hinein. Unheimlich sah es aus, wie er von den düsterroten Flammen beleuchtet in atemloser Gesch?ftigkeit die schwarze Kiste mit den alten Folianten füllte. Mit einer Kraft, die er als Zuschauer verwundert beobachtet h?tte, zerrte er den schweren Kasten zur Stiege, lie? ihn unter gro?em Gepolter herabgleiten, und erst unten fanden sich zwei M?nner, die ihm halfen, seinen Schatz auf die Stra?e zu tragen. Zwischen zwei Schneehaufen blieb die Kiste stehen. Erleichtert betrat der Lehrer wieder das Haus, um wenn es n?tig war, auch die übrigen Habseligkeiten zu bergen. Die Wirtschafterin lief heulend im Flur herum. Da niemand noch an Gefahr für das Schulhaus dachte, klomm Unruh allein empor, sah sich um, fand es merkwürdig still, h?rte nur das Geprassel des Feuers und das Zischen der Wasserstrahlen. Schr?nke und W?nde waren blutigrot; die Fensterscheiben zitterten vor Hitze, doch mit jedem Augenblick verminderte sich die Gefahr. Die Holzgalerie brannte ab wie Papier und die Steinmauer wurde schwarz von Ru?. Im Hofe stand die Feuerwehr, eine Schar von Todesver?chtern.
Philipp Unruh trat wieder auf die Stra?e. Er winkte den Gemeindediener herbei, da? er ihm helfe, die Kiste zurückzutragen. Allein die Kiste war verschwunden. Der Raum zwischen den beiden Schneehaufen war leer. In den weichen Schnee war ein tiefes Rechteck eingedrückt, sonst war nichts zu sehen. ?Wo sind denn die Bücher?? fragte der Lehrer mechanisch, und blickte sich befremdet um. ?Gutmann, wo ist meine Kiste?? schrie er einen vorübergehenden Feuerwehrmann an, und sein Gesicht verzerrte sich. Gutmann zuckte besch?ftigt die Achseln. Der Gemeindediener versuchte zu tr?sten und ?ffnete nachdenklich sein Schnapsfl?schchen. Einen um den andern rief der Lehrer an, aber keiner wu?te etwas. Eine Gruppe sammelte sich, die Ratschl?ge gab und Meinungen austauschte. Der Polizist Grünhut stellte sich ein und schrieb Notizen in ein verschmiertes Buch. Der Lehrer hatte zuerst gejammert, jedem geklagt, einige um Beistand gebeten; jetzt wurde er still. Die Gewi?heit, da? man ihm seinen teuersten Besitz entwendet habe, begann als etwas Ungeheures auf ihm zu lasten. Er fühlte sich vom Himmel selbst verwundet; beleidigt und verwundet in seinem innersten Wesen. Die Ungerechtigkeit, unter der er so zu leiden hatte, erstickte seine überlegungen, raubte jedes Ma?, jede Berechnung für das, was ihm zugesto?en. Hier lag ein Verbrechen vor, unerh?rt und frevelhaft. Wer durfte einen armen Friedlichen auf solche Art zu Schaden bringen? Er war ein Lehrer, nichts weiter, und verrichtete ehrlich sein Gesch?ft. Er war vor andern um nichts bevorzugt. Oder wurde es so bitter ger?cht, da? er dem harten Brot des Berufs etwas Wohlgeschmack und Sü?igkeit hinzugefügt?
Breit und mit Würde angestopft, kam der Herr Wachtmeister des Wegs. Er versprach leutselig, sich der Sache anzunehmen. ?Wacker,? sagte er, ?wacker,? ein Lieblingswort, welches er grundlos bevorzugte. Der Polizist trank aus des Gemeindedieners Flasche und eilte in die Nacht, den Dieb zu verfolgen. Man schickte zum B?cker und zum Schneider nebenan. Dieser begann zu schimpfen, man bringe ihn um seinen Ruf, jener tat sehr unschuldig und besorgt. Das Verschwinden der Kiste blieb ein finsteres R?tsel. Philipp Unruh ging noch immer auf der Stra?e hin und her, blickte mit zusammengepre?ten Z?hnen in die Nacht. Die Leute entfernten sich langsam. Es war neun Uhr und Schlafensstunde nah. Auf dem Brandplatz blieben zwei von den Messingbehelmten, lagerten sich an ein Kohlenfeuer und tranken zahllose Krüge Bier, die aus dem ?lustigen Pfeifer? geholt wurden.
Doktor Maspero war der letzte, der vor den trostlosen Beraubten hintrat. Er schaute prüfend zu dem Lehrer empor und sagte übelgelaunt: ?Es ist ja gerade so, als ob Sie eine lebendige Familie verloren h?tten. Pfui, Unruh, das hei?t sich zum Narren stempeln.?
?Lieber Herr Doktor,? entgegnete der Schulmeister unwillig und ohne die Stimme zu erheben, ?wer etwas verliert, mu? am besten wissen, was er verliert.?
Der Doktor brummte, zog die Augenbrauen in die H?he, kicherte in sich hinein und wünschte gute Nacht.
Fünftes Kapitel
Doktor Maspero hatte gut lachen; er wu?te, wo die Bücher hingeraten waren. Nicht ganz ein Komplott und mehr als ein Einfall trug die Schuld. Das kleine M?nnchen mit dem Alleswissergesicht versuchte sich gern in der Seelenheilkunde. Auch der Apotheker und der Schulrat hatten Teil daran. Diese beh?rdliche Person billigte das Treiben des Lehrers nicht. Obwohl von Pflichtvers?umnissen bislang keine Rede sein konnte, -- hinter stummen Bücherdeckeln erhebt sich oft ein unheilvoller Geist. Niemand konnte das gründlicher best?tigen als der Baron. ?Verderblich ist das Wort,? lautete sein gebildetes Orakel. Der Doktor seinerseits mischte sich mit Leidenschaft in fremde Angelegenheiten. Er war ein Schnüffler und mi?traute allen Leuten, bei denen er Geheimnisse vermutete. Er ha?te die Schweigenden, ha?te die Leute, die anspruchslos ihres Weges gehen und in sich verschlie?en, was sie im Innern besch?ftigt. Er ha?te jene, die sich für irgend etwas mit wahrem Gefühl einsetzen und hielt sie für Lügner. Jeder Einsame galt ihm als Verr?ter an einem ?ffentlichen Wohl. Seine Zwerggestalt war der Grund eines wunderlichen, giftigen Ehrgeizes. War er den andern k?rperlich unterlegen, so wünschte
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