ja, T?rin! Zuletzt--im Nebenzimmer h?ngt ein Bild Des K?nigs unsers Herrn, den Gott erhalte! Das nimmt sie von der Wand und tr?gt's herum, Nennt es Gemahl, spricht's an mit sü?en Worten Und drückt's an ihre Brust.
(Der K?nig geht mit starken Schritten auf das Gartenhaus zu.)
Garceran. Mein hoher Herr!
Isaak (zu rückweichend). Weh mir!
K?nig (auf den Stufen stehend, mit ruhiger Stimme). Den Scherz s?h' gern ich in der N?he. Zudem rückt eurer Heimkehr Zeit heran, Ich wünschte nicht vers?umt die günst'ge Stunde. Du Alter aber komm! Denn nicht allein, Nicht unbewacht will nahn ich deinen Kindern.
(Er geht ins Haus.)
Isaak. War das der K?nig? Weh!
Garceran. Geh nur hinein!
Isaak. Zieht er sein Schwert, sind alle wir gerichtet!
Garceran. Geh immer nur! Und was die Furcht betrifft, Nicht deine Tochter ist's, noch du, für die ich fürchte.
(Er st??t den Z?gernden zur Tür hinein und folgt. Beide ab.)
------------------------------------------------------------------
Saal in dem Gartenhause. Im Hintergrunde nach links eine Türe, im Vordergrunde rechts eine zweite.
Rahel, eine Federkrone auf dem
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 24
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.