Die Ahnfrau | Page 2

Franz Grillparzer
ahnen.
Nein es ist die Überzeugung, Die sich immer mehr bewährt; Daß das
Schicksal hat beschlossen, Von der Erde auszustoßen Das Geschlecht
der Borotin! Sieh, man schreibt mir, daß ein Vetter, Den ich kaum
einmal gesehen, Der der einz'ge außer mir Von dem Namen unsers
Hauses, Kinderlos, ein welker Greis, Gählings über Nacht gestorben.
Und so bin ich denn der Letzte Von dem hochberühmten Stamme, Der
mit mir zugleich erlischt. Ach, kein Sohn folgt meiner Bahre, Trauernd
wird der Leichenherold Meines Hauses Wappenschild, Oft gezeigt im
Schlachtgefild, Und den wohlgebrauchten Degen Mir nach in die
Grube legen. Es geht eine alte Sage, Fortgepflanzt von Mund zu Mund,
Daß die Ahnfrau unsers Hauses, Ob begangner schwerer Taten,
Wandeln müsse ohne Ruh', Bis der letzte Zweig des Stammes, Den sie
selber hat gegründet, Ausgerottet von der Erde. Nun wohlan, sie mag
sich freuen, Denn ihr Ziel ist nicht mehr fern! Fast möcht' ich das
Märchen glauben, Denn fürwahr ein mächt'ger Finger War bemüht bei
unserm Fall. Kräftig stand ich, herrlich blühend In der Mitte dreier
Brüder; Alle raubte sie der Tod! Und ein Weib führt' ich nach Hause,
Schön und gut und hold wie du. Hochbeglückt war unsre Ehe Und ein
Knabe und ein Mädchen Sproßten aus dem keuschen Bund. Bald wart
ihr mein einz'ger Trost, Meine einz'ge Lebensfreude, Denn mein Weib
ging ein zu Gott. Sorgsam, wie mein Augenlicht, Wahrte ich die teuern
Pfänder; Doch umsonst! Vergeblich Streben! Welche Klugheit, welche
Macht, Mag das Opfer wohl erhalten, Das die finsteren Gewalten
Ziehen wollen in die Nacht! Kaum drei Jahre war der Knabe, Als er in
dem Garten spielend Von der Wärtrin sich verlief. Offen stand die
Gartentüre, Die zum nahen Weiher führt. Immer sonst war sie
geschlossen, Eben damals stand sie offen, (bitter) Hätt' ihn sonst der
Streich getroffen!
Ach, ich sehe deine Tränen Treu sich schließen an die meinen. Weißt
du etwa schon den Ausgang? Ach, ich armer, schwacher Mann, Habe
dir wohl oft erzählet Die alltägliche Geschichte. Was ist's weiter?--Er

ertrank! Sind doch manche schon ertrunken! Daß es just mein Sohn
gewesen, Meine ganze, einz'ge Hoffnung, Meines Alters letzter Stab;
Was kann's helfen!--Er ertrank-- Und ich sterbe kinderlos!
Berta. Lieber Vater!
Graf. Ich verstehe Deiner Liebe sanften Vorwurf. Kinderlos konnt' ich
mich nennen, Und ich habe dich, du Treue! Ach, verzeih dem reichen
Manne, Der sein Habe halb verloren In des Unglücks hartem Sturm,
Und nun mit der reichen Hälfte, Lang an Überfluß gewöhnet, Sich für
einen Bettler hält. Ach verzeih, wenn das Verlorne In so hellem Lichte
glüht, Ist doch der Verlust ein Blitzstrahl, Der verklärt was er entzieht!
Ja fürwahr, ich handle unrecht! Ist mein Name denn das Höchste? Leb
ich nur für meinen Stamm? Mag ich kalt das Opfer nehmen, Das du mit
der Jugend Freuden, Mit des Lebens Glück mir bringst! Meines
Daseins letzte Tage Seien deinem Glück geweiht. Ja an eines Gatten
Seite, Der dich liebt, der dich verdient, Werde dir ein andrer Name Und
mit ihm ein andres Glück! Wähle von des Landes Söhnen, Frei den
künftigen Gemahl, Denn dein Wert verbürgt mir deine Wahl! Wie du
seufzest!--Hast wohl schon gewählet? Jener Jüngling?--Jaromir--
Jaromir von Eschen denk ich. Ist's nicht also?
Berta. Wag ich es?--
Graf. Glaubtest du dem Vaterauge Bleib' ein Wölkchen nur verborgen,
Das an deinem Himmel hängt? Sollt' ich gleich wohl eher schelten, Daß
ich erst erraten muß Was ich längst schon wissen sollte: War ich je ein
harter Vater, Bist du nicht mein teures Kind? Edel nennst du sein
Geschlecht, Edel nennt ihn seine Tat, Bring ihn mir, ich will ihn
kennen, Und besteht er auf der Probe So kann manches noch geschehn.
Fallen gleich die weiten Lehen Als erloschen heim dem Thron, Ein
bescheidnes Los zu gründen Hat noch Borotin genug.
Berta. O wie soll ich--
Graf. Mir nicht danke! Zahl ich doch nur alte Schulden. Hast nicht du's
um mich verdient, Hat nicht er's, der wackre Mann? Denn er war's doch,
der im Walde Dir das Leben einst gerettet, Und mit eigener Gefahr?
Ist's nicht also, liebe Tochter?
Berta. Oh, mit augenscheinlicher Gefahr! Hab ich's Euch doch schon
erzählet, Wie in einer Sommernacht Ich dort in dem nahen Walde Mich
lustwandelnd einst erging, Und vom Schmeichelhauch der Lüfte, Von
dem Duft der tausend Blüten Eingelullt in süß Vergessen Weiter ging

als je zuvor. Wie mit einmal durch die Nacht Einer Laute Klang
erwacht, Klagend, stöhnend, Mitleid flehend Mit der Tonkunst ganzer
Macht; Girrend bald gleich zarten Tauben Durch die
dichtverschlungnen Lauben, Bald mit langgedehntem Schall Lockend
gleich der Nachtigall, Daß die Lüfte schweigend horchten Und das
Laub der regen Espe Seine Regsamkeit vergaß. Wie ich so da steh und
lausche, Ganz in Wehmut aufgelöst, Fühl ich mich mit eins ergriffen,
Und zwei Männer, angetan Mit des Mordes blut'ger Farbe, Mit dem
Dolch, den Augen dräuend, Seh ich gräßlich neben
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