Anne und Else fügte altklug hinzu: "Es gibt Dienstm?dchen, die h?ren ganz gut, die h?ren sogar das Klingeln, wenn wir so eine h?tten!" "Seid ihr ganz zufrieden, da? wir unsere Walburg haben," entgegnete Frau Pf?ffling, "wenn sie nicht bei uns bleiben wollte, k?nnten wir gar keine nehmen, sie tut's um den halben Lohn. Und wieviel tut sie uns! Es ist traurig, zu denken: weil sie ein solches Gebrechen hat, mu? sie sich mit halbem Lohn begnügen. Wenn ich k?nnte, würde ich ihr den doppelten geben." Unvermutet ging die Türe auf und die, von der man gesprochen hatte, trat ein. Unwillkürlich sahen alle Kinder sie aufmerksamer an als sonst, sie bemerkte es aber nicht, denn sie blickte auf das gro?e Brett voll geputzter Bestecke und Tassen, das sie aus der Küche hereintrug. Walburg war eine ungew?hnlich gro?e, kr?ftige Gestalt und ihr Gesicht hatte einen guten, vertrauenerweckenden Ausdruck. Vor ein paar Jahren war sie aus einem Dienst entlassen worden wegen ihrer zunehmenden Schwerh?rigkeit, die nun fast Taubheit zu nennen war. Als niemand sie dingen wollte, war sie froh, bei kleinem Lohn in der Familie Pf?ffling ein Unterkommen zu finden. Seitdem sie nicht mehr das Reden der Menschen h?rte, hatte sie selbst sich das Sprechen fast abgew?hnt. So tat sie stumm, aber gewissenhaft ihre Arbeit, und niemand wu?te viel von dem, was in ihr vorging und ob sie schwer trug an ihrem Gebrechen. Durch der Mutter Worte war aber die Teilnahme der jungen Pf?fflinge wach geworden und mit dem Wunsch, freundlich gegen sie zu sein, griff Marie nach den Bestecken, um sie einzur?umen; die andern bekamen auch Lust zu helfen, und im Nu war das Brett leer und Walburg sehr erstaunt über die ungewohnte Hilfsbereitschaft. "Freundlichkeit ist auch ein Lohn," sagte Frau Pf?ffling, "wenn ihr den alle sieben an Walburg bezahlt, dann--" "Dann wird sie kolossal reich," vollendete Karl.
Unser Musiklehrer kam vergnügt aus seinem Eckzimmer hervor: "Ein guter Anfang des Schuljahrs," sagte er. "Die Dame hat mir ihre Tochter als Schülerin angetragen. Zwei Stunden w?chentlich in unserem Haus. Das Fr?ulein mag etwa 17 Jahre alt sein und kommt mir allerdings vor, als sei es noch ein dummes G?nschen, aber ein freundliches, es lacht immer, wenn nichts zu lachen ist, und kam in Verlegenheit, als die Frau Mama nach dem Preis fragte mit der Bemerkung, sie zahle immer voraus. Sie zog auch gleich ein hochfeines Portemonnaie und z?hlte das Geld auf den Tisch. 'Wenn es auch nur eine Bagatelle ist,' sagte die Dame, 'so bringt man doch die Sache gerne gleich in Ordnung.' Darauf empfahl sie sich, das Fr?ulein knixte und lachte und morgen wird die erste Stunde sein. Da ist das Geld, wirst's n?tig haben," schlo? Herr Pf?ffling seinen Bericht und reichte seiner Frau das Geld hin. Die Kinder drückten sich an die Fenster, sahen hinunter und bewunderten die Dame, die mit ihrem seidenen Kleid durch die Frühlingsstra?e rauschte, begleitet von der Tochter, die mehr noch ein Kind als ein Fr?ulein zu sein schien. "Hat je eines von euch schon diesen Namen geh?rt?" fragte Herr Pf?ffling und hielt ihnen die Visitenkarte der Dame hin. Sie schüttelten alle verneinend, der Name war ganz schwierig herauszubuchstabieren, er lautete: Frau Privatiere Vernagelding.
2. Kapitel
Herr Direktor?
November! Du düsterer, nebeliger, na?kalter Monat, wer kann dich leiden? Ich glaube, unter allen zw?lfen hast du die wenigsten Freunde. Du machst den Herbstfreuden ein Ende und bringst doch die Winterfreuden noch nicht. Aber zu etwas bist du doch gut, zur ernsten, regelm??igen Arbeit.
Was wurde allein in der Familie Pf?ffling gearbeitet an dem gro?en Tisch unter der H?ngelampe, die schon um 5 Uhr brannte! Von den vier Brüdern schrieb der eine griechisch, der andere lateinisch, der dritte franz?sisch, der vierte deutsch. Der eine stierte in die Luft und suchte nach geistreichen Gedanken für den Aufsatz, der andere bl?tterte im Lexikon, der dritte murmelte Reihen von Zeitw?rtern, der vierte kritzelte Rechnungen auf seine Tafel. Dazwischen wurde auch einmal geplaudert und gefragt, gesto?en und aufbegehrt, auch gehustet und gepustet, wie's der November mit sich bringt. Die Mutter sa? mit dem Flickkorb oben am Tisch, neben sich Elschen, die sich still besch?ftigen sollte, was aber nicht immer gelang.
Marie und Anne, die Zwillingsschwestern, sa?en selten dabei. Sie hatten ein Schlafzimmer für sich, und in diesem ihrem kleinen Reich konnten sie ungest?rt ihre Aufgaben machen. Zwar war es ein kaltes Reich, denn der Ofen, der darin stand, wurde nie geheizt, aber die Schwestern wu?ten sich zu helfen. Sie lernten am liebsten aus einem Buch, dabei rückten sie ihre Stühle dicht zusammen, wickelten einen gro?en alten Schal um sich und w?rmten sich aneinander. Nur mit der Beleuchtung hatte es seine Schwierigkeit. Eine eigene Lampe wurde nicht gestattet, es w?re ihnen auch nicht in den Sinn gekommen, einen solchen Anspruch zu machen. Aber im Vorplatz auf dem Schr?nkchen stand eine Ganglampe. Sie mu?te immer brennen wegen der Stundenschüler, die den
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