Die Biene Maja | Page 9

Waldemar Bonsels
Hunger bekam und die R��be suchte, um sie zu verzehren. Ich fand sie nebeneinander im Gras liegen, angelockt durch die Hilferufe meines Bruders. Aber ich kam nur noch zeitig genug, um alles zu h?ren und ihm die Augen zuzudr��cken. Er legte seinen Arm um meinen Hals und k��?te mich zum Abschied. Dann starb er tapfer und ohne Klage, als ein kleiner Held. Als das letzte Beben seiner zerknitterten Fl��gel aufgeh?rt hatte, legte ich Eichbl?tter ��ber ihn und suchte ein erbl��htes M?nnertreu, dessen blaue Blume zu seiner Ehre auf dem H��gel verwelken sollte. 'Leb wohl,' rief ich, 'schlaf gut, mein kleiner Bruder', und flog in den stillen Abend hinaus, den beiden roten Sonnen entgegen, denn man sah die Sonne zweimal, am Abendhimmel und im See. So traurig und feierlich ist noch niemandem zumut gewesen. -- Ist Ihnen auch schon etwas Trauriges passiert? Dann erz?hlen Sie es mir vielleicht ein andermal.?
?Nein,? sagte Maja, ?ich bin eigentlich bis jetzt immer froh gewesen.?
?Da k?nnen Sie Gott danken?, meinte Schnuck, etwas entt?uscht.
Maja fragte nach dem Frosch.
?Ach so, der?, sagte Schnuck. ?Er erlitt voraussichtlich den Tod, den er verdiente. Wie konnte er nur die Herzensh?rtigkeit aufbringen, einen Sterbenden zu ?ngstigen? Er versuchte damals zu entkommen, aber da sein eines Bein sowohl als auch sein eines Auge v?llig au?er T?tigkeit gesetzt waren, h��pfte er ununterbrochen im Kreise herum. Es sah au?erordentlich komisch aus. 'So wird der Storch Sie bald gefunden haben', rief ich ihm zu, bevor ich davonflog.?
?Der arme Frosch?, sagte die kleine Maja.
?Nun, ich mu? doch bitten,? meinte die Libelle nicht ohne Entr��stung, ?Sie gehn zu weit. Einen Frosch bedauern, hei?t sich in den eigenen Fl��gel schneiden. Sie sind eine gewissenlose Person, wie mir scheint.?
?Das kann ja sein,? antwortete Maja, ?aber es wird mir sehr schwer, jemanden leiden zu sehn.?
?O,? tr?stete sie Schnuck, ?das liegt an Ihrer Jugend, Sie werden es lernen, nur Mut, meine Freundin. Aber ich mu? nun fort in die Sonne. Es ist hier reichlich k��hl. Leben Sie wohl!?
Es klirrte leise, und tausend helle Farben blitzten auf, blasse, liebliche Farben, wie rinnendes Wasser sie hat und klare Edelsteine. Schnuck schwang sich durch die gr��nen Schilfhalme bis auf die Oberfl?che des Wassers, und Maja h?rte sie in der Morgensonne singen. Sie lauschte dem feinen Gesang, der etwas von der schwerm��tigen S��?igkeit eines Volksliedes hatte und das Herz der kleinen Maja fr?hlich stimmte und traurig zugleich. Es klang zu ihr her��ber:
Lieblich ist der stille Flu?, wenn der Morgensonne Gru? seine Flut getroffen. Wo der gr��ne Schilfhalm weht und die Wasserrose steht, wei? und gelb und offen.
Warmer Duft und Wind und Flut, auf den Fl��geln Sonnenglut und im Herzen Freude. Ach, das Leben ist nicht lang, goldner Sommer, habe Dank, herrlich ist es heute.
?Horch, das Lied der Libelle erschallt?, rief ein wei?er Schmetterling seiner Freundin zu. Sie schaukelten sich dicht an Maja vor��ber durch das strahlende Blau des sch?nen Tags. Da hob auch die kleine Biene ihre Fl��gel, und mit leisem Summen begr��?te sie den silbernen See zum Abschied und flog landeinw?rts davon.

Viertes Kapitel
+Iffi und Kurt+
Als die kleine Maja am anderen Morgen im Kelch einer blauen Glockenblume erwachte, h?rte sie, da? die Luft von einem feinen leisen Rauschen erf��llt war, und sie sp��rte, da? die Blume sich bewegte, als bek?me sie heimlich kleine St??e. Durch ihren ge?ffneten Kelch zog ein feuchter Geruch von Gras und Erde, und es war sehr k��hl.
Maja nahm ?ngstlich ein wenig Bl��tenstaub von den gelben Staubgef??en der Blume, machte dann sorgf?ltig Morgentoilette und wagte sich vorsichtig Schritt f��r Schritt bis an den ?u?ersten Rand des h?ngenden Kelches. Da sah sie, da? es regnete. Ein feiner k��hler Regen ging mit leisem Rauschen nieder und bedeckte alles umher mit Millionen heller Silberperlen. Sie lagen auf den Bl?ttern und Blumen, rollten im Gras die schmalen gr��nen Wege der Halme nieder und erfrischten den braunen Erdboden.
Maja sah mit gro?em Erstaunen und voll tiefer Verwunderung diese Ver?nderung der Welt, es war der erste Regen, den sie in ihrem jungen Dasein erlebte. Aber obgleich es ihr wohl gefiel und sie begl��ckte, stellte sich doch eine leichte Besorgnis bei ihr ein, denn sie erinnerte sich der Warnung Kassandras, niemals im Regen auszufliegen. Sie begriff, da? es schwer sein mu?te, die Fl��gel im Tropfenfall zu bewegen, auch tat ihr die K?lte weh, und sie vermi?te den ruhigen goldenen Sonnenschein, der die ganze Erde heiter und sorglos stimmte.
Es mu?te noch sehr fr��h sein, denn das Leben im Gras unter ihr nahm erst seinen Anfang. Unter ihrer blauen Glocke war sie wohlgeborgen und konnte den erwachenden Verkehr unter sich pr?chtig beobachten. Dar��ber verga? sie f��r eine Weile ihren Kummer und das Heimweh, das sich in ihrem Herzen einstellte. Es war gar zu unterhaltend, so von einem sicheren Versteck aus, von oben her, auf das Leben und Treiben der Grasbewohner herabzuschaun. Aber allm?hlich zog es ihre Gedanken doch nach ihrer verlassenen Heimat, nach
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