Die Familie Pfäffling | Page 9

Agnes Sapper
haben? Wir haben nichts gesagt und er hat gelesen."
"Dir kann man so etwas schon anmerken," erwiderte Frau Pf?ffling l?chelnd.
"Das mu? ich noch erfahren," sagte Herr Pf?ffling lebhaft und rief seinen Jungen noch einmal zurück: "Sage offen, warum du so bald zu Bett gehst?" Einen Augenblick z?gerte Karl, dann erwiderte er schelmisch: "Weil du dreimal auf deine Uhr gesehen hast, Vater."
"Also doch? So geh du immerhin zu Bett, Karl, es ist nett von dir, da? du Takt hast--übrigens, wenn du Takt hast, dann kannst du ebensogut hier bleiben, dann wirst du auch nicht taktlos ausplaudern, was wir besprechen." "Das meine ich auch," sagte Frau Pf?ffling, "er wird nun bald sechzehn Jahre. Komm, Gro?er, setze dich noch einmal zu uns."
Dem Sohn wurde ganz eigen zumute. Mit einemmal fühlte er sich wie ein Freund zu Vater und Mutter herbeigezogen, und in dieser Abendstunde erfuhr er, was seine Eltern gegenw?rtig freudig bewegte.
Als er sich aber eine Stunde sp?ter leise neben seine Brüder zu Bette legte, da besann er sich, ob irgend etwas auf der Welt ihn bewegen k?nnte, das Vertrauen der Eltern zu t?uschen, und er fühlte, da? keine Lockung noch Drohung stark genug w?re, ihm das anvertraute Geheimnis zu entrei?en.
In aller Stille reiste am folgenden Sonntag unser Musiklehrer nach Marstadt, um sich dort den Herren vorzustellen, die über die Ernennung des Direktors für die neu zu gründende Musikschule zu entscheiden hatten. Es kam noch ein anderer, jüngerer Mann aus Marstadt für die Stelle in Betracht, und nun mu?te sich's zeigen, ob Herr Pf?ffling wirklich, wie sein Freund Krau?old meinte, die besseren Aussichten habe. Unterwegs nach der ihm unbekannten Stadt wurde Herr Pf?ffling immer kleinmütiger. Warum sollten sie denn ihn, den Fremdling, w?hlen, statt dem Einheimischen? Sie konnten ja gar nicht wissen, wie eifrig er sich seinem neuen Beruf widmen wollte und wie ihm dabei all seine seitherigen Erfahrungen an der Musikschule zustatten kommen würden!
In Marstadt angekommen, machte er Besuche bei den Herren, die sein Freund Krau?old ihm nannte. War er bei dem ersten noch verzagt, so wuchs seine Zuversicht bei jedem weiteren Besuch, denn wie aus einem Munde lautete das Urteil über seinen Mitbewerber: "Zu jung, viel zu jung zum Direktor" Und einmal, als er in Begleitung seines Freundes über die Stra?e ging, sah er selbst den Jüngling, der sein Mitbewerber war, und von da an war er beruhigt; das war noch kein Mann für solch eine Stelle, der sollte nur noch zehn Jahre warten!
In froher Zuversicht konnte unser Musiklehrer die Heimreise antreten. Am Bahnhof von Marstadt bot ein M?dchen Blumen an. In seiner hoffnungsfreudigen Stimmung gestattete er sich einen bei ihm ganz unerh?rten Luxus: Er kaufte eine Rose. Sein Freund Krau?old sah ihn gro? an: "Zu was brauchst du so etwas?"
"Für die zukünftige Frau Direktor," antwortete Herr Pf?ffling fr?hlich, und als sein Freund noch immer verwundert schien, setzte er ernst hinzu: "Wei?t du, sie hat es schon manchmal recht schwer gehabt in unseren knappen Verh?ltnissen."
Sie verabschiedeten sich und Krau?old versprach, am n?chsten Donnerstag gleich nach Schlu? der Sitzung ihm den Entscheid über die Besetzung der Stelle zu telegraphieren. Als bei seiner Heimkehr Herr Pf?ffling seiner Frau die Rose reichte, wu?te sie alles, auch ohne Worte: seine glückselige siegesgewisse Stimmung, seine Freude, da? er auch ihr ein sch?neres Los bieten konnte, das alles erkannte sie an der unerh?rt verschwenderischen Gabe einer Rose im November!
Die Sache blieb nicht l?nger Geheimnis. Herr Pf?ffling besprach sie mit seinem Direktor, in der Zeitung kam eine Notiz aus Marstadt über die geplante Musikschule und die zwei Bewerber um die Direktorstelle. Auch die Kinder h?rten nun davon, die Hausleute erfuhren es und Walburg wurde es ins Ohr gerufen.
Je n?her der Donnerstag kam, um so mehr wuchs die Spannung auf den Entscheid. Am Vorabend lief noch ein Brief von Krau?old ein, der keinen Zweifel mehr darüber lie?, da? Pf?ffling einstimmig gew?hlt würde.
Gegen Mittag konnte das Telegramm einlaufen. Es war noch nicht da, als Herr Pf?ffling aus der Musikschule heimkam. So setzten sie sich alle zu Tisch wie gew?hnlich, aber die Kinder stritten sich darum, wer aufmachen dürfte, wenn der Telegraphenbote klingeln würde. Die Mutter hatte das aufmerksame Ohr einer Hausfrau, sie legte den L?ffel aus der Hand und sagte: "Er kommt." Einen Augenblick sp?ter klingelte es, und von den dreien, die hinaus gerannt waren, brachte Wilhelm das Telegramm dem Vater, der rasch den Umschlag zerri?. Es war ein langes, ein bedenklich langes Telegramm. Es besagte, da? noch in der letzten Stunde der Beschlu?, im n?chsten Jahre schon eine Musikschule zu gründen, umgesto?en worden sei und man eines günstigen Bauplatzes wegen noch ein paar Jahre warten wolle!
Herrn Pf?ffling war zumute, wie wenn man ihm den Boden unter den Fü?en weggezogen h?tte, als er las, da? die ganze Musikschule, die er dirigieren wollte, wie ein Luftschlo? zusammenbrach.
O, diese traurige Tischgesellschaft! Wie bestürzt sahen die Eltern aus, wie starrten die Buben das unheilvolle
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