Die Biene Maja | Page 4

Waldemar Bonsels
ihre blonden Haare und wischte sich die gro?en Augen blank. Vorsichtig kroch sie etwas weiter, bis an den Rand des Blattes, und schaute sich um.
Sie war ganz geblendet von der Pracht und dem Glanz der Morgensonne umher. Die Bl?tter leuchteten wie gr��nes Gold hoch ��ber ihr, da wo sie selbst sa?, war es noch k��hl im Schatten.
O du herrliche Welt, dachte die kleine Biene.
Nur langsam entsann sie sich aller Erlebnisse des vergangenen Tags, aller Gefahren und aller Sch?nheiten, die sie gesehn hatte. Aber sie blieb entschlossen, nicht in den Stock zur��ckzukehren. Freilich, wenn sie an Kassandra dachte, klopfte ihr Herz. Aber es war ja unm?glich, da? Kassandra sie jemals finden w��rde. Nein, es war nun einmal ihre Freude nicht, immer ein und ausfliegen zu m��ssen, Honig zu tragen oder Wachs zu bereiten. Sie wollte gl��cklich und frei sein und das Leben auf ihre Art genie?en, mochte kommen was wollte, sie w��rde es ertragen. So leichtsinnig dachte Maja, jedenfalls auch deshalb, weil sie keine rechte Vorstellung von allem hatte, was ihrer noch wartete.
Irgendwo fern in der Sonne schimmerte es rot. Maja sah es gl?nzen und leuchten, und eine heimliche Ungeduld befiel sie. Sie versp��rte auch, da? sie hungrig war. Da schwang sie sich mutig mit einem hellen frohen Summen aus ihrem Versteck, weit hinein in die helle flimmernde Luft und in den warmen Sonnenschein. Sie steuerte in ruhigem Flug grade auf das rote Blumenlicht zu, das ihr zu winken schien, und als sie in die N?he kam, sp��rte sie den Hauch eines so s��?en Duftes, da? sie beinahe bet?ubt wurde und die gro?e rote Blume nur mit M��he erreichte. Sie schwang sich auf das ?u?erste, gew?lbte Blumenblatt und hielt sich fest. Da rollte ihr, mit der leisen Bewegung, in die das Blatt geraten war, eine funkelnde silberne Kugel entgegen, fast so gro? wie sie selbst, durchsichtig und flimmernd in allen Farben des Regenbogens. Maja erschrak furchtbar, obgleich die Pracht dieser k��hlen Silberkugel sie entz��ckte. Der durchsichtige Ball rollte vor��ber, neigte sich ��ber den Rand des Blattes, sprang in den Sonnenschein und fiel nieder ins Gras.
Maja stie? einen leisen Ruf des Schreckens aus, als sie sah, da? die sch?ne Kugel unten in viele winzige Perlchen zersprungen war. Aber es flimmerte nun im Gras so belebt und frisch, rann in zitternden Tr?pflein an den Halmen nieder und funkelte, wie Diamanten im Lampenlicht blitzen. Maja hatte erkannt, da? es ein gro?er Wassertropfen gewesen war, der sich im Kelch der Blume in der feuchten Nacht gebildet hatte.
Als sie sich dem Kelch wieder zuwandte, sah sie einen K?fer mit braunen Fl��geldecken und einem schwarzen Brustschild am Eingang zum Blumenkelch sitzen. Er war etwas kleiner als sie, behauptete seinen Platz ruhig und sah sie ernst, aber durchaus nicht unfreundlich an.
Maja begr��?te ihn h?flich.
?Geh?rte die Kugel Ihnen?? fragte sie. Und als der K?fer nicht antwortete, f��gte sie hinzu. ?Es tut mir sehr leid, sie hinabgeworfen zu haben.?
?Meinen Sie den Tautropfen?? fragte der K?fer und l?chelte etwas ��berlegen. ?Deswegen brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Ich hatte bereits getrunken, und meine Frau trinkt niemals Wasser, weil sie mit den Nieren zu tun hat. Was wollen Sie hier??
?Was ist dies f��r eine herrliche Blume?? sagte Maja, ohne auf seine Frage zu antworten. ?W��rden Sie so g��tig sein, mich zu unterrichten, wie sie hei?t??
Sie erinnerte sich der Ratschl?ge Kassandras und war so h?flich als m?glich.
Der K?fer bewegte seinen blanken gl?nzenden Kopf im R��ckenschild. Dies lie? sich leicht und angenehm bewerkstelligen, da er ganz pr?chtig hineinpa?te und lautlos hin und her glitt.
?Sie sind wohl erst von gestern?? fragte er und lachte, nicht grade h?flich, ��ber Majas Unkenntnis. ��berhaupt hatte er etwas, was Maja als unfein auffiel, die Bienen waren gebildeter und wu?ten sich besser zu benehmen. Aber gutm��tig schien der K?fer doch zu sein, denn als er sah, wie Majas Wangen sich mit einer feinen R?te der Verlegenheit ��berzogen, wurde er nachsichtiger gegen ihre Unwissenheit.
?Es ist eine Rose,? sagte er, ?damit Sie es denn also nun wissen. Wir haben sie vor vier Tagen bezogen und sie ist inzwischen unter unsrer Pflege auf das pr?chtigste gediehen. Darf ich Sie bitten n?her zu treten??
Maja z?gerte, aber sie ��berwand ihre Besorgnis und machte ein paar Schritte. Der K?fer dr��ckte ein helles Bl?ttchen beiseite, und sie betraten nebeneinander die schmalen Gem?cher mit ihren hellroten, duftenden W?nden und ihrem ged?mpften Licht.
?Sie haben es wirklich reizend?, sagte Maja, die ehrlich entz��ckt war. ?Und dieser Duft hat etwas gradezu Bet?rendes.?
Dem K?fer machte es Freude, da? Maja Gefallen an seiner Wohnst?tte fand.
?Man mu? wissen, wo man sich aufh?lt?, sagte er und l?chelte wohlwollend. ?'Sage mir, wo du umgehst, und ich werde dir sagen, wieviel du wert bist', sagt ein altes Sprichwort. Ist etwas Honig gef?llig??
?Ach,? platzte Maja heraus, ?das w?re mir wirklich sehr angenehm.?
Der K?fer nickte und verschwand hinter einer der W?nde. Maja sah sich gl��cklich um. Sie schmiegte
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