Die Erziehung des Menschengeschlechts | Page 3

Gotthold Ephraim Lessing
Menschen in diesem Leben alles aus: w?re darum das Daseyn Gottes minder erwiesen? st��nde es darum Gotte minder frey, w��rde es darum Gotte minder ziemen, sich der zeitlichen Schicksale irgend eines Volks aus diesem verg?nglichen Geschlechte unmittelbar anzunehmen? Die Wunder, die er f��r die Juden that, die Prophezeyungen, die er durch sie aufzeichnen lie?, waren ja nicht blos f��r die wenigen sterblichen Juden, zu deren Zeiten sie geschahen und aufgezeichnet wurden: er hatte seine Absichten damit auf das ganze j��dische Volk, auf das ganze Menschengeschlecht, die hier auf Erden vielleicht ewig dauern sollen, wenn schon jeder einzelne Jude, jeder einzelne Mensch auf immer dahin stirbt.
��. 23.
Noch einmal. Der Mangel jener Lehren in den Schriften des Alten Testaments beweiset wider ihre G?ttlichkeit nichts. Moses war doch von Gott gesandt, obschon die Sanktion seines Gesetzes sich nur auf dieses Leben erstreckte. Denn warum weiter? Er war ja nur an das Israelitische Volk, an das damalige Israelitische Volk gesandt: und sein Auftrag war den Kenntnissen, den F?higkeiten, den Neigungen dieses damaligen israelitischen Volks, so wie der Bestimmung des k��nftigen, vollkommen angemessen. Das ist genug.
��. 24.
So weit h?tte Warburton auch nur gehen m��ssen, und nicht weiter. Aber der gelehrte Mann ��berspannte den Bogen. Nicht zufrieden, da? der Mangel jener Lehren der g?ttlichen Sendung Mosis nichts schade: er sollte ihm die g?ttliche Sendung Mosis sogar beweisen. Und wenn er diesen Beweis noch aus der Schicklichkeit eines solchen Gesetzes f��r ein solches Volk zu f��hren gesucht h?tte! Aber er nahm seine Zuflucht zu einem von Mose bis auf Christum ununterbrochen fortdaurenden Wunder, nach welchem Gott einen jeden einzeln Juden gerade so gl��cklich oder ungl��cklich gemacht habe, als es dessen Gehorsam oder Ungehorsam gegen das Gesetz verdiente. Dieses Wunder habe den Mangel jener Lehren, ohne welche kein Staat bestehen k?nne, ersetzt; und eine solche Ersetzung eben beweise, was jener Mangel, auf den ersten Anblick, zu verneinen scheine.
��. 25.
Wie gut war es, da? Warburton dieses anhaltende Wunder, in welches er das Wesentliche der Israelitischen Theokratie setzte, durch nichts erh?rten, durch nichts wahrscheinlich machen konnte. Denn h?tte er das gekonnt; wahrlich--alsdenn erst h?tte er die Schwierigkeit unaufl?slich gemacht.--Mir wenigstens.--Denn was die G?ttlichkeit der Sendung Mosis wieder herstellen sollte, w��rde an der Sache selbst zweifelhaft gemacht haben, die Gott zwar damals nicht mittheilen, aber doch gewi? auch nicht erschweren wollte.
��. 26.
Ich erkl?re mich an dem Gegenbilde der Offenbarung. Ein Elementarbuch f��r Kinder, darf gar wohl dieses oder jenes wichtige St��ck der Wissenschaft oder Kunst, die es vortr?gt, mit Stillschweigen ��bergehen, von dem der P?dagog urtheilte, da? es den F?higkeiten der Kinder, f��r die er schrieb, noch nicht angemessen sey. Aber es darf schlechterdings nichts enthalten, was den Kindern den Weg zu den zur��ckbehaltnen wichtigen St��cken versperre oder verlege. Vielmehr m��ssen ihnen alle Zug?nge zu denselben sorgf?ltig offen gelassen werden: und sie nur von einem einzigen dieser Zug?nge ableiten, oder verursachen, da? sie denselben sp?ter betreten, w��rde allein die Unvollst?ndigkeit des Elementarbuchs zu einem wesentlichen Fehler desselben machen.
�� 27.
Also auch konnten in den Schriften des Alten Testaments, in diesen Elementarb��chern f��r das rohe und im Denken unge��bte Israelitische Volk, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und k��nftigen Vergeltung gar wohl mangeln: aber enthalten durften sie schlechterdings nichts, was das Volk, f��r das sie geschrieben waren, auf dem Wege zu dieser gro?en Wahrheit auch nur versp?tet h?tte. Und was h?tte es, wenig zu sagen, mehr dahin versp?tet, als wenn jene wunderbare Vergeltung in diesem Leben darinn w?re versprochen, und von dem w?re versprochen worden, der nichts verspricht, was er nicht h?lt?
��. 28.
Denn wenn schon aus der ungleichen Austheilung der G��ter dieses Lebens, bey der auf Tugend und Laster so wenig R��cksicht genommen zu seyn scheinet, eben nicht der strengste Beweis f��r die Unsterblichkeit der Seele und f��r ein anders Leben, in welchem jener Knoten sich aufl?se, zu f��hren: so ist doch wohl gewi?, da? der menschliche Verstand ohne jenem Knoten noch lange nicht--und vielleicht auch nie--auf bessere und strengere Beweise gekommen w?re. Denn was sollte ihn antreiben k?nnen, diese bessern Beweise zu suchen? Die blosse Neugierde?
��. 29.
Der und jener Israelite mochte freylich wohl die g?ttlichen Versprechungen und Androhungen, die sich auf den gesammten Staat bezogen, auf jedes einzelne Glied desselben erstrecken, und in dem festen Glauben stehen, da? wer fromm sey auch gl��cklich seyn m��sse, und wer ungl��cklich sey, oder werde, die Strafe seiner Missethat trage, welche sich sofort wieder in Segen verkehre, sobald er von seiner Missethat ablasse.--Ein solcher scheinet den Hiob geschrieben zu haben; denn der Plan desselben ist ganz in diesem Geiste.--
��. 30.
Aber unm?glich durfte die t?gliche Erfahrung diesen Glauben best?rken: oder es war auf immer bey dem Volke, das diese Erfahrung hatte, auf immer um die Erkennung und Aufnahme der ihm noch ungel?ufigen Wahrheit geschehen. Denn wenn der Fromme schlechterdings gl��cklich war, und es zu seinem Gl��cke doch wohl auch mit geh?rte, da? seine Zufriedenheit keine schrecklichen
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