G?tterbild des principii individuationis bezeichnen, aus dessen Geb?rden und Blicken die ganze Lust und Weisheit des "Scheines", sammt seiner Sch?nheit, zu uns spr?che.
An derselben Stelle hat uns Schopenhauer das ungeheure Grausen geschildert, welches den Menschen ergreift, wenn er pl?tzlich an den Erkenntnissformen der Erscheinung irre wird, indem der Satz vom Grunde, in irgend einer seiner Gestaltungen, eine Ausnahme zu erleiden scheint. Wenn wir zu diesem Grausen die wonnevolle Verzückung hinzunehmen, die bei demselben Zerbrechen des principii individuationis aus dem innersten Grunde des Menschen, ja der Natur emporsteigt, so thun wir einen Blick in das Wesen des Dionysischen, das uns am n?chsten noch durch die Analogie des Rausches gebracht wird. Entweder durch den Einfluss des narkotischen Getr?nkes, von dem alle ursprünglichen Menschen und V?lker in Hymnen sprechen, oder bei dem gewaltigen, die ganze Natur lustvoll durchdringenden Nahen des Frühlings erwachen jene dionysischen Regungen, in deren Steigerung das Subjective zu v?lliger Selbstvergessenheit hinschwindet. Auch im deutschen Mittelalter w?lzten sich unter der gleichen dionysischen Gewalt immer wachsende Schaaren, singend und tanzend, von Ort zu Ort: in diesen Sanct-Johann- und Sanct-Veitt?nzern erkennen wir die bacchischen Ch?re der Griechen wieder, mit ihrer Vorgeschichte in Kleinasien, bis hin zu Babylon und den orgiastischen Sak?en. Es giebt Menschen, die, aus Mangel an Erfahrung oder aus Stumpfsinn, sich von solchen Erscheinungen wie von "Volkskrankheiten", sp?ttisch oder bedauernd im Gefühl der eigenen Gesundheit abwenden: die Armen ahnen freilich nicht, wie leichenfarbig und gespenstisch eben diese ihre "Gesundheit" sich ausnimmt, wenn an ihnen das glühende Leben dionysischer Schw?rmer vorüberbraust.
Unter dem Zauber des Dionysischen schliesst sich nicht nur der Bund zwischen Mensch und Mensch wieder zusammen: auch die entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur feiert wieder ihr Vers?hnungsfest mit ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen. Freiwillig beut die Erde ihre Gaben, und friedfertig nahen die Raubthiere der Felsen und der Wüste. Mit Blumen und Kr?nzen ist der Wagen des Dionysus überschüttet: unter seinem Joche schreiten Panther und Tiger. Man verwandele das Beethoven'sche Jubellied der "Freude" in ein Gem?lde und bleibe mit seiner Einbildungskraft nicht zurück, wenn die Millionen schauervoll in den Staub sinken: so kann man sich dem Dionysischen n?hern. Jetzt ist der Sclave freier Mann, jetzt zerbrechen alle die starren, feindseligen Abgrenzungen, die Noth, Willkür oder "freche Mode" zwischen den Menschen festgesetzt haben. Jetzt, bei dem Evangelium der Weltenharmonie, fühlt sich Jeder mit seinem N?chsten nicht nur vereinigt, vers?hnt, verschmolzen, sondern eins, als ob der Schleier der Maja zerrissen w?re und nur noch in Fetzen vor dem geheimnissvollen Ur-Einen herumflattere. Singend und tanzend ?ussert sich der Mensch als Mitglied einer h?heren Gemeinsamkeit: er hat das Gehen und das Sprechen verlernt und ist auf dem Wege, tanzend in die Lüfte emporzufliegen. Aus seinen Geb?rden spricht die Verzauberung. Wie jetzt die Thiere reden, und die Erde Milch und Honig giebt, so t?nt auch aus ihm etwas Uebernatürliches: als Gott fühlt er sich, er selbst wandelt jetzt so verzückt und erhoben, wie er die G?tter im Traume wandeln sah. Der Mensch ist nicht mehr Künstler, er ist Kunstwerk geworden: die Kunstgewalt der ganzen Natur, zur h?chsten Wonnebefriedigung des Ur-Einen, offenbart sich hier unter den Schauern des Rausches. Der edelste Thon, der kostbarste Marmor wird hier geknetet und behauen, der Mensch, und zu den Meisselschl?gen des dionysischen Weltenkünstlers t?nt der eleusinische Mysterienruf: "Ihr stürzt nieder, Millionen? Ahnest du den Sch?pfer, Welt?" -
2.
Wir haben bis jetzt das Apollinische und seinen Gegensatz, das Dionysische, als künstlerische M?chte betrachtet, die aus der Natur selbst, ohne Vermittelung des menschlichen Künstlers, hervorbrechen, und in denen sich ihre Kunsttriebe zun?chst und auf directem Wege befriedigen: einmal als die Bilderwelt des Traumes, deren Vollkommenheit ohne jeden Zusammenhang mit der intellectuellen H?he oder künstlerischen Bildung des Einzelnen ist, andererseits als rauschvolle Wirklichkeit, die wiederum des Einzelnen nicht achtet, sondern sogar das Individuum zu vernichten und durch eine mystische Einheitsempfindung zu erl?sen sucht. Diesen unmittelbaren Kunstzust?nden der Natur gegenüber ist jeder Künstler "Nachahmer", und zwar entweder apollinischer Traumkünstler oder dionysischer Rauschkünstler oder endlich - wie beispielsweise in der griechischen Trag?die - zugleich Rausch- und Traumkünstler: als welchen wir uns etwa zu denken haben, wie er, in der dionysischen Trunkenheit und mystischen Selbstent?usserung, einsam und abseits von den schw?rmenden Ch?ren niedersinkt und wie sich ihm nun, durch apollinische Traumeinwirkung, sein eigener Zustand d.h. seine Einheit mit dem innersten Grunde der Welt in einem gleichnissartigen Traumbilde offenbart.
Nach diesen allgemeinen Voraussetzungen und Gegenüberstellungen nahen wir uns jetzt den Griechen, um zu erkennen, in welchem Grade und bis zu welcher H?he jene Kunsttriebe der Natur in ihnen entwickelt gewesen sind: wodurch wir in den Stand gesetzt werden, das Verh?ltniss des griechischen Künstlers zu seinen Urbildern, oder, nach dem aristotelischen Ausdrucke, "die Nachahmung der Natur" tiefer zu verstehn und zu würdigen. Von den Tr?umen der Griechen ist trotz aller Traumlitteratur derselben und zahlreichen Traumanecdoten nur vermuthungsweise, aber doch mit ziemlicher Sicherheit zu sprechen: bei der unglaublich bestimmten und sicheren plastischen
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