Gnade werden
sie verschmäht.
Doch still von ihnen--Schau’ und geh vorüber."
Ich
schaute hin und sah im Kreis geweht,
Ein Fähnlein zieh’n, so eilig
umgeschwungen,
Daß sich’s zum Ruh’n, so schien mir’s, nie versteht.
In langer Reihe folgten ihm, gezwungen,
So viele Leute, daß ich
kaum geglaubt,
Daß je der Tod so vieles Volk verschlungen.
Und
hier erblickt’ ich manch bekanntes Haupt,
Auch jenes Schatten, der
aus Angst und Zagen
Sich den Verzicht, den großen, feig erlaubt.
Ich war sogleich gewiß, auch hört’ ich sagen,
Dies sei der Schlechten
jämmerliche Schar,
Die Gott und seinen Feinden mißbehagen.
Dies
Jammervolk, das niemals lebend war,
War nackend und von Flieg’
und Wesp’ umflogen,
Und ward gestachelt viel und immerdar.
Tränen und Blut aus ihren Wunden zogen
In Streifen durch das
Antlitz bis zum Grund,
Wo ekle Würmer draus sich Nahrung sogen.
Drauf, als ich weiter blickt’ im düstern Schlund,
Erblickt’ ich Leut’
an einem Stromgestade
Und sprach: "Jetzt tu, ich bitte, Herr, mir
kund,
Von welcher Art sind die, die so gerade,
Wie ich beim
düstern Dämmerlicht ersehn,
So eilig weiterzieh’n auf ihrem Pfade?"
Und er darauf: "Dir wird genug gescheh’n
Am Acheron--dort wird
sich alles zeigen,
Wenn wir am traur’gen Ufer stillestehn."
Da
zwang mich Scham, die Augen tief zu neigen,
Aus Furcht, daß ihm
mein Fragen lästig sei,
Und ich gebot mir bis zum Strome Schweigen.
Und sieh, es kam ein Mann zu Schiff herbei,
Ein Greis, bedeckt
mit schneeig weißen Haaren.
"Weh euch, Verworfne!" tönte sein
Geschrei.
"Nicht hofft, den Himmel jemals zu gewahren.
Ich
komm’, euch jenseits hin an das Gestad’
In ew’ge Nacht, in Hitz’ und
Frost zu fahren.
Und du, lebend’ge Seele, die genaht,
Mußt dich
von diesen, die gestorben, trennen!"--
Dann, da er sah, daß ich nicht
rückwärts trat:
"Hier kann ich dir den Übergang nicht gönnen,
Für
dich geziemen andre Wege sich,
Ein leichtrer Kahn nur wird dich
tragen können."
Virgil drauf: "Charon, nicht erbose dich.
Dort, wo
der Wille Macht ist, ward’s verhangen;
Dies sei genug, nicht weiter
frage mich."
Hierauf ließ ruhen die bewollten Wangen
Des fahlen
Sumpfs erzürnter Steuermann,
Des Augen Flammenräder rings
umschlangen.
Da hob grau’nvolles Zähneklappen an,
Und es
entfärbten sich die Tiefgebeugten,
Seit Charon jenen grausen Spruch
begann.
Sie fluchten Gott und denen, die sie zeugten,
Dem
menschlichen Geschlecht, dem Vaterland,
Dem ersten Licht, den
Brüsten, die sie säugten.
Dann drängten sie zusammen sich am Strand,
Dem Schrecklichen, zu welchem alle kommen,
Die Gott nicht
scheu’n, und laut Geheul entstand.
Charon, mit Augen, die wie
Kohlen glommen,
Winkt’ ihnen und schlug mit dem Ruder los,
Wenn einer sich zum Warten Zeit genommen.
Gleich wie im Herbste
bei des Nordwinds Stoß
Ein Blatt zum ändern fällt, bis daß sie alle
Der Baum erstattet hat dem Erdenschoß;
So stürzen, hergewinkt, in
jähem Falle
Sich Adams schlechte Sprossen in den Kahn,
Wie
angelockte Vögel in die Falle.
