Der goldene Spiegel, by Jakob
Wassermann
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Title: Der goldene Spiegel Erzählungen in einem Rahmen
Author: Jakob Wassermann
Release Date: October 24, 2006 [EBook #19611]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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GOLDENE SPIEGEL ***
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Der goldene Spiegel
Erzählungen in einem Rahmen von Jakob Wassermann
Achte Auflage
S. Fischer * Verlag * Berlin 1912
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. Copyright
1911 S. Fischer, Verlag, Berlin.
Kapitelfolge
Franziska und die Freunde 1 Was über den Spiegel beschlossen wurde
13 Die Pest im Vintschgau 25 Der Stationschef 47 Geronimo de
Aguilar 63 Von Helden und ihrem Widerspiel 89 Der Tempel von
Apamea 107 Die Gefangenen auf der Plassenburg 135 Paterner 176
Nimführ und Willenius 196 Herr de Landa und Peter Hannibal Meier
212 Begegnung 231 Die Geschichte des Grafen Erdmann Promnitz 242
Franziskas Erzählung 275 Aurora 291 Der Affe und der Spiegel 323
Ich widme dieses Buch meiner Frau.
O thou whose face hath felt the Winter's wind Whose eye has seen the
snow-clouds hung in mist, And the black elm-tops 'mong the freezing
stars, To thee the Spring will be a harvest time. O thou, whose only
book has been the light Of supreme darkness which thou feddest on
Night after night when Phoebus was away, To thee the Spring shall be
a triple morn, O fret not after knowledge, I have none, And yet my song
comes native with the warmth. O fret not after knowledge, I have none
And yet the evening listens. He who saddens At thought of idleness
cannot be idle, And he's awake who thinks himself asleep. Keats.
Franziska und die Freunde
Drei junge Leute von besonderer Art lernten auf einem Ball im
Künstlerhaus ein siebzehnjähriges Mädchen kennen, das sehr
liebreizend war, Franziska hieß, die Schauspielkunst studierte und das
Leben liebte. Sie trug ihre Armut wie eine vorläufige Hülle, und die
Daseinsstimmung, in der sie sich befand, wird am besten verglichen
mit der morgendlichen Munterkeit eines kräftigen und entschlossenen
Bergsteigers.
Was die jungen Männer betrifft, so waren es Söhne aus reichen und
geehrten Familien, und sie standen in der Reihenfolge der Jahre
zwischen dreiundzwanzig und achtundzwanzig, die der Freundschaft
noch angemessen ist. Eine Aufzählung im Steckbriefstil mag die
genauere Bekanntschaft mit ihnen vorbereiten. Rudolf Borsati war Arzt,
mittelgroß von Figur, ziemlich fett, doch immerhin elegant in der
Erscheinung, von Bart und Haar blond wie türkischer Tabak, von
Gemütsart verträglich, schmiegsamen Geistes und in den Manieren von
charaktervoller Liebenswürdigkeit. Die Klientel brachte ihm nur
geringen Verdienst, er selbst war sein treuester Patient, denn er
beobachtete mit aufmerksamer Hypochondrie die Entstehung und den
Wechsel einer großen Zahl von Krankheiten in seinem eigenen Körper.
Georg Vinzenz Lamberg, ein stattlicher, brünetter, passioniert
aussehender Mensch, der im Gang und im Gehaben etwas Fürstliches
hatte, eine rasche, aufsammelnde, entscheidende und entschiedene
Selbstherrlichkeit, war Archäolog ohne Amt, Privatgelehrter ohne
bestimmte Richtung, ein Sonderling mit leidenschaftlichen Neigungen,
der sich zu den Dingen und den Kreaturen in ein Verhältnis voll
Tyrannei und Abwehr begeben hatte. Am meisten auf das Äußere der
Welt und das Tätige des Lebens gerichtet war Cajetan von Prechtl,
deshalb hatte er auch Franziska zuerst für sich gewonnen. Er war
angehender Diplomat, hatte Ehrgeiz, und in seinem altschmalen
Gesicht saßen zwei dumpfglänzende Augen mit dem starken und
weithinausschauenden Blick eines zielgewissen Schützen. Eine
fantasievolle Welterfahrung war ihm eigen, die ebensogut auf einen
Dichter wie auf einen künftigen Staatsmann schließen lassen konnte
und durch eine seltsame Verschwisterung politischer und romantischer
Elemente jedenfalls bemerkenswert war.
Ihm glückte es, dem Direktor eines der ersten Theater für Franziska
Teilnahme einzuflößen. Ihr Debüt war ein Triumph. Die Poesie ihres
Lächelns, ihrer Geberde, ihrer Haltung verlieh der mittelmäßigen
Komödie einen Schein von Tiefsinn und Elan, und selbst diejenigen,
die ihre Schönheit auf Kosten ihrer Begabung lobten, räumten ein, daß
hier persönlicher Zauber wie Genie wirke. Borsati fand sein Gemüt
bewegter, als er dem jüngeren Freund gestehen mochte, aber Cajetans
wechselsüchtiges Herz hatte sich unlängst für eine andere entzündet,
und nachdem sich die Beiden gegeneinander ausgesprochen, gelang es
Borsati bald, Franziskas Gunst zu erwerben. Er erhob sie, indem er sie
trug, und förderte sie, indem er ihr huldigte. Es war ein zartes
Verhältnis und voll Kameraderie, doch konnte es den Lebensdurst des
jungen Mädchens weder befriedigen, noch verringern; ihr war immer,
als ob sie viel, als ob sie alles versäumte, und je mehr sie zur Frau reifte,
je ungestümer fühlte
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