wenn es Gott nicht gefallen hätte, ihr durch einen neuen Stoß eine
bessere Richtung zu geben.
§. 8.
Da er aber einem jeden einzeln Menschen sich nicht mehr offenbaren
konnte, noch wollte: so wählte er sich ein einzelnes Volk zu seiner
besondern Erziehung; und eben das ungeschliffenste, das verwildertste,
um mit ihm ganz von vorne anfangen zu können.
§. 9.
Dieß war das Israelitische Volk, von welchem man gar nicht einmal
weiß, was es für einen Gottesdienst in Aegypten hatte. Denn an dem
Gottesdienste der Aegyptier durften so verachtete Sklaven nicht Theil
nehmen: und der Gott seiner Väter war ihm gänzlich unbekannt
geworden.
§. 10.
Vielleicht, daß ihm die Aegyptier allen Gott, alle Götter ausdrücklich
untersagt hatten; es in den Glauben gestürzt hatten, es habe gar keinen
Gott, gar keine Götter; Gott, Götter haben, sey nur ein Vorrecht der
bessern Aegyptier: und das, um es mit so viel größerm Anscheine von
Billigkeit tyrannisiren zu dürfen.--Machen Christen es mit ihren
Sklaven noch itzt viel anders?--
§. 11.
Diesem rohen Volke also ließ sich Gott anfangs blos als den Gott seiner
Väter ankündigen, um es nur erst mit der Idee eines auch ihm
zustehenden Gottes bekannt und vertraut zu machen.
§. 12.
Durch die Wunder, mit welchen er es aus Aegypten führte, und in
Kanaan einsetzte, bezeugte er sich ihm gleich darauf als einen Gott, der
mächtiger sey, als irgend ein andrer Gott.
§. 13.
Und indem er fortfuhr, sich ihm als den Mächtigsten von allen zu
bezeugen--welches doch nur einer seyn kann,--gewöhnte er es allmälig
zu dem Begriffe des Einigen.
§. 14.
Aber wie weit war dieser Begriff des Einigen, noch unter dem wahren
transcendentalen Begriffe des Einigen, welchen die Vernunft so spät
erst aus dem Begriffe des Unendlichen mit Sicherheit schließen lernen!
§. 15.
Zu dem wahren Begriffe des Einigen--wenn sich ihm auch schon die
Besserern des Volks mehr oder weniger näherten--konnte sich doch das
Volk lange nicht erheben: und dieses war die einzige wahre Ursache,
warum es so oft seinen Einigen Gott verließ, und den Einigen, d. i.
Mächtigsten, in irgend einem andern Gotte eines andern Volks zu
finden glaubte.
§. 16.
Ein Volk aber, das so roh, so ungeschickt zu abgezognen Gedanken
war, noch so völlig in seiner Kindheit war, was war es für einer
moralischen Erziehung fähig? Keiner andern, als die dem Alter der
Kindheit entspricht. Der Erziehung durch unmittelbare sinnliche
Strafen und Belohnungen.
§. 17.
Auch hier also treffen Erziehung und Offenbarung zusammen. Noch
konnte Gott seinem Volke keine andere Religion, kein anders Gesetz
geben, als eines, durch dessen Beobachtung oder Nichtbeobachtung es
hier auf Erden glücklich oder unglücklich zu werden hoffte oder
fürchtete. Denn weiter als auf dieses Leben gingen noch seine Blicke
nicht. Es wußte von keiner Unsterblichkeit der Seele; es sehnte sich
nach keinem künftigen Leben. Ihm aber nun schon diese Dinge zu
offenbaren, welchen seine Vernunft noch so wenig gewachsen war:
was würde es bey Gott anders gewesen seyn, als der Fehler des eiteln
Pädagogen, der sein Kind lieber übereilen und mit ihm prahlen, als
gründlich unterrichten will.
§. 18.
Allein wozu, wird man fragen, diese Erziehung eines so rohen Volkes,
eines Volkes, mit welchem Gott so ganz von vorne anfangen mußte?
Ich antworte: um in der Folge der Zeit einzelne Glieder desselben so
viel sichrer zu Erziehern aller übrigen Völker brauchen zu können. Er
erzog in ihm die künftigen Erzieher des Menschengeschlechts. Das
wurden Juden, das konnten nur Juden werden, nur Männer aus einem
so erzogenen Volke.
§. 19.
Denn weiter. Als das Kind unter Schlägen und Liebkosungen
aufgewachsen und nun zu Jahren des Verstandes gekommen war, stieß
es der Vater auf einmal in die Fremde; und hier erkannte es auf einmal
das Gute, das es in seines Vaters Hause gehabt und nicht erkannt hatte.
§. 20.
Während daß Gott sein erwähltes Volk durch alle Staffeln einer
kindischen Erziehung führte: waren die andern Völker des Erdbodens
bey dem Lichte der Vernunft ihren Weg fortgegangen. Die meisten
derselben waren weit hinter dem erwählten Volke zurückgeblieben: nur
einige waren ihm zuvorgekommen. Und auch das geschieht bey
Kindern, die man für sich aufwachsen läßt; viele bleiben ganz roh;
einige bilden sich zum Erstaunen selbst.
§. 21.
Wie aber diese glücklichern Einige nichts gegen den Nutzen und die
Nothwendigkeit der Erziehung beweisen: so beweisen die wenigen
heidnischen Völker, die selbst in der Erkenntniß Gottes vor dem
erwählten Volke noch bis itzt einen Vorsprung zu haben schienen,
nichts gegen die Offenbarung. Das Kind der Erziehung fängt mit
langsamen aber sichern Schritten an; es hohlt manches glücklicher
organisirte Kind der Natur spät ein; aber es hohlt es doch ein, und ist
alsdann nie wieder von ihm einzuholen.
§. 22.
Auf gleiche Weise. Daß,--die Lehre von der Einheit Gottes bey Seite
gesetzt, welche in den Büchern des Alten Testaments sich findet, und
sich nicht findet--daß, sage ich, wenigstens die Lehre von
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