Durch schwarze Fluten geht des
Nachens Bahn,
Und eh’ sie noch das Ufer dort erreichen,
Drängt
hier schon eine neue Schar heran.
"Mein Sohn," sprach mild der
Meister, "die erbleichen
In Gottes Zorne, werden alle hier
Am
Strand vereint aus allen Erdenreichen.
Man scheint zur Überfahrt sehr
eilig dir,
Doch die Gerechtigkeit treibt diese Leute
Und wandelt
ihre bange Furcht in Gier.
Kein guter Geist macht diese Fahrt; und
dräute
Dir Charon, weil du hier dich eingestellt,
So kannst du
wissen, was sein Wort bedeute"--
Hier wankte so mit Macht das
dunkle Feld,
Daß mich noch jetzt Schweißtropfen übertauen,
Sooft
dies Schreckensbild mich überfällt.
Ein Windstoß fuhr aus den
betränten Auen,
Und blitzt’ ein rotes Licht, das jeden Sinn
Bewältigte mit ungeheurem Grauen,
Und, wie vom Schlaf befallen,
stürzt’ ich hin--
Vierter Gesang
Mir brach den Schlaf im Haupt ein Donnerkrachen,
So schwer, daß
ich zusammenfuhr dabei,
Wie einer, den Gewalt zwingt, zu erwachen.
Ich warf umher das Auge wach und frei,
Emporgerichtet spähend,
daß ich sähe
Und unterschied’, an welchem Ort ich sei.
So fand ich
mich am Talrand, in der Nähe
Des qualenvollen Abgrunds, dessen
Kluft
Zum Donnerhall vereint unendlich Wehe.
Tief war er, dunkel,
nebelhaft die Luft,
Drum wollte nichts sich klar dem Blicke zeigen,
Den ich geheftet an den Grund der Gruft.
"Laß uns zur blinden Welt
hinunter steigen,
Ich bin der Erste, du der Zweite dann."
So sprach
Virgil, um drauf erblaßt zu schweigen.
Ich, sehend, wie die Bläss’ ihn
überrann,
Sprach: Scheust du selber dich, wie kann ich’s wagen
Der
Trost im Zweifel nur durch dich gewann?
Und er zu mir: "Des tiefen
Abgrunds Plagen
Entfärben mir durch Mitleid das Gesicht,
Und
nicht, so wie du meinst, durch feiges Zagen.
Fort, zaudern läßt des
Weges Läng’ uns nicht."
So ging er fort und rief zum ersten Kreise
Mich auch hinein, der jene Kluft umflicht.
Mir schien, nach meinem
Ohr, des Klanges Weise,
Der durch die Luft hier bebt’ im ew’gen Tal,
Nicht Klaggeschrei, nur Seufzer dumpf und leise.
Und dieses kam
vom Leiden ohne Qual
Der Kinder, Männer und der Frau’n, in
Scharen,
Die viele waren und von großer ZahlDa
sprach der
Meister: "Willst du nicht erfahren,
Zu welchen Geistern du
gekommen bist?
Bevor wir fortgehn, will ich offenbaren,
Daß sie
nicht sündigten; doch g’nügend mißt
Nicht ihr Verdienst, da sie der
Tauf entbehrten,
Die Pfort’ und Eingang deines Glaubens ist.
Und
lebten sie vor Christo auch, so ehrten
Sie doch den Höchsten nicht,
wie sich’s gebührt;
Und diese Geister nenn’ ich selbst Gefährten.
Nur dies, nichts andres hat uns hergeführt.
Daß wir in Sehnsucht ohne
Hoffnung leben,
Ward uns Verlornen nur als Straf erkürt."
Groß
war mein Schmerz, als er dies kundgegeben,
Denn Leute großen
Wertes zeigten sich,
Die
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