die Stille. Ich glaube, bei gro?en Br?nden tritt manchmal so ein Augenblick ?u?erster Spannung ein, die Wasserstrahlen fallen ab, die Feuerwehrleute klettern nicht mehr, niemand rührt sich. Lautlos schiebt sich ein schwarzes Gesimse voroben, und eine hohe Mauer, hinter welcher das Feuer auff?hrt, neigt sich, lautlos. Alles steht und wartet mit hochgeschobenen Schultern, die Gesichter über die Augen zusammengezogen, auf den schrecklichen Schlag. So ist hier die Stille.
Ich lerne sehen. Ich wei? nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wu?te. Alles geht jetzt dorthin. Ich wei? nicht, was dort geschieht.
Ich habe heute einen Brief geschrieben, dabei ist es mir aufgefallen, da? ich erst drei Wochen hier bin. Drei Wochen anderswo, auf dem Lande zum Beispiel, das konnte sein wie ein Tag, hier sind es Jahre. Ich will auch keinen Brief mehr schreiben. Wozu soll ich jemandem sagen, da? ich mich ver?ndere, bleibe ich ja doch nicht der, der ich war, und bin ich etwas anderes als bisher, so ist klar, da? ich keine Bekannten habe. Und an fremde Leute, an Leute, die mich nicht kennen, kann ich unm?glich schreiben.
Habe ich es schon gesagt? Ich lerne sehen--ja, ich fange an. Es geht noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen.
Da? es mir zum Beispiel niemals zum Bewu?tsein gekommen ist, wieviel Gesichter es giebt. Es giebt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere. Da sind Leute, die tragen ein Gesicht jahrelang, natürlich nutzt es sich ab, es wird schmutzig, es bricht in den Falten, es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf der Reise getragen hat. Das sind sparsame, einfache Leute; sie wechseln es nicht, sie lassen es nicht einmal reinigen. Es sei gut genug, behaupten sie, und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen? Nun fragt es sich freilich, da sie mehrere Gesichter haben, was tun sie mit den andern? Sie heben sie auf. Ihre Kinder sollen sie tragen. Aber es kommt auch vor, da? ihre Hunde damit ausgehen. Weshalb auch nicht? Gesicht ist Gesicht.
Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach dem andern, und tragen sie ab. Es scheint ihnen zuerst, sie h?tten für immer, aber sie sind kaum vierzig; da ist schon das letzte. Das hat natürlich seine Tragik. Sie sind nicht gewohnt, Gesichter zu schonen, ihr letztes ist in acht Tagen durch, hat L?cher, ist an vielen Stellen dünn wie Papier, und da kommt dann nach und nach die Unterlage heraus, das Nichtgesicht, und sie gehen damit herum.
Aber die Frau, die Frau: sie war ganz in sich hineingefallen, vornüber in ihre H?nde. Es war an der Ecke rue Notre-Dame-des-Champs. Ich fing an, leise zu gehen, sowie ich sie gesehen hatte. Wenn arme Leute nachdenken, soll man sie nicht st?ren. Vielleicht f?llt es ihnen doch ein.
Die Stra?e war zu leer, ihre Leere langweilte sich und zog mir den Schritt unter den Fü?en weg und klappte mit ihm herum, drüben und da, wie mit einem Holzschuh. Die Frau erschrak und hob sich aus sich ab, zu schnell, zu heftig, so da? das Gesicht in den zwei H?nden blieb. Ich konnte es darin liegen sehen, seine hohle Form. Es kostete mich unbeschreibliche Anstrengung, bei diesen H?nden zu bleiben und nicht zu schauen, was sich aus ihnen abgerissen hatte. Mir graute, ein Gesicht von innen zu sehen, aber ich fürchtete mich doch noch viel mehr vor dem blo?en wunden Kopf ohne Gesicht.
Ich fürchte mich. Gegen die Furcht mu? man etwas tun, wenn man sie einmal hat. Es w?re sehr h??lich, hier krank zu werden, und fiele es jemandem ein, mich ins H?tel-Dieu zu schaffen, so würde ich dort gewi? sterben. Dieses H?tel ist ein angenehmes H?tel, ungeheuer besucht. Man kann kaum die Fassade der Kathedrale von Paris betrachten ohne Gefahr, von einem der vielen Wagen, die so schnell wie m?glich über den freien Plan dort hinein müssen, überfahren zu werden. Das sind kleine Omnibusse, die fortw?hrend l?uten, und selbst der Herzog von Sagan mü?te sein Gespann halten lassen, wenn so ein kleiner Sterbender es sich in den Kopf gesetzt hat, geradenwegs in Gottes H?tel zu wollen. Sterbende sind starrk?pfig, und ganz Paris stockt, wenn Madame Legrand, brocanteuse aus der rue des Martyrs, nach einem gewissen Platz der Cité gefahren kommt. Es ist zu bemerken, da? diese verteufelten kleinen Wagen ungemein anregende Milchglasfenster haben, hinter denen man sich die herrlichsten Agonien vor stellen kann; dafür genügt die Phantasie einer Concierge. Hat man noch mehr Einbildungskraft und schl?gt sie nach anderen Richtungen hin, so sind die Vermutungen geradezu unbegrenzt. Aber ich habe auch offene Droschken ankommen sehen, Zeitdroschken mit aufgeklapptem Verdeck, die nach der üblichen Taxe fuhren: Zwei Francs für die Sterbestunde.
Dieses ausgezeichnete H?tel ist sehr alt, schon zu K?nig Chlodwigs
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