Lebenssehnsucht der Dichterin strahlend aufnimmt. Wie "ein tragisches Vorspiel" zur siegreichen Erhebung der Garibaldi-Romane klingt "Das Leben des Grafen Frederigo Confalonieri", des dem Tode verfallenen im Kerker begrabenen Helden und M?rtyrers. In jenen hatte noch episch-plastischer und lyrisch-musikalischer Stil gewechselt, hier durchdringen sich beide, rein, ruhig, ausgeglichen.
Bald aber dr?ngt die Sehnsucht zur Wirklichkeit Ricarda Huch auch aus dieser Gel?stheit zum einseitigen, seelisch-herbsten Bericht der drei B?nde: "Der Gro?e Krieg in Deutschland", die sie nicht mehr Roman, sondern "Darstellung" nennt. Harte Gegenst?ndlichkeit, strengste Unpers?nlichkeit geben die unersch?pfliche Fülle des Drei?igj?hrigen Krieges, der Geschehnisse, der V?lker, der Generationen. Historisches, Kulturgeschichtliches, Religionsgeschichtliches, Diplomatisches, Strategisches, Biographisches treibt in endloser Bilderfolge, in gleichgültigem epischem Strom vorüber. Gestalten und Schicksale tauchen auf und sinken unter, ruhelos, übergraut von einem lastenden Himmel, der sich immer tiefer herabsenkt. Der Strom der Individuation selber scheint an uns vorüberzuziehen und uns in erdrückender Traurigkeit die l?hmende Frage Friedrich Spees zuzurauschen: "Das eine hatte er erfahren: unerme?lich weit war die Erde von Gott; und wenn sie nun, so fragte er sich zuweilen schaudernd, unerreichbar weit von ihm w?re?"
Aus der Wirklichkeit, die sie hier endlich gefunden, klagt der Dichterin das alte Lied ihrer Seele dunkel und erstarrt entgegen.--
In der Geschichte den tieferen Sinn des Lebens zu suchen, den die zersetzte Gegenwart ihnen vorenth?lt, ist die Ausflucht mehrerer Epiker geworden, am bedeutsamsten für Wilhelm Sch?fer (geb. 1868) im "Lebenstag eines Menschenfreundes". Wie in diesem Pestalozzi-Roman die Wanderung des unermüdlichen Volks- und Menschenfreundes durch Suchen, Irren, Leiden, Verspottung und Verrat zur neuen Menschlichkeit aufw?rts dringt, als Landwirt, "Armennarr" und Schriftsteller, als Waisenvater und als Winkelschulmeister, bis endlich der Greis seinen Menschheitsweg erkannt und erk?mpft und der europ?ischen Erziehung erschlossen hat, das ist in ergreifender, reiner Menschlichkeit, in epischer Schlichtheit und Klarheit dargestellt. Die Tapferkeit und Siegkraft dieses einzelnen und Vergangenes wird Vorbild und Aufgabe allen Künftigen.
------ Gegenüber dem industrialisierten, von Gro?st?dten zersetzten Norden Deutschlands ist der Süden reicher an Unmittelbarkeit, Menschlichkeit, Wurzelkraft geblieben. Emil Strau? und Hermann Hesse wachsen aus diesem Zusammenhang. Emil Strau? (geb. 1866) hat sich Heimat und Fremde, Baden und Brasilien, als Dichter, Bauer und Farmer vertraut und eigen gemacht. Voll m?nnlicher Klarheit und Tatkraft hat er mit dem Leben gerungen, ohne durch Entt?uschung, Leid und Krankheit niedergeworfen oder ungerecht zu werden. In Freiheit, Liebe und Güte blieb er der Sieger. Er sieht und zeichnet die Wirklichkeit in festen, sicheren Linien und übergl?nzt sie doch mit dem überirdischen Schimmer seines Humors. Im "Engelwirt" schildert er einen Schwaben, der das Schicksal überlisten will, der--da ihm die eigene Frau keinen Erben schenkt--sich in schlauer Ausflucht an die Magd heranmacht. Statt des Buben kommt aber ein M?del, und Spott und L?cherlichkeit umschwirren ihn. Gekr?nkt in seiner Schwabenschlauheit und -eitelkeit, geht er mit der Magd und dem Kind heimlich davon nach Brasilien, um dort noch übler genarrt, geprellt, geduckt zu werden. Als die Magd stirbt, kehrt er kleinlaut und zerknirscht heim zur verlassenen Frau, die ihn ohne Staunen, ohne Vorwurf, mit einem schlichten, l?chelnden Gru? empf?ngt, ihm das Kind abnimmt und in selbstverst?ndlicher Fürsorge sich ihm widmet: eine reife, rüstige, Gottfried Kellersche Frauengestalt, voll Freiheit und W?rme. In "Kreuzungen" zeichnet Strau? die Entwicklung dreier junger Charaktere, de aus dem Zufall erster Anlagen und Verh?ltnisse sich in tapferen Zwisten l?sen, ihre Lebens- und Wesensform selber schaffen und sich im Wirkungskreis der Menschheit einen Platz erobern. Im "Nackten Mann" geht er in die Vergangenheit seiner Heimat zurück, ohne die Bedenken gegen den historischen Roman zu überwinden. In "Freund Hein" und im "Spiegel" aber kommt hinter der herben Gegenst?ndlichkeit seiner Welt die tiefe Musik seiner Seele zum klingenden Ausdruck. In "Freund Hein" zerbricht ein Gymnasiast, der in der Welt seiner musikalischen Berufung lebt, an den unnachsichtigen Forderungen einer wesensfremden Wirklichkeit. Im "Spiegel" t?nen wie eine zarte Kammermusik Erinnerungen aus dem Leben der Vorfahren auf, eine Lebensmusik von ebensoviel Seelentiefe als Seelenklarheit.
Je n?her Hermann Hesse (geb. 1877) der Natur verbunden ist, desto weniger findet er sich in der zersetzten Formenwelt der Zivilisation zurecht Er fühlt sich heimisch in der Naivit?t des italienischen Landvolkes, der Sorgen- und Selbstlosigkeit des Landstreichers Knulp, der wie die Blumen. auf dem Felde Gott unmittelbar nahe ist. Aus der Heimatlosigkeit der Welt flieht "Peter Camenaind" zu Boppi, dem armen Krüppel, der in seinem Fahrstuhl diesseits allen Lebenszwiespalts geblieben, der in Krankheit, Einsamkeit Armut und Mi?handlung nichts als Liebt und Güte gelernt und "sich ohne Scham schwach zu fühlen und in Gottes Hand zu geben". Und da Boppi stirbt, kehrt er von seinen "paar Zickzackflügen im Reich des Geistes und der sogenannten Bildung" in sein Heimatdorf, "den alten Winkel zwischen See und Bergen", zurück. In seiner Lade liegen die Anf?nge einer Dichtung: "Ich hatte den Wunsch, in einer gr??eren Dichtung den heutigen Menschen das gro?zügige stumme Lebe der Natur nahezubringen und lieb zu machen. Ich wollte sie lehren, auf den Herzschlag der Erde zu h?ren, am
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