Die Geschwister | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
Schein nach ihr Bruder war, hielt ich dein Gef��hl f��r sie f��r das wahre br��derliche, und wenn mir ja auch manchmal ein Argwohn kommen wollte, warf ich ihn weg als unedel, schrieb ihre Gutheit f��r dich auf Rechnung des Engelherzens, das eben alle Welt mit einem liebevollen Blick ansieht.--Und du!--Und sie!--
FABRICE. Ich mag nichts weiter h?ren, und zu sagen hab' ich auch nichts. Also adieu! (Ab.)
WILHELM. Geh nur!--Du tr?gst sie alle mit dir weg, meine ganze Seligkeit. So weggeschnitten, weggebrochen alle Aussichten--die n?chsten--auf einmal--Am Abgrunde! Und zusammengest��rzt die goldne Zauberbr��cke, die mich in die Wonne der Himmel hin��berf��hren sollte-- Weg! und durch ihn, den Verr?ter, der so mi?braucht hat die Offenheit, das Zutrauen!--O Wilhelm! Wilhelm! du bist so weit gebracht, da? du gegen den guten Menschen ungerecht sein mu?t?--Was hat er verbrochen?----Du liegst schwer ��ber mir und bist gerecht, vergeltendes Schicksal!--Warum stehst du da? und du? Just in dem Augenblicke!--Verzeiht mir! Hab' ich nicht gelitten daf��r?--Verzeiht! es ist lange!--Ich habe unendlich gelitten. Ich schien euch zu lieben, ich glaubte euch zu lieben; mit leichtsinnigen Gef?lligkeiten schlo? ich euer Herz auf und machte euch elend!--Verzeiht und la?t mich--Soll ich so gestraft werden?--Soll ich Mariannen verlieren, die letzte meiner Hoffnungen, den Inbegriff meiner Sorgen?--Es kann nicht! es kann nicht! (Er bleibt stille.)
(Marianne kommt.)
MARIANNE (naht verlegen). Bruder!
WILHELM. Ah!
MARIANNE. Lieber Bruder, du mu?t mir vergeben, ich bitte dich um alles. Du bist b?se, ich dacht' es wohl. Ich habe eine Torheit begangen--es ist mir ganz wunderlich.
WILHELM (sich zusammennehmend). Was hast du, M?dchen?
MARIANNE. Ich wollte, da? ich dir's erz?hlen k?nnte.--Mir geht's so konfus im Kopf herum.--Fabrice will mich zur Frau, und ich--
WILHELM (halb bitter). Sag's heraus, du schl?gst ein?
MARIANNE. Nein, nicht ums Leben! Nimmermehr werd' ich ihn heiraten! ich kann ihn nicht heiraten.
WILHELM. Wie anders klingt das!
MARIANNE. Wunderlich genug. Du bist gar unhold, Bruder; ich ginge gern und wartete eine gute Stunde ab, wenn mir's nicht gleich vom Herzen m��?te. Ein f��r allemal, ich kann Fabricen nicht heiraten.
WILHELM (steht auf und nimmt sie bei der Hand.) Wie, Marianne?
MARIANNE. Er war da und redete so viel und stellte mir so allerlei vor, da? ich mir einbildete, es w?re m?glich. Er drang so, und in der Unbesonnenheit sagt' ich, er sollte mit dir reden.--Er nahm das als Jawort, und im Augenblicke f��hlt' ich, da? es nicht werden konnte.
WILHELM. Er hat mit mir gesprochen.
MARIANNE. Ich bitte dich, was ich kann und mag, mit all der Liebe, die ich zu dir habe, bei all der Liebe, mit der du mich liebst, mach es wieder gut, bedeut ihn.
WILHELM (f��r sich). Ewiger Gott!
MARIANNE. Sei nicht b?se! Er soll auch nicht b?se sein. Wir wollen wieder leben wie vorher und immer so fort.--Denn nur mit dir kann ich leben, mit dir allein mag ich leben. Es liegt von jeher in meiner Seele, und dieses hat's herausgeschlagen, gewaltsam herausgeschlagen--Ich liebe nur dich!
WILHELM. Marianne!
MARIANNE. Bester Bruder! Diese Viertelstunde ��ber--ich kann dir nicht sagen, was in meinem Herzen auf--und abgerannt ist.--Es ist mir wie neulich, da es auf dem Markte brannte und erst Rauch und Dampf ��ber alles zog, bis auf einmal das Feuer das Dach hob und das ganze Haus in einer Flamme stand.--Verla? mich nicht! sto? mich nicht von dir, Bruder!
WILHELM. Es kann doch nicht immer so bleiben.
MARIANNE. Das eben ?ngstet mich so!--Ich will dir gern versprechen, nicht zu heiraten, ich will immer f��r dich sorgen, immer, immer so fort.--Da dr��ben wohnen so ein paar alte Geschwister zusammen; da denk' ich manchmal zum Spa?: wenn du so alt und schrumpflich bist, wenn ihr nur zusammen seid!
WILHELM (sein Herz haltend, halb f��r sich). Wenn du das aush?ltst, bist du nie wieder zu enge.
MARIANNE. Dir ist's nun wohl nicht so; du nimmst doch wohl eine Frau mit der Zeit, und es w��rde mir immer leid tun, wenn ich sie auch noch so gern lieben wollte--Es hat dich niemand so lieb wie ich; es kann dich niemand so lieb haben. (Wilhelm versucht zu reden.) Du bist immer so zur��ckhaltend, und ich hab's immer im Munde, dir ganz zu sagen, wie mir's ist, und wag's nicht. Gott sei Dank, da? mir der Zufall die Zunge l?st.
WILHELM. Nichts weiter. Marianne!
MARIANNE. Du sollst mich nicht hindern, la? mich alles sagen! Dann will ich in die K��che gehen und tagelang an meiner Arbeit sitzen, nur manchmal dich ansehen, als wollt' ich sagen: du wei?t's!--(Wilhelm stumm in dem Umfange seiner Freuden.) Du konntest es lange wissen, du wei?t's auch, seit dem Tod unserer Mutter, wie ich aufkam aus der Kindheit und immer mit dir war.--Sieh, ich f��hle mehr Vergn��gen, bei dir zu sein, als Dank f��r deine mehr als br��derliche Sorgfalt. Und nach und nach nahmst du so mein ganzes Herz, meinen ganzen Kopf ein, da? jetzt noch etwas anders M��he hat, ein Pl?tzchen drin zu gewinnen. Ich wei? wohl noch, da? du manchmal lachtest, wenn ich Romanen las; es geschah
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