Die Hochzeit des Moenchs | Page 4

Conrad Ferdinand Meyer
sei es an der Ruhe des Todes.
'Kennst du sie, Astorre?' fragte er den M?nch. Dieser sch��ttelte verneinend den Kopf, und der andere fuhr fort: 'Siehe, es ist das Weib deines Bruders.'
Der M?nch warf auf das bleiche Antlitz einen mitleidigen, scheuen Blick, welches unter demselben langsam die schlummernden Augen ?ffnete.
'Bringe sie ans Ufer!' befahl Ezzelin, allein der M?nch ��berlie? sie seinem F?hrmann. 'Ich will meinen Bruder suchen', rief er, 'bis ich ihn finde.'--'Ich helfe dir, M?nch', sagte der Tyrann, 'doch ich zweifle, da? wir ihn retten: ich sah ihn, wie er seine Knaben umschlang und, von den dreien umklammert, schwer in die Tiefe ging.'
Inzwischen hatte sich die Brenta mit Fahrzeugen bedeckt. Es wurde gefischt mit Stangen, Haken, Angeln, Netzen, und in der rasch wechselnden Szene vervielf?ltigte sich ��ber den Suchenden und den gehobenen B��rden die Gestalt des Herrschers.
'Komm, M?nch!' sagte er endlich. 'Hier gibt es f��r dich nichts mehr zu tun. Umberto und seine Knaben liegen nunmehr zu lang in der Tiefe, um ins Leben zur��ckzukehren. Der Strom hat sie verschleppt. Er wird sie ans Ufer legen, wann er ihrer m��de ist. Aber siehst du dort die Zelte?' Man hatte deren eine Zahl am Strand der Brenta zum Empfang der mit der Hochzeitsbarke Erwarteten aufgeschlagen und jetzt die Toten oder Scheintoten hineingelegt, welche von ihren schon aus dem nahen Padua herbeigeeilten Verwandten und Dienern umjammert wurden. 'Dort, M?nch, verrichte, was deines Amtes ist: Werke der Barmherzigkeit! Tr?ste die Lebenden! Bestatte die Toten!'
Der M?nch hatte das Ufer betreten und den Reichsvogt aus den Augen verloren. Da kam ihm aus dem Gedr?nge Diana entgegen, die Braut und Witwe seines Bruders, trostlos, aber ihrer Sinne wieder m?chtig. Noch trieften die schweren Haare, aber auf ein gewechseltes Gewand: ein mitleidiges Weib aus dem Volke hatte ihr im Gezelt das eigene gegeben und sich des kostbaren Hochzeitskleides bem?chtigt. 'Frommer Bruder', wendete sie sich an Astorre, 'ich bin verlassen: die mir bestimmte S?nfte ist in der Verwirrung mit einer andern, Lebenden oder Toten, in die Stadt zur��ckgekehrt. Begleite mich nach dem Hause meines Schwiegers, der dein Vater ist!'
Die junge Witwe t?uschte sich. Nicht in der Best��rzung und Verwirrung, sondern aus Feigheit und Aberglauben hatte das Gesinde des alten Vicedomini sie im Stiche gelassen. Es f��rchtete sich, dem j?hzornigen Alten eine Wittib und, mit ihr die Kunde von dem Untergang seines Hauses zu bringen.
Da der M?nch viele seinesgleichen unter den Zelten und im Freien mit barmherzigen Werken besch?ftigt sah, willfahrte er dem Gesuch. 'Gehen wir', sagte er und schlug mit dem jungen Weibe die Stra?e nach der Stadt ein, deren T��rme und Kuppeln auf dem blauen Himmel wuchsen. Der Weg war bedeckt mit Hunderten, die an den Strand eilten oder vom Strande zur��ckkehrten. Die beiden schritten, oft voneinander getrennt, aber sich immer wieder findend, in der Mitte der Stra?e, ohne miteinander zu reden, und wandelten jetzt schon durch die Vorstadt, wo die Gewerbe hausen. Hier standen ��berall--das Ungl��ck auf der Brenta hatte die ganze Bev?lkerung auf die Beine gebracht--laut plaudernde oder fl��sternde Gruppen, welche das zuf?llige Paar, das den Bruder und den Br?utigam verloren hatte, mit teilnehmender Neugierde betrachteten.
Der M?nch und Diana waren Gestalten, die jedes Kind in Padua kannte. Astorre, wenn er nicht f��r einen Heiligen galt, hatte doch den Ruf des musterhaften M?nches. Er konnte der Stadtm?nch von Padua hei?en, den das Volk verehrte und auf den es stolz war. Und mit Grund: denn er hatte auf die Vorrechte seines hohen Adels und den unerme?lichen Besitz seines Hauses tapfer, ja freudig verzichtet und gab sein Leben in Zeiten der Seuche oder bei andern ?ffentlichen F?hrlichkeiten, ohne zu markten, f��r den Geringsten und die ?rmste preis. Dabei war er mit seinem kastanienbraunen Kraushaar, seinen warmen Augen und seiner edeln Geb?rde ein anmutender Mann, wie das Volk seine Heiligen liebt.
Diana war in ihrer Weise nicht weniger namhaft, schon durch die Vollkraft des Wuchses, welche das Volk mehr als die zarten Reize bewundert. Ihre Mutter war eine Deutsche gewesen, ja eine Staufin, wie einige behaupteten, freilich nur dem Blute, nicht dem Gesetze nach. Deutschland und Welschland hatten zusammen als gute Schwestern diese gro?e Gestalt gebaut.
Wie herb und streng Diana mit ihresgleichen umging, mit den Geringen war sie leutselig, lie? sich ihre H?ndel erz?hlen, gab kurzen und deutlichen Bescheid und k��?te die zerlumptesten Kinder. Sie schenkte und spendete ohne Besinnen, wohl weil ihr Vater, der alte Pizzaguerra, nach Vicedomini der reichste Paduaner, zugleich der schmutzigste Geizhals war, und Diana sich des v?terlichen Lasters sch?mte.
So verheiratete das ihr geneigte Volk in seinen Schenken und Plauderstuben Diana monatlich mit irgendeinem vornehmen Paduaner, doch die Wirklichkeit trug diesen frommen W��nschen keine Rechnung. Drei Hindernisse erschwerten eine Brautschaft: die hohen und oft finsteren Brauen Dianas, die geschlossene Hand ihres Vaters und die blinde Anh?nglichkeit ihres Bruders Germano an den Tyrannen, bei dessen m?glichem Falle der treue Diener mit zugrunde gehen mu?te, seine Sippe nach
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 37
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.