Maja, »leben Sie wohl.«
»Auf Wiedersehn«, sagte Peppi und blieb eine Weile auf dem höchsten
Rosenblatt sitzen, um der kleinen Maja nachzusehn, die schnell in einer
geraden Linie hoch in den Himmel hinaufflog, in den goldenen
Sonnenschein und in die reine Morgenluft.
Dann seufzte er heimlich auf und zog sich nachdenklich wieder in den
kühlen Rosenkelch zurück. Es wurde ihm etwas warm, obgleich es
noch früh war. Er summte sein Morgenlied vor sich hin, das im roten
Schein der Rosenblätter und im warmen Sonnenglanz erklang:
Alles steht in gold und grün warm und sommerlich. Nur solang die
Rosen blühn, ist es schön für mich.
Meine Heimat weiß ich nicht, köstlich ist mir dies: daß ich so im
Rosenlicht meinen Tag genieß'.
Wenig weiß ich von der Welt, wo ich glücklich bin. Wenn die Rose
welkt und fällt, muß auch ich dahin.
Und draußen zog langsam der strahlende Frühlingstag über die
blühende Erde herauf.
Drittes Kapitel
+Der Waldsee und seine Leute+
Ach, dachte die kleine Maja im Dahinfliegen, nun habe ich vergessen,
Peppi nach den Menschen zu fragen. Ein so erfahrener Mann, wie er,
hätte mir sicherlich die beste Auskunft geben können. Aber vielleicht
würde sie heute noch selbst einem Menschen begegnen. Voll
Unternehmungslust und Frohsinn ließ sie ihre blanken Augen über das
weite bunte Land schweifen, das sich unter ihr in seiner sommerlichen
Pracht ausbreitete.
Sie kam an einem großen Garten vorüber, in dem es von tausend
Farben leuchtete. Es begegneten ihr vielerlei Insekten, die ihr
Wandergrüße zuriefen und frohe Fahrt und gute Ernte wünschten.
Jedesmal wenn sie einer Biene begegnete, schlug anfänglich ihr Herz
ein wenig, denn sie fühlte sich in ihrer Untätigkeit doch etwas schuldig
und fürchtete sich, Bekannte zu treffen. Aber sie merkte bald, daß die
Bienen sich weiter nicht um sie kümmerten.
Da sah sie plötzlich den blauen Himmel in unendlicher Tiefe unter sich
leuchten. Sie dachte zuerst in großem Schrecken, sie wäre vielleicht
viel zu hoch geflogen und hätte sich im Himmel verirrt, aber da sah sie,
daß sich am Rande dieses unterirdischen Himmels die Bäume
spiegelten, und sie erkannte zu ihrem Entzücken, daß es ein großes,
stilles Wasserbecken war, das blau und klar im ruhigen Morgen dalag.
Sie ließ sich voll Freude bis dicht auf die Oberfläche nieder und konnte
nun sich selbst im Spiegelbild im Wasser fliegen sehen, sie sah ihre
hellen Flügel wie reines flimmerndes Glas blinken, gewahrte, daß ihre
Beinchen richtig am Körper lagen, wie Kassandra es sie gelehrt hatte,
und sah die schöne Goldfarbe ihres Körpers im Wasser scheinen.
Es ist wirklich eine Wonne, so über eine Wasserfläche dahinzufliegen,
jubelte sie. Sie erblickte große und kleine Fische, die in der hellen Flut
dahinschwammen, oder ganz ruhig darin zu schweben schienen. Maja
hütete sich wohl, ihnen zu nahe zu kommen, denn sie wußte, daß ihr
vom Geschlecht der Fische Gefahr drohte.
Als sie am andern Ufer des Sees anlangte, lockte das warme Schilf sie
und die riesengroßen Blätter der Seerosen, die wie grüne Teller auf
dem Wasser lagen. Sie wählte eines der verborgensten Blätter, über
dem die hohen blanken Schilfhalme sich in der Sonne wiegten, und das
selbst beinahe ganz im Schatten lag. Nur ein paar runde Sonnenflecke
lagen darauf, wie Goldmünzen.
»Herrlich,« sagte die kleine Biene, »also wirklich ganz herrlich.« Sie
begann sich ein wenig zu säubern, indem sie mit beiden Armen hinter
ihren Kopf griff und ihn etwas nach vorn zog, als ob sie ihn abreißen
wollte. Aber sie hütete sich, zu fest zu ziehn, es handelte sich nur
darum, den Staub zu entfernen. Dann strich sie mit den Hinterbeinchen
über die Flügeldecken, so daß sie sich nach unten bogen und
wundervoll blank wieder in ihre alte Lage zurückschnellten.
Da kam ein kleiner stahlblauer Brummer zu ihr, ließ sich neben ihr auf
dem Blatt nieder und schaute sie erstaunt an.
»Was wollen Sie hier auf meinem Blatt?« fragte er.
Maja erschrak.
»Man wird sich doch wohl einen Augenblick ausruhen dürfen«, sagte
sie. Sie erinnerte sich, daß Kassandra ihr mitgeteilt hatte, daß das Volk
der Bienen überall in der Insektenwelt in großem Ansehen stehe. Nun
wollte sie einmal eine Probe machen, ob es ihr gelänge, sich in Respekt
zu setzen. Aber ihr Herz klopfte doch etwas, weil sie sehr laut und
entschieden geantwortet hatte.
Der Brummer erschrak in der Tat sichtlich, als er merkte, daß Maja
nicht willens war, sich etwas vorschreiben zu lassen. Mit verdrossenem
Summen schwang er sich auf einen Schilfhalm, der sich über das Blatt
neigte, auf dem Maja saß, und sagte um vieles höflicher von oben
herunter aus dem Sonnenschein:
»Sie sollten lieber einiges arbeiten, wie es sich für Sie gehört, aber
wenn Sie der Ruhe bedürfen ... immerhin. Ich werde hier warten.«
»Es sind doch wirklich Blätter genug da«, meinte Maja.
»Alles vermietet«, sagte er. »Man ist heutzutage froh, wenn man ein
kleines Grundstück sein eigen
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